Homöopathie und Co.

Glaubenskriege


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Man möchte heute nicht mehr in der Haut einst hoch angesehener Homöopathie-Firmen stecken. Mittlerweile weht eine sehr steife Brise aus Richtung der evidenzbasierten Medizin, und es stellt sich die Frage, ob sich diese wieder legt oder ernsthafte Konsequenzen, u.a. gesetzgeberischer Art, zeitigen wird. TV-Satiriker wie Jan Böhmermann greifen das Thema Homöopathie auf, das doch bislang eher in einer ökologischen wie ökonomischen Nische verweilte. Die Umsatzangaben schwanken zwischen gut 400 Mio. € netto und 670 Mio. € brutto für das Homöopathie-Segment in der Apotheke. Etliches kommt auch da bereits per Versand.

Überschlagend können wir von etwa 1% des Gesamt-Apothekenumsatzes ausgehen. Nicht allzu viel mehr setzen wir übrigens mit rezeptfreien Schmerzmitteln in der Selbstmedikation um! Unsere Existenz hängt nicht an den Globuli und Co. Aber ein nettes Zusatzgeschäft, welches den einen oder anderen Kunden in die Apotheke zieht, sind sie doch. Und (noch) werden diese Kunden den Apotheken quasi zwangszugeführt, da klassische Homöopathika kraft ihrer Arzneimitteleigenschaft apothekenpflichtig sind. Würden sie herabgestuft, z.B. auf ein Level wie Nahrungsergänzung, wäre diese "Apothekenbindung" weg – und damit die Chance zu einer seriösen Beratung. Dies sollte bedenken, wer den Homöopathika die Arzneimitteleigenschaft abstreiten möchte. Ein völliges Verbot käme ebenfalls kaum infrage (mit Ausnahme von vielleicht einigen "exotischen" Ausgangssubstanzen), weil es dafür an der Gefahrenlage fehlt. Wohl aber könnten manche Werbeaussagen auf den Prüfstand kommen: Dank einiger Besonderheiten bei der Registrierung bzw. Zulassung gehen diese ja bisweilen ziemlich weit, wie anhand einiger homöopathischer Top-Seller zu sehen.

An der neuerlichen Auseinandersetzung überraschen nicht die Argumente (die sind alle lange bekannt), sondern die Härte und die Kompromisslosigkeit. Ob sich eine Herstellerfirma in einer solchen Gemengelage einen Gefallen tut, renommierte Fachleute per Abmahnung ruhig zu stellen, sollte ernsthaft überdacht werden. Manche Offizinapotheke wird sich genauer überlegen, ob sie noch vertiefte Beziehungen zu Firmen unterhalten möchte, die derart mit dem Holzhammer reagieren. Jan Böhmermann ist prompt darauf eingestiegen und hat diese Abmahnungen samt den Strafen, die im Falle eines Verstoßes drohen, auf die Schippe genommen. So macht man einen Konflikt erst richtig groß, in dem die betreffende Firma vielleicht formalrechtlich, aber weder wissenschaftlich noch marketingmäßig punkten kann – und sich damit ihren "verdienten" Shitstorm einhandelt. Oftmals gilt eben die alte Managerweisheit: "Unrat vorbeischwimmen lassen." Vieles wird heutzutage medial hochgekocht, legt sich dann aber schnell wieder von selbst.

Leider sehen wir, dass Diskurse nach dem "Schwarz-Weiß-Schema" geführt werden. Zwischentöne oder nüchterne Abwägungen bleiben auf der Strecke. Hier kann man tatsächlich schon von Glaubenskriegen sprechen, deren Gräben unüberwindbar erscheinen. Dann sollten wir aber entweder den Glauben als Bestandteil akzeptieren (und dieser durchzieht sehr viele Bereiche der Gesellschaft!) – oder ernsthaft über seine Berechtigung insgesamt diskutieren.

Dabei lässt sich gerade das Thema Homöopathie im pharmazeutischen Alltag sehr pragmatisch handhaben, ohne in den Ruch der Scharlatanerie zu geraten. Immerhin gibt es viele Patienten, die nicht ernstlich erkrankt sind, und bei denen psychosomatische Anteile das Beschwerdebild beherrschen. Man kann sie nun trotzdem, mit allen Konsequenzen, in den schulmedizinischen "Drehtür-Betrieb" schicken (Motto: "Wer gesund ist, wurde nur noch nicht gründlich genug untersucht!"), man kann sie ignorieren bzw. kleinreden – oder man kann ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen, eben auch materialisiert in Form von Globuli und Co. Nur Worte sind vielen Kunden zu wenig. Das sollte man respektieren, durchaus für sich als Apotheke zu nutzen wissen, aber auch die klaren Grenzen kennen. Nur so ergibt es Sinn, die Homöopathie weiterhin im Apothekenmarkt zu halten. Sonst finden wir das irgendwann alles im Drogeriemarkt …

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(14):19-19