Damit die Belastung nicht zu groß wird

Wie Sie insbesondere ältere Mitarbeiter vor Stress schützen


Ute Jürgens

Bisher ging man davon aus, dass es vor allem von der Persönlichkeit abhängt, wie gestresst ein Mitarbeiter ist. Doch auch das Alter erweist sich als wesentlicher Einflussfaktor: Denn im Normalfall leiden ältere Arbeitnehmer mehr als jüngere. Sie können ihnen helfen!

Unter negativem Stress ("Disstress") leiden mittlerweile 86% aller Beschäftigten. Steigende stressbedingte Fehltage mit zunehmendem Alter zeigen, dass eine vermehrte Prävention nötig ist – sowohl für akute Situationen als auch für chronischen Stress [1].

Woher übermäßiger Stress kommt – und wohin er führt

Ein zu komplexes und dynamisches Arbeitsumfeld, in dem Unordnung und Lärm vorherrschen und in dem die Fähigkeiten und tatsächlichen Aufgaben der Mitarbeiter auseinanderklaffen, birgt ein hohes Risiko für Stress. Besonders gefährdend wirkt sich ein schlechtes Betriebsklima aus. Ursache dafür kann zum einen sein, dass Ihre Angestellten destruktiv – statt konstruktiv – zusammenarbeiten. Zum anderen ist ein schlechtes Betriebsklima aber auch das Resultat eines ungenügenden Führungsverhaltens [1].

Übermäßiger Stress kann sich auf verschiedene Art und Weise physiologisch äußern. Dabei nehmen die negativen Konsequenzen für die Gesundheit oftmals mit dem Alter zu. Um nur ein Beispiel zu nennen: Stress erhöht den Blutdruck und die Neigung zur Blutgerinnung bei älteren Menschen mehr als bei jüngeren [1].

Gerade auch Angst ist eine nicht zu unterschätzende Reaktion auf Stress [2]. Und wer ständig Angst hat, dass jemand sein körperliches oder seelisches Wohlbefinden bedroht, der ist auch fortwährend abgelenkt und kann sich nicht auf seine Tätigkeiten konzentrieren.

Wenn Sie insbesondere Ihre älteren Mitarbeiter (und vielleicht auch sich selbst?) hiervor schützen wollen, sollten Sie vorsorgen.

Was Elefantenfüße mit Stress zu tun haben

Starten Sie bei den ergonomischen Bedingungen. Halten Sie dafür die Augen offen, und fragen Sie Ihre älteren Mitarbeiter aktiv:

  • Welche Besonderheiten gibt es bei ihnen?
  • Was belastet sie?
  • Was halten sie für unpraktisch, aufwendig oder störend?
  • Was fänden sie einfacher, sinnvoller oder angenehmer?
  • Und was können Sie als Chef konkret tun, um Ihren älteren Angestellten das Leben leichter zu machen?

Einige Beispiele: In manch einer Apotheke sind die Arzneimittel so weit oben eingeräumt, dass auch die älteren Mitarbeiter – zum Teil mit Kreislaufproblemen etc. – auf einen Elefantenfuß klettern müssen, um sie zu erreichen. Hier ließe sich in vielen Fällen leicht Abhilfe schaffen, denn oft bieten die unteren Schubladen noch genug Platz.

Weiterhin störend sind überfüllte HV-Tische mit Aufstellern in Doppelreihe oder Bodenaufsteller, die die Regale versperren. Wenn die Sicht- und Freiwahl häufig umsortiert werden, dann sind gerade die älteren Mitarbeiter – wie übrigens auch die Kunden – oft irritiert und in der Folge gestresst. Um solche und ähnliche Probleme zu lösen, müssen Sie sie allerdings erst einmal erkennen.

Warum Sie auf den Rhythmus achten sollten

Wenn sie sich selbst beobachten, bemerken ältere Menschen fast täglich, was sie nicht mehr oder was sie nur noch langsam bewältigen können. Manch einer fängt an zu kämpfen, wird hektisch und gereizt oder verzweifelt gar; nur wenige bleiben gelassen. Die Minderleistung bleibt auch im Team nicht unbemerkt – was zusätzlich Stress begünstigt. Hier ist von Ihrer Seite eine verständnisvolle Reaktion gefragt: Akzeptieren Sie, dass die Kräfte nachlassen und zeigen Sie Wertschätzung für die Erfahrung des Mitarbeiters. Verzichten Sie auf Äußerungen wie: "Was ist denn los? Das ging doch früher schneller!" Und sagen Sie stattdessen etwa: "Es ist in Ordnung, wenn Sie mal nachfragen oder langsamer arbeiten als mit 20. Ich bin froh, dass Sie da sind und mir helfen. Ich selbst kann auch nicht mehr so viel alleine wuppen."

Sowohl für Ihre älteren Mitarbeiter als auch für Sie selbst ist es wichtig, einen neuen Rhythmus zu akzeptieren, der zu den aktuellen Kräften passt [3]. Beispielsweise könnten Sie Ihre älteren Mitarbeiter nach Absprache individuell so einsetzen, dass sie zu denjenigen Zeiten in der Apotheke sind, in denen sie am besten arbeiten können – und nicht dann, wenn sie gewöhnlich mit einer Konzentrationsschwäche etc. zu kämpfen haben.

Zeitdruck, ständige Unterbrechungen und Ablenkreize aller Art vermeiden Sie am besten, indem Sie klar einteilen, wer für welche Aufgabe verantwortlich ist. Dabei sollten Sie auf die jeweilige körperliche Kondition Rücksicht nehmen: So bietet es sich an, gerade ältere Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit nur im Handverkauf (HV) oder nur für die Arbeit im Labor einzusetzen. Ein Wechsel im Stundenrhythmus ist gut möglich. Kompetenzen, körperlicher Zustand und Tätigkeiten sollten zueinander passen. Es gilt, Über- ebenso wie natürlich auch Unterforderungen zu vermeiden.

Haben Sie auch ein Auge auf Stressoren, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben – und unternehmen Sie alles, um sie zu vermeiden. Da wäre z.B. das Miteinander mit den jüngeren Kollegen: Normalerweise funktioniert das zwar ohne Probleme (vgl. auch AWA 20/2018). Trotzdem sollten Sie entsprechende persönliche Reibereien oder Ähnliches zum Thema machen, bevor dadurch wirkliche Konflikte entstehen, die sich nicht mehr beheben lassen.

Wieso Schulungen gegen Gift wirken können

Frustration, Enttäuschung und damit letztlich wieder Stress entstehen auf allen Seiten auch dadurch, dass ältere Angestellte nur schlecht mit der Software umgehen können. Gerade in hektischen Phasen giftet man sich dann häufig an. Und oftmals bleibt es an den anderen hängen, das zu richten, was der ältere Kollege falsch eingegeben hat. Sinnvoll ist das nicht. Stattdessen wäre hier eine spezielle Schulung angesagt, in der der ältere Mitabeiter langsam an die Software herangeführt wird und alles Wichtige – inklusive Sonderfällen – mehrfach ausprobieren kann. Damit er das Gelernte nicht vergisst, sollte er es jeweils vor Arbeitsbeginn wiederholen. Gestehen Sie ihm überdies ausreichend Zeit zu, sodass er sich Schritt-für-Schritt-Notizen machen kann. Damit wird Frustration zum Erfolgserlebnis, der vermeintliche "Kollege Störfaktor" gliedert sich in den allgemeinen Arbeitsfluss ein – und der Stress geht zurück.

Sorgen Sie auch dafür, dass Ihre Angestellten – die älteren wie die jüngeren – ein Stressmanagement-Training absolvieren. Dort lernen sie nicht nur Maßnahmen wie z.B. Übungen, um sich grundsätzlich zu entspannen. Sie lernen vielmehr auch, wie sie stressige Situationen vermeiden können bzw. wie sie mit solchen Situationen umgehen, sofern sie sich nicht vermeiden lassen.

Animieren Sie gerade auch Ihre älteren Angestellten zu körperlicher Aktivität, denn diese wirkt als Stresspuffer – auch bei psychosozialer Belastung. Das stressbedingte kardiovaskuläre Risiko wird vermindert. Regen Sie so den Besuch des nahe gelegenen Fitnessstudios oder einer Yogaschule an – und greifen Sie Ihren Mitarbeitern dabei finanziell unter die Arme (vgl. dazu z.B. auch AWA 20/2018).

Wenn Sie merken, dass Ihre älteren Angestellten unter Stress leiden, können Sie ihnen auch – zumindest sofern gewünscht – Ernährungs- oder Medikationstipps geben. Das gilt natürlich insbesondere für diejenigen, die nicht zum pharmazeutischen Personal gehören. Manchmal ist bei der Beratung von Mitarbeitern allerdings ein besonderes Fingerspitzengefühl notwendig.

Literatur

[1] Falkenstein, M., Kardy, C.: Auswirkungen von Arbeitsstress auf eine alternde Belegschaft, in: ASU 9/2018, S. 592–597
[2] Pinto Coelho, M.: Älter werden, ohne zu altern, riva Verlag: München 2019
[3] Navarro, T.: Kintsugi – Die Kunst emotionale Verletzungen zu heilen, Kösel-Verlag: München 2019

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(16):12-12