Wenn die späteren Erben investieren

Mindert sich die Erbschaftsteuer?


Helmut Lehr

Gerade im engeren Familienkreis schenkt man Angehörigen nicht selten Geld oder greift ihnen finanziell unter die Arme, wenn sie beispielsweise eine Wohnung kaufen. Geschieht dies in Erwartung einer (späteren) Erbschaft, wird es steuerlich schnell kompliziert.

Ein Beispiel: Apothekerin Hauser ist Alleinerbin ihrer Mutter, die im Sommer 2018 verstarb. Zur Erbmasse gehören drei Eigentumswohnungen sowie Barvermögen und Hausrat. Damit ihre Mutter die Wohnungen erwerben konnte, hatte Hauser ihr im Jahr 2003 jeweils 50.000 €/Wohnung geschenkt – natürlich auch vor dem Hintergrund des zu erwartenden Erbes. Diese Beträge hatte Hauser mit jeweils endfälligen Darlehen "refinanziert", die am Todestag ihrer Mutter noch mit je 50.000 € valutierten und die sie erst tilgte, nachdem sie ihr Erbe erhalten hatte.

Später verlangte Hauser vom Finanzamt, ihr die Erbschaftsteuer zu mindern, weil die Darlehen als sogenannte Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden müssten. Das Finanzamt lehnte dies ab, da Hauser keine Schulden oder Verpflichtungen übernommen hatte, die von ihrer Mutter als Erblasserin herrührten – schließlich waren es ja ihre eigenen Schulden.

Keine Gegenleistung für die Erbschaft

Grundsätzlich können Sie auch solche Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeiten bei der Erbschaftsteuererklärung geltend machen, die Ihnen unmittelbar entstehen, weil Sie Ihr Erbe erhalten. Hierzu gehören u.a. Ausgaben, die als Gegenleistung für eine Erbeinsetzung anfallen. Im Beispiel war das allerdings nicht der Fall, da Hauser ihrer Mutter die Teil-Finanzierung der Wohnungen im Jahr 2003 geschenkt hatte – das Geld sollte zumindest keine ausdrückliche Gegenleistung dafür sein, dass ihre Mutter sie später eventuell als Erbin einsetzen würde.

Hinweis: In einem vergleichbaren Fall hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung des Finanzamts bestätigt und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.04.2017, Aktenzeichen: 3 K 233/14). Die dagegen beim Bundesfinanzhof erhobene Revision wurde zwischenzeitlich zurückgenommen.

Wie Sie es besser machen können

Das Beispiel zeigt, dass klare und eindeutige schriftliche Vereinbarungen über Darlehensgewährungen/Investitionen innerhalb der Familie nicht nur für Zwecke der Einkommensteuer enorm wichtig sind, sondern auch im Todesfall für die Erbschaftsteuer eine große Rolle spielen können. Fehlen solche Vereinbarungen, lässt sich selten das für Sie als Steuerzahler optimale Ergebnis erreichen.

Im Beispiel fiel für die Eigentumswohnungen unterm Strich sogar zweimal Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer an: Zum einen im Jahr 2003, als die Tochter ihrer Mutter die insgesamt 150.000 € "überließ", um damit Wohneigentum zu kaufen (mittelbare Grundstücksschenkung). Und zum anderen im Jahr 2018, als das Erbe anfiel.

Natürlich sollten Sie es möglichst vermeiden, einen Gegenstand unnötig "hin und her" zu schenken und Finanzierungsabreden lediglich stillschweigend zu treffen. So wäre es auch im Beispiel sicher besser gewesen, wenn Hauser mit ihrer Mutter einen eindeutigen Darlehensvertrag geschlossen hätte. Dann wäre schon die "Bereitstellung" der 150.000 € im Jahr 2003 nicht als Schenkung beurteilt worden. Außerdem hätte die Darlehensschuld der Mutter gegenüber ihrer Tochter die Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit gemindert.

Hinweis: Die Darlehensschuld erlischt im Erbfall zwar zivilrechtlich, sofern – wie im Beispiel – die Tochter Alleinerbin wird ("Konfusion"). Um allerdings die Erbschaftsteuer festsetzen zu können, muss auch die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden. Und hier lässt sich die (erloschene) Darlehensschuld sehr wohl einbeziehen (vgl. §10 Abs. 3 Erbschaftsteuergesetz [ErbStG]).

Übrigens: §13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG sieht eine gesonderte Steuerbefreiung für Vermögensgegenstände vor, die Eltern oder Großeltern ihren Abkömmlingen zwar geschenkt haben, die aber an sie zurückfallen, weil die Beschenkten versterben. Diese Vorschrift hätte Hauser im Beispiel allerdings auch nicht nutzen können, da die Schenkung ja in die umgekehrte Richtung erfolgt war, nämlich von ihr als Tochter an die Mutter. Eine erweiterte Anwendung der Steuerbefreiung – über den klaren Gesetzeswortlaut hinaus – hat das Finanzgericht ausgeschlossen.

Aufwendungen für ein Grundstück des Erblassers

Generell können Aufwendungen, die man auf sich nimmt, weil man später entsprechend zu erben hofft, durchaus als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar sein. Insbesondere für den häufigen Fall, dass Baumaßnahmen am Wohneigentum naher Verwandter finanziert werden, gibt es bereits eine positive Rechtsprechung: Im Streitfall hatte ein Neffe den Wert eines Grundstücks seines Onkels durch Baumaßnahmen erhöht – auch weil er erwartete, es zu erben. Der Bundesfinanzhof hat nach dem Tod des Onkels bestätigt, dass der steuerlich maßgebende Grundstückswert um den Betrag zu mindern ist, um den der Neffe ihn zuvor erhöht hatte (Urteil vom 01.07.2008, Aktenzeichen: II R 38/07).

Hinweis: Auch wenn diese Entscheidung zugunsten des Erben ausgefallen ist, dürfte es sich in der Praxis anbieten, bei entsprechenden Aufwendungen, die Sie haben, schriftlich einen Aufwendungsersatzanspruch zu vereinbaren. Damit können Sie den Abzug der Investitionen als Nachlassverbindlichkeit sicherstellen. Zumindest bei größeren Beträgen und vor allem bei mehreren potenziellen Erben sollten Sie vorab allerdings einen (steuer-)rechtlichen Berater einschalten. Schließlich sind ergänzende Regelungen der Nachfolge oftmals sehr komplex und fehleranfällig.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(16):16-16