Betriebswirtschaftliche Auswertungen

Warum es zu Abweichungen kommen kann


Ralf Dreczko

Die Analysen von Umsatz, Wareneinsatz und Rohertrag durch Ihr Warenwirtschaftssystem (WWS) weichen nicht selten von den betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) Ihres Steuerberaters ab. Warum ist das so? Wir geben Ihnen einen Überblick über die Ursachen.

Der Rohertrag ist bekanntermaßen die Differenz aus Umsatz und Wareneinsatz. Je nachdem, wie diese beiden Kennzahlen ermittelt werden, können die WWS- und die Steuerberater-Auswertung voneinander abweichen. Der Wareneinsatz beinhaltet dabei nur die Einkäufe derjenigen Waren, die im betrachteten Zeitraum auch verkauft bzw. durch eine Abbuchung warenbestandsmindernd erfasst wurden.

Systembedingte Unterschiede

Ein systembedingter Unterschied rührt grundsätzlich schon daher, wie der Rohertrag ermittelt wird: Im WWS wird dazu von der Summe der Nettoverkaufspreise aller verkauften Artikel die Summe ihrer Einstandspreise (Listen-Einkaufspreis [EK] abzüglich aller Rabatte) subtrahiert. Da Ihr WWS "weiß", welche Artikel Sie verkauft haben, kann es den Einstandspreis direkt vom Verkaufspreis abziehen und auf Artikelbasis den Unterschied und in der Summe den Rohertrag ermitteln.

Ihr Steuerberater hat diese Informationen nicht. Er ermittelt den Rohertrag, indem er von den Umsätzen in einem Zeitraum die für diesen Zeitraum vorgelegten Wareneinkaufsrechnungen abzieht. Da aber nicht alle gebuchten Wareneinkäufe auch in diesem Zeitraum verkauft werden, muss er den Rohertrag um die nicht verkauften Artikel korrigieren – und zwar, indem er Veränderungen des Warenbestandes erfasst. Gebuchte Einkäufe, die Sie im betrachteten Zeitraum nicht verkauft haben, sind im Warenlagerbestand enthalten, erhöhen diesen also. Artikel, die Sie zu Beginn des betrachteten Zeitraumes schon am Lager hatten und die Sie jetzt verkaufen, verringern den Warenbestand.

Damit Ihr Steuerberater einen zutreffenden Rohertrag in der BWA ausweisen kann, ist es daher unerlässlich, dass Sie ihm den jeweils erfassten Warenbestand monatlich übermitteln. Andernfalls können sich z.B. bei bereits gebuchten Rechnungen über Saisonbevorratungen erhebliche Unterschiede ergeben.

Unterschiede beim Umsatz

Eine Quelle von Abweichungen ist der Umsatz, den Sie über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erzielen. Während die Buchhaltung als Grundlage hierfür die monatliche Rezeptabrechnung verwendet, nehmen die WWS-Auswertungen ausschließlich Bezug auf die Rezepte, die im betreffenden Zeitraum in der EDV verarbeitet wurden. Dass beide Werte nur selten exakt übereinstimmen, können Sie selbst nachprüfen. Ursachen sind hierbei zunächst Retaxierungen und sonstige Abzüge bei der Rezeptabrechnung, aber auch die Tatsache, dass nicht immer alle zugehörigen Rezepte der im System erfassten Rezeptverkäufe zeitgleich abgerechnet werden – was wiederum verschiedene Ursachen haben kann, wie z.B.:

  • "vergessene" Rezepte,
  • Vorabbelieferungen (z.B. von Sprechstundenbedarf),
  • "unsauberes" Arbeiten bei der Korrektur von bereits bedruckten Rezepten oder
  • fehlerhafte Taxierungen bzw.Formalien, die dazu führen, dass die Abrechnungsstelle Rezepte zurückschickt.

Auch beim Verkauf auf Rechnung können sich Unterschiede ergeben: Das WWS kann sich nämlich unter Umständen Umsätze aus den Lieferscheinen "ziehen", die im Zeitpunkt des Verkaufs erstellt werden, ohne dass es dazu schon eine Rechnung aus der Faktura gibt. Die Rechnung allerdings ist der "umsatzrelevante" Buchungsbeleg für die Steuerberater-BWA – und das auch nur, sofern Sie sie dem Steuerbüro vorlegen bzw. über die DATEV-Schnittstelle übermitteln. Zeitliche Verschiebungen sind ebenfalls möglich, wenn Sie die Rechnungen für den abgelaufenen Monat (wie allgemein üblich) erst am Anfang des Folgemonats erstellen und das Rechnungsdatum nicht auf den Monatsletzten abändern (können).

Ein ähnliches Problem ergibt sich bei Verkäufen, die Sie mit einer Krediterstellung abschließen. Auch hier weisen die WWS-Auswertungen meist einen Umsatz aus, den die Buchhaltung unter Umständen erst später erfasst, wenn der Kunde den entsprechenden Betrag begleicht. Deckungsgleichheit erreichen Sie hier nur, wenn Sie die Kassendaten mit der DATEV-Schnittstelle übermitteln – inklusive der als Umsatz erfassten Kreditverkäufe. Das aber ist leider nicht mit allen WWS möglich.

Ebenfalls relevant sind "Sonderumsätze", wie z.B.

  • Umsätze mit einer "Nullspanne" bei Filialverkäufen oder
  • Abbuchungen auf einen "Pseudokunden" bei Stoffen und Fertigarzneimitteln, die Sie für die Rezeptur benötigen.

Je nachdem, wie das WWS diese Abverkäufe erfasst, weichen seine Auswertungen von der Buchhaltung ab. Letztere kürzt in der Regel bei Filialverkäufen den Wareneinsatz entsprechend bzw. verringert bei Abbuchungen auf "Pseudokunden" den Warenbestand. In beiden Fällen wird also kein Umsatz ausgewiesen.

Unterschiede beim Wareneinsatz

Unterschiede beim Wareneinsatz ergeben sich zunächst durch den Ausweis des Einstandspreises: Die Buchhaltung erfasst die jeweiligen Rechnungsendbeträge und berücksichtigt damit stets alle erhaltenen Einkaufsvorteile. Im WWS hingegen hängt dies insbesondere davon ab, ob die Rabatte, die der Großhandel in der Sammelrechnung ausweist, als entsprechende Konditionen auch (einigermaßen) zutreffend hinterlegt sind. Sind sie es nicht, ist der Einstandspreis in den Auswertungen unzutreffend hoch – was zu einem höheren Wareneinsatz und einem geringeren Rohertrag führt. Darüber hinaus erfasst die Buchhaltung erhaltene Skonti und Boni sowie Gutschriften für Lagerwertverluste wareneinsatzmindernd, während das WWS sie in der Regel nicht berücksichtigt. Hieraus können ebenfalls Abweichungen resultieren.

Auch bei der Wareneingangserfassung kann es zu Differenzen kommen. Wie bereits erwähnt, registriert das Steuerbüro alle vorgelegten oder über die DATEV-Schnittstelle übermittelten Rechnungen mit dem entsprechenden Rechnungsdatum als Warenzugänge. Das WWS hingegen erfasst die Zugänge in dem Zeitpunkt, in dem Sie den Wareneingang verbuchen. Werden also im WWS verbuchte Zugänge nicht an das Steuerbüro übermittelt bzw. übermittelte Zugänge nicht vollständig oder zeitnah im WWS verbucht, führt dies zwangsläufig zu Abweichungen beim Wareneinsatz.

Wenn Sie den monatlichen Warenbestand ermitteln, ist ebenfalls einiges zu beachten, damit das Steuerbüro die Bestandsveränderungen zutreffend erfassen kann: Unzutreffend ist der Bestand nämlich schon, wenn Sie Wareneingangsrechnungen aus dem laufenden Monat nicht bis zum Monatsende im WWS verbuchen.

Des Weiteren sollten Sie die monatlichen Inventurwerte stets mit der gleichen Preisbasis ermitteln. Wir empfehlen den effektiven EK ("Netto-Netto-EK"), eventuell auch nach Bestand gewichtet ("Durchschnitts-EK"), da er in der Regel auch in den WWS-Auswertungen als Grundlage für die Rohertragsermittlung herangezogen wird.

Ein fehlerhafter Warenbestand ergibt sich zudem durch Negativ-Artikel, also Artikel, die kein Lagerkennzeichen haben, obwohl sie zum Monatsende vorrätig sind (wie vor allem Abholer oder z.B. Grippeimpfstoffe). Diese Artikel sollten im Warenbestand enthalten sein.

Einen Einfluss haben auch Retouren: Buchen Sie sie in Höhe des zugrunde gelegten Einstandspreises ab, führt das zu einer Bestandsminderung und damit zu einem erhöhten Wareneinsatz. Wenn Sie dann die Gutschrift für die Retoure erhalten und verbuchen, wird der erhöhte Wareneinsatz wieder "neutralisiert". Erfolgt die Gutschrift nun gar nicht, verspätet oder nur in verminderter Höhe, bleibt der Wareneinsatz in der Auswertung Ihres Steuerbüros höher als derjenige im WWS.

Schließlich führen auch manuelle Bestandsveränderungen bzw. Abbuchungen infolge von Verfall, Bruch oder Diebstahl zu einer Veränderung des Warenbestandes – und damit dazu, dass die Auswertungen des Steuerbüros und des WWS voneinander abweichen. Denn Warenbestandsveränderungen wirken sich in der Rohertragsanalyse des WWS ja nicht aus.

Ralf Dreczko, Diplom-Kaufmann, Treuhand Hannover, 10115 Berlin, E-Mail: ralf.dreczko@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(18):8-8