Anker auswerfen und Schwellen unterschreiten

Wie Sie Ihre Kunden mit dem Preis belohnen


Andreas Kinzel

Gemeinsam mit Ihrem Sortiment müssen Sie auch die dazugehörigen Preise kundengerecht gestalten und präsentieren. Wie nimmt der Kunde Preise wahr? Und wie können Sie ihn mit dem optimalen Preis für ein Produkt begeistern? Denken Sie immer aus der Kundensicht!

Sicherlich kennen Sie die Situation auch aus Ihrer Apotheke: Kunden beginnen, über den (ach so hohen) Preis beispielsweise von Paracetamol oder Ibuprofen zu diskutieren, während sie ihren viel teureren Coffee-to-go in der Hand halten.

Was entscheidet darüber, ob ein Kunde etwas kauft oder eben nicht? Sicherlich gibt es hier viele Gründe, die von der Beratungsqualität über die Sortimentsgröße bis hin zur Wertschätzung des Kunden für bestimmte Produkte reichen. Doch bei allen Kriterien schwingt letztlich immer der Preis mit. Was ist dem Kunden der Kauf wert?

Der Preis des Preises

Macht Kaufen glücklich? Diese Frage müssen wir mit einem klaren "Ja!" beantworten. Weil das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert wird, gefällt es dem Menschen zu kaufen – das gilt gleichermaßen übrigens für den Nachkauf, den Kauf von Produkten also, die man schon einmal erworben hat. Reines Geldausgeben wird demgegenüber in einer anderen Region des Gehirns verbucht – als Verlust.

Wenn Sie das Kaufen vom Bezahlen "entkoppeln", dann wird der "Schmerz" des Geldausgebens auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Das lässt sich durchaus forcieren. So können Sie beispielsweise gezielt anbieten, dass Sie eine Rechnung stellen oder dass der Kunde per EC- bzw. Kreditkarte zahlen kann. Zur Erklärung: Bei einer Kartenzahlung nimmt der Kunde schließlich nicht direkt Geld in die Hand. Was er ausgegeben hat, realisiert er vielmehr erst später – wenn er auf seine Kontoauszüge schaut.

Der Preisschmerz, den ein Kunde beim Kauf empfindet, ist (zumindest innerhalb gewisser Grenzen) unabhängig vom absoluten monetären Wert des Produktes: So kann er bei einem Immunstimulans für 50 € geringer sein als bei einer Schmerztablette zu 10 €. Entscheidend ist der relative bzw. wahrgenommene Wert – eben bezogen auf den Nutzen, den sich der Kunde vom Kauf verspricht. Sie sollten Ihre Preise also wertgerecht gestalten (Kasten).

Den (wahrgenommenen) Nutzen können Sie beispielsweise steigern, indem Sie auf Eigenschaften wie "schneller Wirkeintritt", "ohne Zusatzstoffe" oder "lange Reichweite" verweisen. Denn hiermit aktivieren Sie das Belohnungssystem des Kunden.

Teuer=gut?

Grundsätzlich gilt: Wenn ein Kunde davon ausgeht, dass teuer gleich gut ist, springt sein Belohnungssystem bei günstigen und damit vermeintlich minderwertigen Produkten nicht an. Er sieht sie folglich als weniger werthaltig an. Sind die Produkte hingegen teuer, empfindet der Kunde sie als qualitativ hochwertiger – so wie auch ein teurer Wein oftmals (vermeintlich) besser schmeckt.

Ein Trick: Bieten Sie dem Kunden zunächst ein Premiumpräparat an – und legen Sie dann die klassische Marke oder ein hochwertiges Generikum nach (womit Sie eventuell sogar einen höheren Rohertrag erwirtschaften). Auch hiervon wird das Belohnungssystem aktiviert, und der Kunde ist zufrieden. Ob es vielleicht ein noch günstigeres Generikum oder Drogerieprodukt gibt, interessiert ihn dann nicht mehr.

Rabatte, Rabatte, Rabatte!?

Rabatte – als Preisreduktion – aktivieren das Belohnungssystem ebenfalls. Das können Sie ausnutzen, indem Sie Ihre entsprechenden Angebote attraktiv und gleichermaßen auffällig – z.B. auf roten Schildern – präsentieren.

Allerdings heißt das nicht, dass Sie nur noch auf Rabatte setzen sollten. Denn wenn Sie es übertreiben, nimmt damit zum einen die Wertigkeit ab, die Ihre Kunden den angebotenen Produkten beimessen. Und zum anderen würden Sie auch Gefahr laufen, dass Ihre Apotheke ihren Status als "Premiummarke" verliert.

Nicht nur die moderne und digitale Welt verlangt danach, Informationen rasch zu verarbeiten und entsprechend schnell zu entscheiden – Gleiches gilt auch für das Gehirn des Kunden: Während das Entscheidungssystem (auch über einen längeren Zeitraum) nach hohen Ersparnissen sucht, liebt das Belohnungssystem möglichst schnelle "Gewinne". Um beide Systeme zu befriedigen, könnten Sie beispielsweise eine Kombination aus einem Punktesystem, über das die Kunden langfristig sparen, und (maßvollen) Sofortrabatten anbieten.

Beachten Sie aber: Da Rabatte vor allem auf dem Kassenzettel sichtbar sind, wirken Sie nicht so emotional wie kleine Beigaben (wir sprechen natürlich immer nur von Nicht-Rx!).

Anker im Kopf

Um das Belohnungssystem zu aktivieren – einen Preis also als "gut" zu erkennen –, benötigt der Kunde einen Orientierungspunkt. Im Einzelhandel und in der Gastronomie verwendet man hierfür z.B. das Konzept der sogenannten Ankerpreise: Dabei handelt es sich um Preise für Produkte, die der Kunde gut einschätzen kann und anhand derer er dann das Preisniveau des gesamten Sortiments beurteilen soll. Beispiele aus der Gastronomie sind die Preise für ein Glas Bier oder ein Schnitzel Wiener Art.

Schon daran ist zu sehen, dass es schwierig ist, dieses Konzept auf die Apotheke zu übertragen: Denn woran messen Ihre Kunden Ihr Preisniveau? Am ehesten vermutlich an solchen "Dauerbrennern" wie Sinupret® oder Gelomyrtol® (vgl. z.B. auch AWA 11/2019), die sie häufig kaufen und deren Preise sie daher kennen. Wenn Sie diese Preise senken, signalisieren Sie damit ein eher geringeres Preisniveau. Aber Achtung: Auch hier müssen Sie demzufolge darauf achten, Ihren Status als "Premiummarke" in den Augen des Kunden nicht zu verlieren.

Schwellen im Regal

Einen großen Einfluss auf die Preiswahrnehmung haben auch Preisschwellen. Hierzu zählen die oft genutzten Fünfer- oder Neunerpreise: Preise von z.B. 9,95 € bzw. 9,99 € erscheinen dem Bewusstsein optisch wie auch emotional wesentlich geringer als ein Preis von 10,00 €. Auch können Preise von 2,95 € oder 2,99 € im Kopf des Kunden attraktiver wirken als ein Preis von 2,70 € – obwohl sie de facto höher sind.

Vorsicht ist allerdings geboten, falls Sie ein Produkt als hochwertig verkaufen möchten. Denn wenn Kunden Preise als zu niedrig wahrnehmen, halten sie die Produkte ja häufig für geringwertig. Da aber gerade die Neuner-Schwelle einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung hat, kann es hier also eventuell sinnvoll sein, Schwellen zu überschreiten.

Der richtige Zeitpunkt

Abschließend stellt sich die Frage, wann Sie den Preis überhaupt ins Beratungsgespräch einbringen sollten? Tun Sie dies gleich zu Beginn, können Sie z.B. mit einem hohen Preis auch einen hohen Wert kommunizieren.

Alternativ lässt sich der Preis auch eher gegen Ende "auf den Tisch legen": Dann gilt es, dem Kunden zuvor schon den Produktnutzen zu erläutern. Der Preis kann zwar auch in diesem Fall immer noch ein K.-o.-Kriterium sein – aber meist weit weniger, als er es ohne Ihre vorherige Überzeugungsarbeit wäre.

Literatur

Müller, K.-M.: NeuroPricing, Haufe-Lexware: Freiburg/Breisgau 2012

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(17):10-10