Bitcoin-Hype

Warum sich Kryptowährungen kaum als Kapitalanlage eignen


Thomas Hammer

Virtuelle Währungen locken Anleger mit der Aussicht auf hohe Kursgewinne. Doch die Verlustrisiken sind mindestens ebenso groß. Wer das digitale Investment-Abenteuer wagt, sollte sich vorher kritisch mit den damit einhergehenden Gefahren befassen.

Ob Bitcoin, Ethereum oder Litecoin – sogenannte Kryptowährungen sind mittlerweile in aller Munde (einen kleinen Überblick gibt Ihnen Tabelle 1). Wer noch kein digitales "Wallet" mit dem neuen Internetgeld besitzt, muss sich fast schon fragen, ob er einen Anlagetrend verpasst hat.

Doch wie so häufig ist die schnell wachsende Popularität einer neuen Anlageklasse nicht zwangsläufig ein Indiz dafür, dass es sich um ein solides Investment handelt. Vor allem gilt auch hier die wichtigste Grundregel für Kapitalanleger: Bevor Sie sich für eine Anlage entscheiden, sollten Sie deren Funktionsweise sowie die mit ihr einhergehenden Chancen und Risiken kennen.

Was sind Kryptowährungen?

Erstes Kernstück der meisten Kryptowährungen ist die sogenannte Blockchain, eine Datenbank, die dezentral auf viele tausend Computer von einzelnen Nutzern verteilt ist. Mit jeder Transaktion wird ein verschlüsselter Datenblock erzeugt, der wie bei einer Kette an den vorhergehenden Block angekoppelt wird – daher der Begriff "Blockchain". Über dieses hochverschlüsselte Buchhaltungssystem können die einzelnen Nutzer Transaktionen abwickeln, indem sie sich gegenseitig einen neuen Datenblock zuschicken – eine Bank muss nicht involviert sein.

Das zweite Kernstück ist das sogenannte Regelwerk: Es legt fest, auf welche Weise neues Geld erzeugt werden darf. Während diese Aufgabe bei regulären Währungen der zuständigen Zentralbank zufällt, übernimmt bei Kryptowährungen derjenige das sogenannte "Mining", der die Währung ins Leben gerufen hat. Beim Bitcoin etwa wurde festgelegt, dass einzelne Nutzer neues Geld erzeugen dürfen, indem ihre Computer mit hohem Rechenaufwand bestimmte Aufgaben erfüllen. Allerdings wird es umso aufwendiger, neue Bitcoins zu produzieren, je mehr Einheiten vorhanden sind. Dadurch verlangsamt sich der Anstieg der Geldmenge nach und nach. Die maximale Menge ist beim Bitcoin unwiderruflich auf 21 Millionen Einheiten begrenzt.

Wie gewonnen, so zerronnen

Wer sich nun fragt, mit welchen realen Gegenwerten die Bitcoins gedeckt sind, erhält eine ebenso einfache wie ernüchternde Antwort: Mit nichts! Ursprüngliches Ziel der Bitcoin-Entwickler vor zehn Jahren war es, ein anonymes und bankenunabhängiges Zahlungssystem für Online-Transaktionen zu schaffen. Im Vordergrund stand eher der digitale Tauschhandel – und nicht so sehr die Kapitalanlage. Doch weil die Bitcoin-Geldmenge eben im Rahmen des Tauschhandels zwischenzeitlich immer mal wieder knapp wurde und die Nachfrage dann das Angebot überstieg, legte auch der Umtauschkurs in diesen Phasen zu – und das lockte neue Investoren, deren Kaufinteresse den Kurs wiederum neu befeuerte. Bei hoher Nachfrage konnte und kann dies zu starken Kursgewinnen führen – wie zuletzt im Juni dieses Jahres, als der Bitcoin-Kurs innerhalb eines Monats um 35% zugelegt hat.

Allerdings kann der Kurs der digitalen Währungen bei rückläufigen Neuerwerberzahlen ebenso schnell wiedereinbrechen. Wie schnell, das zeigt die Kursentwicklung von Mitte November bis Mitte Dezember 2018: Innerhalb von nur einem Monat brach der Kurs des Bitcoin von 5.129 € auf 2.878 € ein – das entspricht einem Minus von fast 44%.

Dass die Kursausschläge in Zukunft moderater ausfallen, ist nicht sehr wahrscheinlich. Neben der fehlenden Vermögenssubstanz hinter der künstlichen Digitalwährung sind hierfür ganz unterschiedliche Einflussfaktoren verantwortlich, die das Nachfragepotenzial stark beeinflussen. So etwa beschloss ein Teil der Bitcoin-Verwalter vor dem Bitcoin-Crash Ende vergangenen Jahres, eigene Wege zu beschreiten: Sie wandelten ihre Bitcoin-Bestände in die neue Währung "Bitcoin-Cash" um. Die daraus resultierende Furcht vor einer Zersplitterung des Marktes bei digitalen Währungen führte zu einer regelrechten Investorenflucht.

Kurseinbruch durch Facebook?

Unklar ist auch, wie sich die Finanzaufsichtsbehörden künftig positionieren. Bislang flogen die Kunstwährungen mehr oder weniger unbehelligt unter dem Radar der Aufsicht, weil ihr Volumen im Verhältnis zu den staatlichen Währungen gering war und sie nur von wenigen Händlern als Zahlungsmittel akzeptiert wurden. Doch weil sie zunehmend relevanter werden – man denke nur an die Ankündigung von Facebook, mit Libra eine eigene Kryptowährung ins Leben zu rufen –, sind die Behörden hellhörig geworden. Die europäische Bankenaufsicht EBA hat bereits angekündigt, Unternehmen zu überprüfen, die mit Kryptowährungen handeln. Sollten sich daraus strenge Regulierungen oder gar Verbote ergeben, könnte das die Kursentwicklung negativ beeinflussen.

Unterschätzt wird zudem ein weiteres Risiko, das im Übrigen auch regelmäßig zu Kursverlusten führt: Wer Guthaben in einer Kryptowährung besitzt, kann von kriminellen Hackern bestohlen werden. Beliebtes Angriffsziel sind sogenannte "Online-Wallets" – Handelsplätze im Netz, auf denen Besitzer von Kryptowährungen ihre Guthaben ähnlich wie Wertpapiere im Bankdepot verwalten. Allerdings unterliegen diese privaten Börsen keiner staatlichen Aufsicht und legen die Regeln für Diebstähle von Kundenguthaben jeweils selbst fest. Bevor Sie sich also für einen Wallet-Dienstleister entscheiden, sollten Sie daher kritisch prüfen, ob und in welchem Umfang Sie bei einem digitalen Raubzug abgesichert sind.

Datenverlust? – Geld weg!

Verzichten Sie auf einen Online-Dienstleister zugunsten einer Software-Wallet-Lösung auf dem eigenen Computer, ist das ebenfalls nicht frei von Risiken: Wer die Wallet-Daten nicht separat auf sichere Weise speichert, riskiert bei einem Festplattendefekt den Verlust seiner Daten – und damit auch seines Krypto-Geldes. Laut einer Schätzung des Beratungsunternehmens Chainalysis dürften rund 20% der bislang erzeugten Bitcoins aufgrund von Datenverlusten oder versehentlichen Löschungen unwiederbringlich verloren gegangen sein. Damit hätten sich nach heutigem Kurs Bitcoins im Gegenwert von rund 30 Mrd. € praktisch in Luft aufgelöst.

Für Anleger ist das Investment in Bitcoins oder andere Kryptowährungen folglich ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Mangels Rückdeckung durch staatliche oder private Vermögenswerte basiert die Bewertung von Internetwährungen lediglich auf dem Vertrauen der Nutzer. Wird eine Währung durch die Aufsichtsbehörden verboten oder vom Betreiber aufgelöst, bleiben dem Inhaber nur noch ein paar wertlose Datensätze. Damit sind Kryptowährungen als Anlageklasse am ehesten noch mit hochriskanten Derivaten vergleichbar.

Was Sie steuerlich beachten sollten

Unterschiede zu klassischen Anlageformen wie Aktien, Anleihen oder Bankguthaben gibt es auch bei der Besteuerung der Erträge: Wer seine Bitcoins oder andere virtuelle Währungen innerhalb von zwölf Monaten nach Erwerb mit Gewinn verkauft, muss den Gewinn in der "Anlage SO" (Sonstige Einkünfte) der Einkommensteuererklärung deklarieren. Halten Sie die Währung länger, bleiben Gewinne steuerfrei. Fallen im gleichen Kalenderjahr aus Verkäufen realisierte Verluste an, dürfen Sie diese verrechnen.

Für den jährlichen Ertrag gilt eine steuerliche Freigrenze von 600 €. Wer sie überschreitet, muss die innerhalb der Zwölf-Monats-Frist angefallenen Gewinne abzüglich der Verluste in voller Höhe als Einkommen versteuern.

Thomas Hammer, Freier Wirtschaftsjournalist, 75443 Ötisheim, E-Mail: th@hammertext.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(17):14-14