Wenn mit dem Chef der Führungsstil wechselt

Wie Sie einen Führungswechsel optimal gestalten


Dr. Andreas Nagel

Wer von einem anderen die Leitung einer Apotheke übernimmt, wird damit auch zum Chef eines Mitarbeiterteams, das einen bestimmten Führungsstil gewohnt ist. Wollen Sie einen neuen Führungsstil etablieren, ist besonderes Fingerspitzengefühl erforderlich.

Den meisten Menschen fällt es schwer, gewohnte Denk-, Arbeits- und Verhaltensweisen zu verändern. Wechselt der Führungsstil, erleben Mitarbeiter dies meist als besonders gravierende Veränderung ihrer Arbeitsbedingungen – gerade auch, weil sie ihr eigenes Verhalten an das des ehemaligen Chefs angepasst haben. Wenn der Unterschied zu vorher groß ist, führt dies zunächst zu Verunsicherung oder sogar zu Widerstand. Typische Reaktionen sind dann: "Das haben wir bislang aber immer anders gemacht!" Oder: "Warum sollen wir unsere bisherige Arbeitsweise ändern? Es läuft doch alles!"

Führungsstile im Vergleich

Einen "optimalen" Führungsstil, der universell auf alle Situationen und Mitarbeiter anwendbar ist, gibt es sicherlich nicht. In der Praxis finden sich daher unterschiedliche Formen.

Beim autoritären Führungsstil treffen Sie als Apothekeninhaber alle notwendigen Entscheidungen vorrangig selbst. Ihre Mitarbeiter tun in diesem Fall, was Sie ihnen vorgeben. In der Folge identifizieren sie sich allerdings auch nur wenig mit ihrer Tätigkeit und der Apotheke. Der autoritäre Führungsstil ist dort angebracht, wo ohne Diskussionen genau das getan werden soll, was angeordnet wird – oder wo Mitarbeiter aufgrund ihrer Persönlichkeit danach verlangen.

Beim kooperativen Führungsstil werden Ihre Mitarbeiter an betrieblichen Entscheidungen beteiligt und können eigene Ideen wie auch Vorschläge einbringen. Wenn sie auf diese Weise ihr berufliches Umfeld mitgestalten können, steigen meist die Identifikation mit der Apotheke, die Motivation und die Produktivität. Der kooperative Führungsstil wird daher allgemein als zeitgemäßer Führungsstil angesehen.

Beim situativen Führungsstil wird das Führungsverhalten individuell an die Kompetenz und Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters angepasst. Situations- und mitarbeiterabhängig führen Sie als Chef dann tendenziell eher autoritär oder kooperativ.

Erfahren, wie es bisher lief

Wenn Sie sich gut auf Ihre neue Führungsrolle vorbereiten, können Sie mögliche Probleme vorab erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen erarbeiten. Informieren Sie sich daher zunächst in einem Gespräch mit dem bisherigen Apothekeninhaber sowohl über dessen Führungsstil als auch über die Mentalitäten der einzelnen Mitarbeiter. Wichtig sind dabei unter anderem die Fragen:

  • Wer sind die Wortführer und Meinungsbildner im Team?
  • Wie haben die Mitarbeiter bisher auf Veränderungen reagiert?

Entscheiden Sie dann bewusst, ob Sie in die Fußstapfen Ihres Vorgängers treten wollen – oder ob Sie einen anderen Führungsstil für sinnvoller halten.

Bei den Mitarbeitern punkten

Bevor Sie einen neuen Führungsstil etablieren, sollten Sie von Ihrem neuen Team fachlich und menschlich akzeptiert werden: Überzeugen Sie zunächst durch Ihre pharmazeutische Kompetenz und Ihr persönliches Auftreten. Zeigen Sie durch Ihr Verhalten, dass Ihnen ein respektvoller Umgang mit den Kollegen wichtig ist, und halten Sie Zusagen wie auch Versprechen gegenüber Ihren Mitarbeitern stets ein. So erkennen diese, dass sie Ihnen vertrauen und sich auf Ihre Aussagen verlassen können. Wenn Sie dementsprechend dann ausreichend vom Team akzeptiert werden, können Sie beginnen, Ihren Führungsstil schrittweise zu verändern.

Loslegen

Führen Sie entweder mit jedem Mitarbeiter ein Einzelgespräch oder veranstalten Sie eine gemeinsame Besprechung mit allen Mitarbeitern. Erkundigen Sie sich, was die einzelnen Mitarbeiter von der zukünftigen Zusammenarbeit erwarten, und schildern Sie anschließend Ihre eigenen Erwartungen an die Mitarbeiter. Erläutern Sie dabei insbesondere, warum Sie den Führungsstil ändern wollen.

Reagieren Sie bei Widerständen und Gegenargumenten nicht verärgert oder greifen die Mitarbeiter gar an. Zeigen Sie vielmehr stets Verständnis – auch wenn Ihnen einzelne Argumente abwegig erscheinen. Falls Sie sagen: "Ich verstehe Ihre Bedenken", bedeutet das ja nicht, dass Sie derselben Meinung sind wie Ihr Gesprächspartner. Sie signalisieren damit nur, dass Sie dessen abweichende Sichtweise akzeptieren.

Wenn Ihre Mitarbeiter in den Gesprächen konstruktive Anregungen haben, sollten Sie diese in Ihr Führungskonzept einbauen – und sich natürlich für den Hinweis bedanken.

Ein Fall aus der Praxis

Marion Muster (M) übernahm die Apotheke ihrer Mutter mit zehn überwiegend langjährigen und erfahrenen Mitarbeitern. Die Mutter hatte zu allen Mitarbeitern ein vertrauensvolles Verhältnis gehabt, deren persönliche Verhältnisse gekannt und war bei fachlichen Fragen und Problemen stets ansprechbar gewesen. Betriebliche Entscheidungen hatte sie jedoch weitgehend allein und ohne Abstimmung mit dem Team getroffen, eigene Problemlösungsfähigkeiten ebenso wie Eigeninitiative kaum erwartet. Auch waren keine regelmäßigen Mitarbeiterbesprechungen anberaumt worden.

M hingegen war der Meinung, dass die Mitarbeiter aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung in der Lage sein müssten, selbstständiger zu arbeiten – statt mit jeder Frage zu ihr zu kommen. Sie versuchte daher, kooperativer zu führen, und forderte ihr Team verstärkt dazu auf, Probleme eigenverantwortlich zu lösen. Die Mitarbeiter zeigten sich davon aber schon nach kurzer Zeit überfordert. Auf beiden Seiten stellten sich zunehmend Frustration und Unzufriedenheit ein.

Die beiden größten Probleme bei diesem Führungs(stil)wechsel waren

  • ungenügende Kommunikation durch die neue Apothekeninhaberin und
  • fehlende Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter, teilweise aus Angst vor Fehlentscheidungen.

Da es keine angemessene "Anpassungsphase" gab, in der M (auch) die Gründe für die Führungsstiländerung erläuterte, erlebten die Mitarbeiter einen "Kulturschock". Es gelang erst durch mehrere Mitarbeiterbesprechungen, die von M angestrebten Verhaltensänderungen schrittweise herbeizuführen. Die Mitarbeiter wurden systematisch in Problemlösungstechniken und in einer lösungsorientierten Denkweise geschult.

M schlug vor, die neue Art der Zusammenarbeit in einer "Testphase" zunächst über einen begrenzten Zeitraum auszuprobieren – und gegebenenfalls zur bisherigen Arbeitsweise zurückzukehren, falls sich die Neuerungen nicht bewähren sollten.

Auf diese Weise gelang es schließlich, die Mitarbeiter vom neuen Führungsstil zu überzeugen. Die Zeit, die M in die Entwicklung ihrer Mitarbeiter investiert hatte, gewann sie anschließend um ein Vielfaches zurück.

Dr. Andreas Nagel, Diplom-Ökonom, Akademie für Apothekenmanagement, 31535 Neustadt am Rübenberge, E-Mail: dr.andreasnagel@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(06):12-12