Steuernachzahlungszinsen

Bescheide jetzt nur noch "vorläufig"


Helmut Lehr

Bereits vor mehr als einem Jahr hatte der Bundesfinanzhof schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des fiskalischen Zinssatzes für Steuernachzahlungen geäußert. Jetzt endlich hat das Bundesfinanzministerium eingelenkt und "vorläufige Zinsfestsetzungen" angekündigt.

Steuernachzahlungen sind für sich betrachtet schon ärgerlich genug. Kommen dann allerdings noch Zinsen von 6% p.a. hinzu, fehlt den Betroffenen meist jegliches Verständnis. Schließlich entspricht dieser Zinssatz schon seit vielen Jahren nicht mehr annähernd dem allgemeinen Kapitalmarktniveau. Deshalb wird auch ein eventuell gewonnener Liquiditätsvorteil aus der anfänglich zu niedrigen Steuerzahlung durch die Zinsfestsetzung deutlich überkompensiert.

Hinweis: Zwar bezweifelt der Bundesfinanzhof die Verfassungsmäßigkeit der Steuerzinsen in Höhe von 6% p.a. (vgl. AWA 12/2018). Bislang mussten betroffene Steuerzahler aber stets Einspruch einlegen, um ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. auch AWA 14/2018).

Amtlicher Vorläufigkeitsvermerk

Nun hat das Bundesfinanzministerium die Finanzämter endlich angewiesen, Zinsfestsetzungen künftig nur noch vorläufig vorzunehmen – als sogenannten "automatisierten Vorläufigkeitsvermerk" im Bescheid (Schreiben vom 02.05.2019; Aktenzeichen: IV A 3 – S 0338/18/10002). Damit müssen Sie als Steuerzahler neue Bescheide nicht mehr mittels Einspruch anfechten. Sollte das Bundesverfassungsgericht (irgendwann) entscheiden, dass der fiskalische Zinssatz nicht verfassungsgemäß ist, können die vorläufigen Bescheide "automatisiert" zu Ihren Gunsten geändert werden.

Hinweis: Der Vorläufigkeitsvermerk gilt auch für Steuererstattungszinsen, schließlich betragen diese ebenfalls 6% p.a. Deshalb weist die Finanzverwaltung darauf hin, dass in Abhängigkeit von der Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung auch eine Änderung zu Ihren Ungunsten (d.h. weniger Erstattungszinsen!) in Betracht kommen kann. Dann wäre nach §176 Abgabenordnung (AO) aber eine besondere Vertrauensschutzregelung zu berücksichtigen – und eine Änderung zu Ihren Lasten vermutlich gar nicht zulässig.

Zinsfestsetzung bleibt bestehen

Sie müssen allerdings beachten, dass die festgesetzten Nachzahlungszinsen trotz des automatisierten Vorläufigkeitsvermerks auch weiterhin fällig werden. Die Zahlung können Sie nur dann (bis auf Weiteres) vermeiden, wenn Sie einen förmlichen Einspruch einlegen und zusätzlich eine Aussetzung der Vollziehung beantragen.

Hinweis: Durch die Aussetzung der Vollziehung entstehen Ihnen keine zusätzlichen Aussetzungszinsen, auch wenn Sie das Verfahren "verlieren" (vgl. AWA 3/2019).

Altjahre prüfen (lassen)

Generell sollten Sie prüfen, ob Sie bereits in länger zurückliegenden Jahren (nennenswerte) Nachzahlungszinsen entrichtet haben und die Zinsbescheide insoweit noch änderbar sind. Denkbar ist dies z.B. auch bei Umsatzsteuernachzahlungen für solche Jahre, in denen die Betriebsprüfung noch nicht abgeschlossen ist. Die Zinsfestsetzungen stehen dann nämlich oftmals noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und können gegebenenfalls geändert werden (vgl. §239 Abs. 4 AO). Eine solche Prüfung sollte in Abstimmung mit dem bzw. durch den steuerlichen Berater erfolgen.

Hinweis: Hier dürfte es sich allerdings anbieten, eine "Aufgriffsgrenze" zu vereinbaren. Schließlich soll der Aufwand ja in einem gewissen Verhältnis zum erwarteten Ertrag stehen – und dieser ist natürlich nach wie vor ungewiss.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(11):18-18