Konjunkturhimmel trübt sich ein

Wolkenzeit


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Nicht nur der Sommer zeigt sich zwischenzeitlich wolkiger, als von manchem Klimaaktivisten erhofft. Auch andere Hoffnungen zerplatzen zunehmend wie Seifenblasen, vom endlosen "Jobwunder" bis hin zu immerfort sprudelnden Einnahmen der Sozialkassen. Und nun?

Schienen die Jubelmeldungen bis vor Kurzem kein Ende zu nehmen (Tabelle 1 zeigt einige beachtliche Erfolgszahlen seit der Finanzkrise), ist die Tonalität in den Leitmedien jetzt völlig umgeschlagen. Kein Tag vergeht ohne Hiobsbotschaften. Gewinnwarnungen, Stellenabbau und Pleiten bestimmen die Schlagzeilen, dazu das tägliche Klimaschutz-Vaterunser, welches die Konsumlaune teils ja gewollt vermiest. Selbst Top-Firmen müssen den Gürtel enger schnallen, bei diversen Zulieferern und Betrieben der "zweiten Reihe" herrscht "Alarmstufe Rot". Besonders betroffen sind die Kernindustrien Automobil- und Maschinenbau. Schon macht das Wort "Auto-Krise" die Runde.

50% der Wirtschaft gründen jedoch auf Psychologie. Die neue Krisenstimmung hat, so sie sich verfestigt, das Potenzial, auch auf zurzeit gesunde Kernbereiche wie den Konsum und die Bauindustrie durchzuschlagen. Droht wieder die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust, wird man sich die Sache mit der (überteuerten) Eigentumswohnung oder dem Eigenheim überlegen. Als Panikverstärker wirken heute mehr denn je die neuen Medien und das Internet: Wenn in Klein-Entenhausen irgendwer dichtmacht oder von der Leiter fällt, weiß das gleich die ganze Republik und reagiert zunehmend hysterisch.

"Schalter umlegen"

In der Folge sollten Sie bei der Apotheken-Betriebsführung einige Schalter im Kopf umlegen. "Geiz ist geil" könnte wieder moderner werden. Prämien, Taler, Rabatte hatten zwar eigentlich ihren Zenit überschritten – steht nun womöglich eine Renaissance unter anderen Prämissen bevor?

Auch auf der angespannten Personalebene bahnen sich Veränderungen an. Konnten die letzten Schulabgänger-Jahrgänge ihre Ausbildungsstellen frei auswählen (wobei die Apotheke mehr und mehr den Kürzeren zog), dürfte sich das Angebot an attraktiven Stellen empfindlich verknappen. Damit sollte es mehr Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in der Apotheke geben.

Bei den Hilfskräften dürfte das Angebot ebenfalls stark steigen. Kaufmännische und logistische Tätigkeiten kann man mit etwas Einlernen gut von Branchenfremden erledigen lassen. Einstweilen noch knapp bleiben dürften Approbierte und PTAs, aber selbst hier nehmen die Bewerbungen seitens der Mitarbeiter eher wieder zu. Weht erst einmal ein anderer Wind, werden Sie schnell merken, wie die Attraktivität des Arbeitsplatzes in Ihrer Apotheke steigt, Krankheitstage wundersamer Weise zurückgehen, die zeitliche Verfügbarkeit plötzlich flexibler und das Gehaltsthema tiefer gehängt werden. Krisen haben somit auch ihr Gutes. Sie sollten Ihre Führungspolitik daran anpassen und den Honigtopf ruhig wieder etwas höher hängen.

Doch was machen Sie nun konkret aus dieser Gemengelage?

Angebotspolitik

Die Apotheke genießt einen enormen Vertrauensvorschuss und kann sich als Stabilitätsanker profilieren: Hier kauft man stets gut ein und wird kompetent umsorgt – gerade in schwierigeren Zeiten von hohem Wert. Das bedeutet: Ehrliche, preiswerte Angebote im wörtlichen Sinne, nämlich "ihren Preis wert" – und nicht unbedingt die billigsten. Das heißt aber auch: Marketing mit Vernunft und Augenmaß, ohne Hektik und ohne ständiges Preis-Jo-Jo, außerdem Verzicht auf Aktionen, die mehr entwerten, als sie Nutzen stiften.

Greift erst einmal wieder die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust um sich, kommt der Prävention sowie der wirksamen Selbstmedikation eine größere Rolle zu. Die Apotheke vor Ort kann hier ihre Vorzüge hinsichtlich Schnelligkeit und Kundennähe ausspielen. "Bleiben Sie fit!" bzw. "Werden Sie rasch wieder fit!" wird dann als Motto wieder weitaus besser ziehen.

Standortwertigkeiten prüfen

Vielen Einkaufslagen droht ein Kellertreppeneffekt aus sich beschleunigendem Ladensterben, Leerstand und demzufolge weiter sinkenden Passantenfrequenzen. Rand- und 1B-Lagen sind hier zuvorderst betroffen, aber auch die "Einkaufstempel" leiden. Es gibt viele "Scheintote" in der Einzelhandelslandschaft, die sich lediglich durch eine gute Konjunkturlage und billiges Geld noch im Markt halten. Relativ betrachtet werden somit die Ärzte und Rezepte immer wichtiger. Kluge Apotheken-Standortentscheidungen berücksichtigen solche längerfristigen Tendenzen.

"Entschlackungskur"

Nach dem Motto "Only bad news are good news!" eignen sich Zeiten, in denen wirtschaftliche Krisen die Gazetten füllen, besonders gut für längst fällige "Aufräumarbeiten". Nutzen Sie also die Gelegenheit, Ballast abzubauen sowie aufgeschobene Umstrukturierungen und Effizienzmaßnahmen anzugehen. Erfolgreiche Unternehmen sind schlank und schnell. Allerdings verbieten sich in einem solchen Umfeld auch Ausflüge auf allzu wackeliges Terrain. Schwache bzw. mit viel zu langen Anlaufzeiten behaftete Filialen oder Geschäftsbereiche mit einem hohen Zuschussrisiko (z.B. die eine oder andere Heimbelieferung!) muss man sich gerade jetzt nicht auch noch ans Bein binden.

Szenarien anpassen

Es ist sicher keine schlechte Idee, sich auch mal einem "Härtetest" zu unterziehen, statt immer nur Wachstumsszenarien an die Wand zu malen: Rohertrag minus 10%, oder das Kombimodell virtuell um 1 € oder 2 € gekürzt. Könnten Sie das überstehen? Im Moment reden alle noch von Honorarausweitungen. Spätestens wenn wieder Ebbe in den Sozialkassen herrscht, werden aber Kürzungen auf die Agenda kommen, wie aus früheren Zeiten zur Genüge bekannt. Etwas Geschichtsbewusstsein hilft! Entsprechende Entwicklungen sollte man klugerweise antizipieren, bevor man unausweichlich mit ihnen konfrontiert wird.

Exkurs: Einige ökonomische Zusammenhänge

  • Eine 1 %ige Veränderung der Wirtschaftsleistung entspricht hierzulande zurzeit rund 35 Mrd. €. Davon landen etwa 8 Mrd. € in den vielen Steuertöpfen.
  • Eine 1 %ige Veränderung der Brutto-Lohnsumme (2019: ca. 1.480 Mrd. €) wirkt sich auf die Sozialkassen insgesamt mit knapp 6 Mrd. € aus (davon gesetzliche Krankenkassen: knapp 2 Mrd. € bei rund 1.200 Mrd. € an dortigen Löhnen als Bemessungsgrundlage).
  • Von einer 1 %igen Rentenerhöhung profitieren die Krankenkassen zusätzlich mit gut 400 Mio. € jährlich.
  • Jeder zusätzliche Hartz-IV-Empfänger belastet die Krankenkassen per saldo und statistisch mit rund 2.000 € p. a. zusätzlich, zuzüglich der Kosten für eventuell mitversicherte Familienangehörige.

Fazit

Kluge Unternehmer halten jetzt die Füße still, bis sich die Lage aufhellt! Und das kann ebenfalls schnell geschehen. Denn prinzipiell ist die Weltwirtschaft noch für lange Zeit auf Wachstum gepolt. Das zeigen übrigens auch diverse Indikatoren, u.a. aus dem Rohstoffsektor: Sie deuten auf eine nach wie vor hohe Nachfrage hin. Der bekannteste von ihnen ist der recht treffsichere "Dr. Copper", sprich der Kupferpreis als sensibler Gradmesser der Weltkonjunktur. Und der fühlt sich derzeit noch ganz wohl …

Literatur

Deutschland in Zahlen: www.deutschlandinzahlen.de

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(16):4-4