Das Marketing-Konzept für Ihre Apotheke (Teil 9)

Differenzierung und Positionierung als Basis für die Zukunftsfähigkeit


Frank Weißenfeldt

Wer sich von anderen differenziert, bietet etwas Besonderes an, z.B. ein einzigartiges Produkt, einen besonderen Service oder einfach nur eine nette Geste. Damit positionieren Sie sich dann aus Kundensicht gegenüber dem Wettbewerb. Welche Möglichkeiten haben Sie in der Apotheke?

Der deutsch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Theodore Levitt hat darauf hingewiesen, dass man sich in fast jeder Branche differenzieren und positionieren kann. Was aber bedeutet das für den Alltag in der Offizin?

Strategien, um sich vom Wettbewerb abzuheben

Ein wesentliches Konzept sind die Wettbewerbsstrategien des US-amerikanischen Universitätsprofessors Michael E. Porter, der an der Harvard Business School lehrt. Porter versucht damit zu systematisieren, welche Möglichkeiten Unternehmen haben, um sich im relevanten Markt einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Er ordnet die Strategietypen nach dem möglichen Ziel (dem "Was?" bzw. dem Inhalt) und nach dem vom Unternehmen angestrebten strategischen Vorteil (dem "Wie?" bzw. der Form) ein (vgl. AWA 13/2019). Für ihn gibt es grundsätzlich drei strategische Ausrichtungen im Wettbewerb, und zwar:

  • Kostenführerschaft: Man senkt die eigenen Kosten unter diejenigen der Wettbewerber. Die entsprechende "Kostendifferenz" lässt sich dann – z.B. in Form eines geringeren Preises – an die Kunden weitergeben.
  • Differenzierungs- und Positionierungsstrategie: Man baut auf ein Alleinstellungsmerkmal, das die Käufer eindeutig erkennen können (z.B. Qualität oder Design).
  • Nischenstrategie: Man fokussiert sich z.B. auf ein bestimmtes Kundensegment.

Verdeutlicht seien diese drei Strategietypen an Beispielen aus der Automobilbranche: Porsche, Mercedes, BMW und Audi verfolgen z.B. eine glasklare Strategie der Differenzierung und Positionierung: Sie heben sich etwa über das Design ihrer Autos oder auch über ihr Image von der jeweiligen Konkurrenz ab. Dacia hingegen strebt die Kostenführerschaft an, die dann wiederum zu geringeren Preisen führt. Eine Nischenstrategie schließlich verfolgen der Mercedes- bzw. der BMW-Konzern mit den Marken Smart bzw. Mini: Sie sprechen damit gezielt Menschen an, die Wert auf Lifestyle legen.

Strategien im Apothekenmarkt

Wie aber sieht es im Apothekenmarkt aus? Die Kostenführerschaft können Sie hier beispielsweise erreichen, indem Sie günstigere Konditionen mit Ihren Großhändlern vereinbaren als Ihre Wettbewerber (vgl. z.B. AWA 3/2018). Möglich wird eine Kostenführerschaft aber auch, indem Sie Ihre Lagerbestände optimieren (vgl. z.B. AWA 8/2019).

Die Frage nach der Preisführerschaft bleibe an dieser Stelle außen vor, zumal eine "Billigmentalität" diverse Risiken mit sich bringen kann (vgl. z.B. AWA 10/2019).

Eine Nischenstrategie ist grundsätzlich auch vorstellbar: So gibt es Apotheken, die sich auf bestimmte Indikationen bzw. Patientengruppen spezialisiert haben, so etwa auf ältere Menschen oder junge Mütter. Letztendlich erhält aber jeder Patient in der Apotheke das Arzneimittel, das er benötigt. Eine ausschließliche Nischenstrategie ist daher im Apothekenmarkt nicht möglich – und für Heilberufler auch nicht wünschenswert.

Konzentrieren wollen wir uns hier auf die Differenzierungs- und Positionierungsstrategie von einzelnen Vor-Ort-Apotheken (wenngleich diese Strategie auch von Apothekengruppen bzw. -kooperationen verfolgt werden kann). Die Entwicklung im Apothekenmarkt zeigt insbesondere drei "Spielarten" der Differenzierungs- und Positionierungsstrategie, die wir Ihnen im Folgenden vorstellen.

Die "24/7-Apotheke": Stets für die Kunden da

Für viele Kunden sind die gute Erreichbarkeit der Apotheke sowie auch die Verfügbarkeit der gewünschten Produkte entscheidend für die Apothekenwahl. Die sogenannte "24/7- Apotheke" versucht, diese Kundenwünsche zu erfüllen – und damit auch den Versendern Paroli zu bieten. Beispiele für solche Apotheken finden sich u.a. in Berlin, wo die Start-up-Szene als Zielgruppe auch unorthodoxe Öffnungszeiten in der Nacht favorisiert (vgl. auch AWA 12/2019).

Die "24/7-Apotheke" hat – der Name verrät es schon – an 365 Tagen im Jahr durchgehend oder aber z.B. von 8 Uhr bis 24 Uhr geöffnet. Zudem bietet sie einen hervorragenden Botendienst an oder nimmt an einem Lieferservicenetzwerk teil. So ist sie nicht nur am eigenen Standort, sondern sogar bei den Kunden zu Hause quasi rund um die Uhr präsent.

Die "Wohlfühl-Apotheke": Nicht ohne das gewisse Extra

Apotheken mit dieser Ausrichtung punkten nicht unbedingt mit einem sehr schnellen Lieferservice oder Öffnungszeiten rund um die Uhr. Vielmehr bieten sie eine besondere Kundenbetreuung an und bestechen durch eine außergewöhnliche Atmosphäre (vgl. auch AWA 10/2018): Lounge-Flair, eine helle Offizin, interaktive Erlebnisse und ein ausgesprochen freundliches Apothekenteam können die Säulen einer solchen Positionierung sein.

Typisch für "Wohlfühl-Apotheken" sind auch eigene Zubereitungen bzw. apothekeneigene Marken, so etwa eine eigene Kosmetiklinie, die das Leistungsspektrum ergänzt. Sinnvoll ist es dann, Mitarbeiter im Team zu haben, die auf Dermokosmetik spezialisiert sind und die Patienten zu Fragen rund um die Pflege der Haut beraten können – natürlich im Rahmen individuell vereinbarter Termine.

Die "Lokale-Marke-Apotheke": Haltgeber in unruhigen Zeiten

Vielen Menschen in Deutschland geht es heute zwar materiell viel besser als jemals zuvor. Allerdings prägen auch tiefgreifende Veränderungen unsere Welt. Ursächlich sind vor allem die Globalisierung und die Digitalisierung. In diesen unruhigen Zeiten wünschen sich die Menschen Sicherheit und Vertrauen – und diese Grundbedürfnisse kann insbesondere auch die Apotheke vor Ort erfüllen.

Werden Sie deshalb doch zur "Lokale-Marke-Apotheke", die zur Stadt bzw. zum Viertel oder zum Dorf gehört wie die freiwillige Feuerwehr, der Fußball- oder auch der Karnevalsverein. "Lokale-Marke-Apotheken" konzentrieren ihr Marketing im Wesentlichen auf das lokale Umfeld. Ihr Markenversprechen lässt sich im Kern also zusammenfassen als: "Wir sind als Konstante vor Ort immer für Sie da."

Etablieren können Sie sich über identitätsstiftende regionale Merkmale, wie etwa über Dialekte: So nutzen Apotheken immer häufiger die lokale Mundart für die Kommunikation. Im Alten Land bei Hamburg werden die Kunden z.B. auf Plattdeutsch mit "Wo geiht't?" ("Wie geht's?") begrüßt. Und der Slogan "Met planten gezond maken!" informiert darüber, dass sich die Apotheke auf Naturheilverfahren spezialisiert hat.

Fazit

Die Übergänge zwischen diesen drei Apothekentypen können fließend sein. Selbstverständlich gibt es auch darüber hinaus erfolgversprechende Differenzierungs- und Positionierungsstragien. Letztlich kommt es darauf an, dass sich das Apothekenteam immer wieder überlegt, wo es Wettbewerbsvorteile entlang der Wertschöpfungskette realisieren kann – und eine entsprechende Strategie auch in die Tat umsetzt.

Literatur

Kotler, P., et al.: Grundlagen des Marketing, Pearson Deutschland: Hallbergmoos 2016
Kotler, P., et al.: Marketing-Management, Pearson Deutschland: Hallbergmoos 2017
Weißenfeldt, F.: Die Zukunft der Apotheke ist digital und lokal, in: pharmind 10/2018, 1344–1349
Weißenfeldt, F.: Premium-Apotheken, in: Deutsche Apotheker Zeitung 20/2018, S. 56–59

Frank Weißenfeldt, Diplom-Betriebswirt und MBA, Associate Director, IQVIA Commercial, Frankfurt/Main, E-Mail: Frank.Weissenfeldt@iqvia.com

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(16):6-6