Auf Vielfalt setzen

Wie Sie mit Mitarbeitern punkten, die einen Migrationshintergrund haben


Karin Wahl

Wenn Sie Mitarbeiter mit einem Migrationshintergrund einstellen, können sowohl Ihr ganzes Team als auch Ihre Kunden davon profitieren. Erfahren Sie, warum das so ist – und was Sie beachten sollten, damit alles reibungslos funktioniert.

Wenn Sie als Apotheker schon einmal mit den üblichen Sprachkenntnissen aus der Schule in fernen Ländern gewesen sind, haben Sie vielleicht auch feststellen müssen, wie schnell Sie bei unerwarteten gesundheitlichen Problemen an Ihre Grenzen stoßen – und das, obwohl Sie eigentlich Experte in Gesundheitsfragen sind.

Damit haben Sie einen Eindruck davon bekommen, wie sich Kunden fühlen müssen, die Ihnen und Ihrem Team ihre gesundheitlichen Probleme nicht vermitteln können und die auch die Arzneimittel in Deutschland nicht kennen, weil sie

  • als ausländische Besucher zu uns kommen,
  • als Mitbürger mit Migrationshintergrund die deutsche Sprache eventuell nie gelernt haben, da sie sich in einer Parallelwelt aufhalten, oder weil sie
  • als Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten, in Afghanistan oder in Afrika mit uns leben.

Wie Sie Sprachenvielfalt zur Kundenbindung nutzen können

Hin und wieder können Sie bei diesen Kunden mit Sprachen punkten, die Sie irgendwann einmal gelernt haben – so natürlich mit Englisch und vielleicht auch mit Französisch, Italienisch oder Spanisch. Aber schon bei Türkisch wird es in der Regel eng.

Nicht zuletzt, um mit diesen Kunden zu kommunizieren, ist es sinnvoll, qualifizierte Apotheker, PTAs oder PKAs mit Migrationshintergrund einzustellen. Gerade wenn sie seltene Sprachen sprechen, eignen sie sich ideal als Mitarbeiter – zumal mehrsprachige Apotheker und PTAs auch die Beratungssicherheit erhöhen.

Falls es trotzdem einmal zu Verständnisproblemen und in der Folge zu Falschabgaben etc. kommen sollte: Vergessen Sie nicht, dass für PTAs immer ein Approbierter haftet – im Zweifel sind Sie das als Chef. Ihre Approbierten hingegen arbeiten eigenverantwortlich.

Wenn Sie über ein Team mit großer Sprachenvielfalt verfügen, können Sie dies als Kundenbindungsinstrument nutzen, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Konkurrenten zu sichern. Denn Menschen, die sich in Ihrer Apotheke verstanden und angenommen fühlen, werden Ihre treuesten Kunden sein – und auch großzügig bei Ihnen einkaufen. Zudem werden sie Ihre Apotheke über Mund-zu-Mund-Propaganda weiterempfehlen – und das bringt Ihnen neue Kunden.

Wichtig natürlich: Sie müssen Ihre multinationale Ausrichtung auch deutlich sichtbar im Schaufenster über mehrsprachige Aussagen kommunizieren. Nur so erfahren z.B. ausländische Passanten davon, dass sie sich bei Ihnen in ihrer Muttersprache beraten lassen können.

Ein "Muss" sind in diesem Zusammenhang auch Flyer und Informationsmaterialien in allen bei Ihnen angebotenen Sprachen – mit vielen Piktogrammen. Denn oftmals können z.B. Flüchtlinge nicht lesen, wenn sie in ihrer Heimat keine Schule besucht haben.

Welche Grundregeln Sie mit dem Team vereinbaren sollten

Bevor Sie jemanden aufgrund seiner (vermeintlich) ausgefallenen Sprachkenntnisse einstellen, gilt es, einen professionellen Dolmetscher einzubinden. Dieser sollte in einem Dreiergespräch nicht nur anhand von Floskeln überprüfen, wie gut der Kandidat die Sprache wirklich spricht. Denn ein Kandidat mit griechischen Wurzeln, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, muss nicht zwingend sattelfest in der griechischen Sprache sein – was Sie alleine aber vermutlich nicht beurteilen können.

Damit ein multikulturelles bzw. mehrsprachiges Team "funktionieren" kann, gilt es, Grundregeln festzulegen, die Ihre Mitarbeiter ohne Wenn und Aber einhalten sollten:

  • Um des offenen Betriebsklimas willen ist die "Amtssprache" unter den Mitarbeitern immer Deutsch. Halten Ihre Mitarbeiter sich ohne zwingenden Grund nicht daran, sollten Sie ein ernstes Gespräch mit ihnen führen.
  • Die allgemein üblichen Kontrollen in der Einarbeitungsphase vorausgesetzt: Sofern Ihre neuen Mitarbeiter – seien es Approbierte oder PTAs – die Beratungsgespräche auf Deutsch führen, sollten sie nach ihren Kompetenzen frei im Handverkauf agieren dürfen. Führen sie die Gespräche hingegen in einer anderen Sprache, gilt es, eine zweite Person hinzuziehen, die die Mimik bzw. Körpersprache von Kunden wie auch Mitarbeitern beobachtet.

Eigene Erfahrungen haben gezeigt, dass diese teils strengen Grundregeln notwendig sind. Der Hauptgrund: Auch wenn sich Menschen in ähnlichen Situationen (wie etwa Flucht) befinden oder dieselbe Sprache sprechen bzw. zumindest verstehen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie solidarisch miteinander sind und gut miteinander zurechtkommen. Vielmehr ist aus Genoziden etc. oftmals tiefer Hass erwachsen, der auch am Arbeitsplatz zu heftigen Konflikten führen kann. Und gegen Hass hilft leider auch kein Qualitätsmanagement-System.

Um Konflikte dann weitestgehend zu vermeiden, kann es z.B. notwendig werden, die entsprechenden Mitarbeiter alternierend für unterschiedliche Tätigkeiten an unterschiedlichen Orten (etwa im Handverkauf oder in der Rezeptur) einzuteilen. Darüber hinaus gilt es, mit allen Mitarbeitern gemeinsam in Teamsitzungen Vereinbarungen zum Umgang miteinander zu treffen. Wer sich nicht daran hält, muss wissen, dass eine Abmahnung und eventuell auch eine Kündigung drohen.

Jenseits des Miteinanders im Team können auch Kunden mit einem "anderen" Frauenbild eine Bedrohung sein, wenn sie ihre Grenzen überschreiten. So hat schon manch ein Kunde versucht, junge PTAs zu zwingen, ihm z.B. Medikamente ohne Rezept oder zu einem geringeren Preis auszuhändigen. Problematisch ist das vor allem, wenn in einer anderen Sprache Gesprochenes von den übrigen Mitarbeitern in der Apotheke nicht verstanden wird. Die PTA muss dann sofort die Chance haben, ein (unauffälliges) Warnsignal auszusenden, sodass möglichst schnell ein autoritärer Kollege dazukommt. Ziel ist es, eine Eskalation zu vermeiden und den Kunden dazu zu bewegen, die Apotheke ohne Aggression zu verlassen.

Bekannt sind überdies Fälle, in denen solche "Problemkunden" sogar die Familie und den Wohnort von Mitarbeitern ausspionieren, um auch im privaten Umfeld Druck auszuüben. Hier gilt es, umgehend Schutzmaßnahmen (bis hin zu einem Arbeitsplatzwechsel) zu veranlassen – nicht zuletzt, weil Sie als Arbeitgeber auch für die Sicherheit Ihrer Mitarbeiter zuständig sind und haften, wenn etwas passiert, das Sie hätten verhindern können.

Zu guter Letzt

Natürlich sollten Sie nicht um jeden Preis einen neuen Mitarbeiter einstellen, nur weil er einen Migrationshintergrund hat, der in Ihrer Apotheke bisher noch nicht vertreten ist. Hier gilt wie immer: Ob der Kandidat mit dem Team harmoniert und auch die gewünschte Leistung erbringt, lässt sich erst einigermaßen zuverlässig durch ein zweiwöchiges bezahltes Probearbeiten feststellen.

Wenn es Ihnen so gelingt, die richtigen Mitarbeiter mit Migrationshintergrund einzustellen, ist das eine großartige Bereicherung für das Team. Man lernt andere Nationalitäten und Kulturen sowohl kennen als auch schätzen.

Dazu noch ein Tipp: Als Orte für externe Teambesprechungen haben sich ausländische Lokale bewährt, die Ihre Mitarbeiter nach ihrem Hintergrund – und natürlich nach ihrer kulinarischen Expertise – selbst auswählen. In diesem Rahmen lernt das Team oftmals vollkommen neue Gerichte kennen und kommt sich näher – was letztlich auch das Betriebsklima stärkt!

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karinruthwahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(16):10-10