Kontrahierungszwang unter allen Umständen? (Teil 2)

Was bei Liquiditätsproblemen, dem Botendienst und "Problemkunden" gilt


Dr. Bettina Mecking

Der Kontrahierungszwang kann Sie nicht nur bei zahlungsunwilligen Kunden vor große Probleme stellen. Denn was ist, wenn Sie selbst etwa durch Hochpreiser in finanzielle Nöte geraten? Und: Sind Sie verpflichtet, einen Botendienst anzubieten oder gar randalierende Kunden zu bedienen?

Ein großes Problem für Apotheken sind die vermehrt vorkommenden hochpreisigen Arzneimittel. Denn schon längst ist nicht mehr jede Apotheke ausreichend liquide, um den Verkaufspreis des Großhandels problemlos so lange "vorzustrecken", bis ihn die Krankenkasse zurückerstattet.

Wozu können Hochpreiser-Verordnungen führen?

Diese Apotheken müssen dann von ihrer Bank eine teure Zwischenfinanzierung über ein Kontokorrent in Anspruch nehmen. Hierdurch können sich wirtschaftliche Nachteile ergeben, die größer sind als das Honorar, das die Apotheke mit der Hochpreiser-Packung erzielt. Im schlimmsten Fall droht eine Nullretaxation. Nicht nur, wenn der Preis für eine Packung den monatlichen Gewinn übersteigt, kann dann sogar die Existenz der Apotheke gefährdet sein.

Somit sind kleine Apotheken mit sehr schlechter Bonität praktisch nicht in der Lage, Rezepte über Hochpreiser zu beliefern. Sie können folglich ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllen und dem Kontrahierungszwang nicht nachkommen: Aus Selbstschutz weisen sie Patienten mit Hochpreiser-Verordnungen ab. Dies jedoch spricht sich bei den (potenziellen) Kunden negativ herum. Und hiervon wiederum werden oftmals die bisher sowieso schon wirtschaftlich erfolgreichen Apotheken profitieren. Die Situation der nicht so gut aufgestellten Apotheken hingegen, die für die flächendeckende Versorgung ebenso wichtig sind, wird sich weiter verschlechtern.

Kein Apotheker muss sich stillschweigend sehenden Auges selbst wirtschaftlich ruinieren. Sie sollten die Patienten aber auch nicht schlicht vor den Kopf stoßen, sondern ihnen die Situation erklären und versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Welche Möglichkeiten haben Sie bei Kassenpatienten?

Wenn es darum geht, gesetzlich versicherte Patienten mit Hochpreisern zu versorgen, sollten die Krankenkassen an ihre originäre Aufgabe erinnert werden – nämlich Gesundheitsleistungen zu finanzieren und die wohnortnahe Versorgung der Patienten zu gewährleisten.

Eine sachgerechte Lösung, um dem Problem "Hochpreiser" Herr zu werden: Die Krankenkasse könnte der Apotheke eine Bürgschaft ausstellen, die diese dem Großhändler bzw. dem Hersteller bei der Bestellung vorlegt. Damit würde für die Apotheken auch das Retaxationsrisiko entfallen.

Ebenfalls hilfreich wäre es, wenn die Krankenkasse die Beträge, die für die Versorgung mit Hochpreisern anfallen, sofort begleichen würde. Dazu sind Vereinbarungen notwendig, die vorzugsweise nicht einzelne Apotheken, sondern vielmehr die Verbände mit den Krankenkassen abschließen sollten.

Und welche Möglichkeiten haben Sie bei Privatpatienten?

Auch bei Privatpatienten sind Hochpreiser-Verordnungen problematisch. Denn die Selbstzahler können die Beträge von mehreren tausend Euro häufig nicht vorfinanzieren. Und das wird natürlich auch schnell zum Problem für Sie als liefernde Apotheke: Schließlich kommen Ihre Stammkunden dann auf Sie zu und bitten Sie, ihnen eine Zahlungsfrist einzuräumen.

Auch hier bietet sich eine Bürgschaft der privaten Krankenkasse an, die der Patient in der Apotheke vorlegen kann. Praktikabel wäre es ebenfalls, wenn der Patient mit der Krankenkasse vereinbart, dass sie ihm den entsprechenden Betrag zeitnah erstattet.

Wenn ein Notfall vorliegt, können Sie sich gegebenenfalls ein Pfand aushändigen lassen, damit der Kunde auch tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt zahlt.

Manch ein Privatpatient möchte in solchen Situationen auch mit der Kreditkarte zahlen, weil sein Konto dann erst später belastet wird. Da jedoch die Gebühr der Kreditkartenunternehmen bisweilen über der Apothekenmarge für den entsprechenden Vorgang liegt, ist es zumindest wirtschaftlich nicht sinnvoll, dies zu akzeptieren.

Übrigens: Apotheken sind nicht verpflichtet, eine EC- oder Kreditkartenzahlung anzubieten. Wenn ein Kunde nicht genügend Bargeld dabei hat, können Sie ihn also getrost bitten, zur Bank zu gehen und den entsprechenden Betrag abzuheben, sodass er anschließend bar bei Ihnen bezahlen kann.

Grundsätzlich steht die Idee im Raum, das Risiko, das durch Hochpreiser-Verordnungen entsteht, gezielt zu versichern. Eine solche Versicherung würde ihre Prämie dann abhängig von dem Risiko kalkulieren, das die Hochpreiser mit sich bringen. Und damit würden wiederum zusätzliche Kosten auf Sie zukommen.

Können Sie zum Botendienst verpflichtet sein?

Bislang nicht geklärt ist, ob Sie vor dem Hintergrund des Kontrahierungszwangs verpflichtet sind, Patienten per Botenzustellung nach §17 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zu beliefern. Manch einer vertritt die Ansicht, dass es sich beim Botendienst lediglich um ein freiwilliges Angebot der Apotheke handele. Zutreffend ist das sicherlich, wenn ein Patient um die Zustellung gebeten hat, der in der Lage wäre, die Apotheke persönlich aufzusuchen. Dann hat er keinen Anspruch darauf, per Boten der Apotheke versorgt zu werden. Sie können zwar seinem Wunsch entsprechen, müssen es aber nicht.

Anders dürfte es sich in begründeten Einzelfällen verhalten, in denen der Patient nicht in der Lage ist, die Apotheke selbst aufzusuchen, obwohl er dringend Arzneimittel benötigt. Hier könnte sich aus dem Kontrahierungszwang möglicherweise eine gewisse Pflicht ableiten lassen, ihn durch einen Boten zu beliefern. Allerdings liegt es nahe anzunehmen, dass auch in solch einem Fall keine echte Pflicht besteht. Denn nicht jeder Apothekenbetrieb verfügt über ausreichend pharmazeutisches Personal, das derartige Botendienste ständig in der gebotenen Weise durchführen könnte.

Wenn wir einmal von Notfallsituationen absehen, in denen ein Botendienst erforderlich sein kann, damit Sie sich nicht einer unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen: Auch ein bettlägeriger Patient sollte sicherlich in der Lage sein, selbst einen Boten zu beauftragen.

Müssen Sie „Problemkunden“ bedienen?

Wer im öffentlichen Raum (dazu zählen auch Apotheken) ein Hausverbot erteilen will, muss erst einmal juristische Hürden nehmen. Ohne einen sachlichen Grund liegt nämlich rechtlich "verbotene Willkür" vor. Das bedeutet: Sie müssen erst mal jeden in die Apotheke lassen, solange er ein übliches Käuferverhalten an den Tag legt. Auch wenn z.B. die zuständige Kammer in Form eines Testkunden – erkannt oder unerkannt – bei Ihnen vorbeischaut, müssen Sie das dulden.

Anders sieht es aus, falls Kunden z.B. randalieren, ausfällig werden oder etwas stehlen. Dann nämlich liegt ein zwingender Grund vor und Sie können auf Basis Ihres Hausrechts ein generelles Hausverbot aussprechen. Auch Musikanten oder Obdachlose, die Ihre Kunden oder Ihr Personal belästigen, dürfen sie selbstverständlich hinauswerfen. Und falls sich die Betroffenen noch einmal bei Ihnen blicken lassen, können Sie sie wegen Hausfriedensbruchs anzeigen. Aufgrund des Kontrahierungszwangs gilt allerdings immer: Sie müssen die Notfallversorgung auch derjenigen Kunden gewährleisten, die bei Ihnen Hausverbot haben.

Gut zu wissen: Um auf der sicheren Seite zu stehen, sollten Sie ein Hausverbot nicht mündlich, sondern schriftlich erteilen. Und: Sie dürfen das Hausverbot nicht öffentlich bekannt machen, z.B. durch Aushänge in der Apotheke.

Übrigens: Falls Kunden handgreiflich werden, dürfen Sie sich selbstverständlich wehren. Allerdings gilt hier das Gleiche wie bei der Erteilung eines Hausverbots: Achten Sie darauf, dass Ihre Reaktion verhältnismäßig ausfällt. Hüten Sie sich also vor Überreaktionen.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(16):14-14