Wenn Sie sich von Verträgen lösen wollen

Welche Möglichkeiten Sie haben


Dr. Britta Bradshaw

Jeder will sich irgendwann einmal von einem Vertrag lösen, sei es von einem im Internet geschlossenen Handy-Vertrag oder einem Mietvertrag. Möglichkeiten dazu bieten Rücktritt, Kündigung, Anfechtung und Widerruf. Erfahren Sie, was sich hinter diesen juristischen Begriffen verbirgt.

Grundsätzlich sind Vertragsparteien nach dem lateinischen Leitspruch "Pacta sunt servanda" an die von ihnen geschlossenen Verträge gebunden. Ein freies Widerrufsrecht oder Ähnliches existiert nicht. Je nach Konstellation kommen unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht, mit denen Sie sich von einem Vertrag lösen können. Dazu zählen unter anderem der Rücktritt, die Kündigung, die Anfechtung und der Widerruf.

Einleitend ein Beispiel: Die Mitarbeiter der externen Reinigungsfirma stoßen beim ordnungsgemäßen Reinigen Ihrer Apotheke nahezu jedes Mal die Warenauslagen um. Die Waren kommen zu Schaden. Sie sprechen dieses Verhalten an und mahnen es ab. Doch es ändert sich nichts. In diesem Fall haben Sie zum einen Anspruch darauf, den entstandenen Schaden ersetzt zu bekommen. Zum anderen können Sie vom Vertrag mit der Firma wahlweise zurücktreten oder ihn kündigen.

Der Rücktritt: Das Recht bei Leistungsstörungen

Grundsätzlich kann sich das (einseitige) Rücktrittsrecht entweder aus dem Vertrag selbst oder aus dem Gesetz ergeben. Das Gesetz – sprich: das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) – sieht den Rücktritt immer dann vor, wenn eine sogenannte Leistungsstörung vorliegt, es also besondere Schwierigkeiten gibt, den Vertrag umzusetzen und durchzuführen. Dabei wird unterschieden, ob die Vertragsdurchführung noch möglich oder aber unmöglich ist.

Im geschilderten Fall ist sie weiterhin möglich, die Reinigung erfolgt sogar vertragsgemäß. Jedoch können Sie hier einen Rücktritt nach §324 BGB erklären, weil Ihnen "ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist." Auch wenn Ihr Vertragspartner nicht leistet oder nicht so leistet, wie er leisten müsste, können Sie nach §323 BGB vom Vertrag zurücktreten. Allerdings müssen Sie dem anderen regelmäßig eine Frist setzen, um die Leistung doch noch zu erfüllen.

Ein Rücktrittsrecht haben Sie auch dann, wenn Ihrem Vertragspartner die geschuldete Leistung unmöglich ist, weil beispielsweise eine eigentlich bereits gekaufte Sache zerstört oder gestohlen wurde. In diesem Fall müssen Sie vor dem Rücktritt keine Frist setzen, denn damit würde sich die tatsächliche Situation natürlich nicht ändern.

Die rücktrittsberechtigte Partei muss der anderen Partei gegenüber in allen Fällen den Rücktritt erklären. Hierbei ist keine bestimmte Form vorgeschrieben [1]. Es empfiehlt sich jedoch, zu Beweiszwecken auf eine Textform (z.B. E-Mail, Fax) zurückzugreifen.

Die Kündigung: Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses

Mit einer Kündigung beendet eine Vertragspartei ein Dauerschuldverhältnis durch eine einseitige Erklärung. Ein Dauerschuldverhältnis liegt dann vor, wenn ein dauerhaftes bzw. über einen längeren Zeitraum wiederkehrendes Verhalten vereinbart wird, beispielsweise in einem Miet- oder Arbeitsvertrag. Wichtig zu wissen ist: Bei einem Kaufvertrag wird kein wiederkehrendes Verhalten und damit kein Dauerschuldverhältnis vereinbart. Insofern können Sie ihn auch nicht kündigen.

Die Kündigungserklärung ist grundsätzlich formlos möglich, sie kann also auch mündlich abgegeben werden. Es gibt aber wichtige Ausnahmen: Bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen etwa schreibt §623 BGB die Schriftform vor, es ist also eine Erklärung mit Originalunterschrift notwendig.

Die Kündigungserklärung wird mit Zugang wirksam. Eine Kündigung muss also entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht "angenommen" oder "abgelehnt" werden.

Die Kündigung gilt für die Zukunft. Im eingangs geschilderten Fall könnten Sie also auch mit einer Kündigung erreichen, dass das Reinigungsunternehmen Ihre Waren zukünftig nicht mehr beschädigt.

Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes können Sie gemäß §626 BGB fristlos kündigen. Die Anforderungen an einen wichtigen Grund sind jedoch sehr hoch: Es darf dem Vertragspartner objektiv nicht mehr zumutbar sein, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am Vertrag festzuhalten. Wichtige Gründe beispielsweise im Arbeitsrecht können Diebstahl oder wiederholter Arbeitszeitbetrug sein. In der Regel ist vor dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich.

Liegt kein wichtiger Grund vor, muss die vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten werden. Man spricht dann von einer ordentlichen Kündigung.

Die Anfechtung: "Rettung" bei Irrtum, Täuschung oder Drohung

In speziellen Situationen ist die Anfechtung eines bereits geschlossenen Vertrages möglich. Hierunter versteht man die nachträgliche einseitige Beseitigung von Rechtsfolgen, die dann meist rückwirkend (auf den Vertragsbeginn) nichtig sind. Der Anfechtungsberechtigte kann selbst entscheiden, ob er anfechten oder die Rechtsfolgen gegen sich gelten lassen möchte.

Gründe für eine mögliche Anfechtung sind Irrtum des Anfechtenden und Täuschung oder Drohung durch den Anfechtungsgegner. Als Irrtümer, die zur Anfechtung berechtigen, sieht das Gesetz den Irrtum über den Inhalt des Erklärten und den Irrtum bei der Erklärung (Verschreiben, Vertippen etc.) vor.

Ein Beispiel: Sie wollen im Restaurant stilecht auf Italienisch einen Rotwein ("vino rosso") bestellen, ordern aber, weil Sie die Vokabeln verwechseln, einen "vino bianco" (Weißwein). Dann können Sie Ihre Erklärung als einen Inhaltsirrtum anfechten. Dann allerdings sind Sie als Irrender dem anderen gegenüber nach §122 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Denn schließlich verantwortet der andere den Irrtum nicht.

Nicht zur Anfechtung berechtigt übrigens der bloße Motivirrtum, sprich: Sie haben die Erklärung abgegeben, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dieses Ziel wurde dann aber nicht erreicht.

Wichtig: Nach § 143 BGB muss auch für die zwingend notwendige Anfechtungserklärung eine Frist eingehalten werden. Diese ist bei einer Anfechtung aufgrund einer Täuschung oder Drohung länger (ein Jahr nach Entdecken der Täuschung bzw. nach Beendigung der Zwangslage) als bei einer Anfechtung aufgrund eines Irrtums (meist unverzüglich).

Der Widerruf: Die besondere Möglichkeit der Verbraucher

Die Möglichkeit, einen Vertrag (einseitig) zu widerrufen, besteht nur in bestimmten Fällen und nur für Verbraucher, die einen Vertrag mit einem Unternehmer geschlossen haben. Verbraucher sind dabei nach §13 BGB ausschließlich Menschen, die ein Rechtsgeschäft abschließen, um ein eigenes privates Bedürfnis zu befriedigen. Bei einem Widerruf kann sich der Verbraucher – entgegen dem Leitspruch "Pacta sunt servanda" ohne Grund von einem bereits geschlossenen Vertrag lösen.

Wenn ein Verbraucher einen Vertrag widerrufen will, muss er dies dem Unternehmer gegenüber erklären und eine Widerrufsfrist von 14 Tagen einhalten. Diese Frist beginnt allerdings nur dann, wenn der Unternehmer den Verbraucher korrekt über dessen Widerrufsrecht aufgeklärt hat.

Ein solches Widerrufsrecht besteht beispielsweise nur bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, bzw. bei Fernabsatzverträgen. Letztere liegen nach §312c BGB immer dann vor, wenn ausschließlich Fernkommunikationsmittel (also z.B. Telefon, E-Mails oder Briefe) beim Vertragsschluss zum Einsatz kommen.

Fazit

Pauschal lässt sich nicht feststellen, welcher Vertragstyp durch welche der aufgezeigten Möglichkeiten beendet werden kann. Es kommt – wie so oft – auf den konkreten Fall an.

Literatur

[1] Grüneberg, C.: § 349 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Randnummer (Rn.) 1. In: Palandt, O. (Begr.) et al.: BGB, 78. Auflage, C. H. Beck: München 2019

Dr. Britta Bradshaw, Rechtsanwältin, Kanzlei Winterstein, 22926 Ahrensburg, E-Mail: bradshaw@kanzlei-winterstein.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(09):14-14