Verspätete Steuerzahlung

Säumniszuschläge verfassungswidrig?


Helmut Lehr

Nachdem zuletzt die Rechtmäßigkeit von Nachzahlungszinsen mehrfach infrage gestellt wurde, geraten nun die Säumniszuschläge in den Fokus. Gut möglich, dass auch dieses Druckmittel der Finanzverwaltung bald auf dem richterlichen Prüfstand steht.

In Anbetracht des historisch niedrigen allgemeinen Zinsniveaus zweifelt der Bundesfinanzhof mittlerweile daran, dass der fiskalische Zinssatz von 6% p.a.verfassungsgemäß ist. Entsprechende Bescheide werden deshalb nur noch vorläufig erlassen (vgl. AWA 11/2019).

Nun werden erste Stimmen laut, die auch die Höhe der Säumniszuschläge als rechtswidrig beurteilen. Säumniszuschläge werden von der Finanzverwaltung oder den Kommunen (in Sachen Gewerbesteuer) erhoben, wenn die fällige Steuerschuld zu spät entrichtet wird. Sie betragen für jeden angefangenen (!) Säumnismonat 1% des rückständigen Steuerbetrages – was einer Jahresbelastung von 12% entspricht.

Hinweis: Bei einer Säumnis von bis zu drei Tagen werden noch keine Säumniszuschläge erhoben – es sei denn, Sie zahlen per Scheck.

Druckmittel und Zins

Natürlich stellt sich die Frage, ob Säumniszuschläge überhaupt mit Zinsen vergleichbar sind – und ob deshalb das niedrige allgemeine Kapitalmarktniveau als Argument ins Feld geführt werden kann.

Laut Finanzverwaltung sind Säumniszuschläge in erster Linie ein Druckmittel eigener Art, um fällige Steuerforderungen durchzusetzen. Die Zuschläge seien aber auch eine Gegenleistung für hinausgeschobene Zahlungen und ein Ausgleich für den angefallenen Verwaltungsaufwand (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung, zu §240, Ziff. 5). Schon daraus lässt sich schlussfolgern, dass Säumniszuschläge zumindest einen Zinsanteil enthalten. Auch eine aktuelle Experten-Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, dass Säumniszuschläge zur Hälfte Zinsen darstellen (Steck, D., Deutsche Steuer-Zeitung 5/2019, S. 143–157).

Hinweis: Vor diesem Hintergrund wurde bereits in der offiziellen Fachzeitschrift des Deutschen Steuerberaterverbandes empfohlen, Rechtsmittel gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen einzulegen und auf ein Ruhen des Verfahrens hinzuwirken (vgl. Olgemöller, H., Die Steuerberatung 6/2019, S. 264).

Fragen Sie Ihren Steuerberater

Wurden gegen Sie Säumniszuschläge wegen einer verspäteten Zahlung festgesetzt, sollten Sie zunächst mit Ihrem Steuerberater die weitere Vorgehensweise besprechen: Gegebenenfalls besteht unabhängig von etwaigen verfassungsrechtlichen Zweifeln die Möglichkeit, die Zahlung zu vermeiden. In vielen Fällen sind die Finanzämter nämlich bereit, Säumniszuschläge auf Antrag entweder ganz oder teilweise zu erlassen, insbesondere unter folgenden Umständen:

  • Sie sind plötzlich krank geworden und konnten deshalb nicht rechtzeitig zahlen.
  • Sie haben die pünktliche Zahlung versehentlich (einmalig) verschwitzt.

Hinweis: Auch bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung verlieren die Säumniszuschläge ihre Wirkung als Druckmittel und werden unter Umständen erlassen.

Was gilt bei Sozialabgaben?

In Sachen Sozialversicherung stellt sich die Diskussion über die Höhe der Säumniszuschläge in besonderer Form: Schließlich kennt das Beitragsrecht keine „Nachzahlungszinsen“, sondern ausschließlich Säumniszuschläge (ebenfalls 12% p.a.). Hier machen die Säumniszuschläge nicht selten einen bedeutenden Teil der Beitragsnachforderung aus.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(14):18-18