"Goldene Zeiten"

Wenn das Gold spricht …


Prof. Dr. Reinhard Herzog

… dann schweigt die Welt, so jedenfalls ein lange bekanntes Bonmot aus Finanzkreisen. Tatsächlich hat sich das Gold wieder in Form deutlich steigender Preise zurückgemeldet. Immerhin 1.550 US-$ je Feinunze (oder rund 45.000 € je Kilogramm) waren zwischenzeitlich in der Spitze zu berappen, ein Plus von rund 20% gegenüber dem Korridor von 1.200 US-$ bis 1.300 US-$, in dem sich der Goldpreis in den vergangenen fünf, sechs Jahren mehrheitlich bewegt hat. Das "All-time-high" lag bei 1.890 US-$ im September 2011, als u.a. der Euro vor seiner ultimativen Bewährungsprobe stand.

Die Propheten des Untergangs – aus dieser Zunft rekrutieren sich etliche "Gold-Fans" – sehen diese alte Marke alsbald fallen. Die probaten Argumente: Der Zusammenbruch des "Papiergeldsystems" steht unmittelbar bevor, die Welt ertrinkt in unbezahlbaren Schulden, die Weltwirtschaft kollabiert. Tatsächlich sind Krisenzeiten die besten Goldzeiten. Jedoch werden regelhaft politisch-wirtschaftliche Lösungen gefunden, und dann sieht es wieder schlechter aus für das Gold. Daher der Spruch: "Der Goldpreis klettert die Treppe hinauf und kommt mit dem Aufzug wieder herunter."

Nichtsdestotrotz hat Gold seine Faszination – und wird sie auch behalten. Im Durchschnitt der letzten Jahrhunderte oder gar Jahrtausende konnte dieses schönste Edelmetall seine Kaufkraft übrigens immer in etwa erhalten. Für eine Unze Gold bekam man stets einen ähnlichen Gegenwert in Naturalien, von außergewöhnlichen Phasen der Preisüber- oder -untertreibung abgesehen. Und während Krisenzeiten neigt eben alles zu extremen Ausschlägen – in beide Richtungen. Deshalb lassen sich hier auch die größten Vermögen machen: Indem Überbewertetes (eben u.a. Gold) abgestoßen und Unterbewertetes (z.B. Aktien) gekauft wird.

Wer hingegen tatsächlich an den finalen Crash und an Gold als eine der letzten werthaltigen Instanzen glaubt, muss ganz andere Überlegungen anstellen. Will man nämlich dann noch zahlungsfähig bleiben, benötigt man als Geldersatz kleine Stückelungen des Goldes. Die Zahlung mittels größerer Barren dürfte im alltäglichen Geschäft höchst unpraktisch (und zudem in solchen Zeiten nicht ganz ungefährlich) sein. Tatsächlich haben sich findige Köpfe auch dafür Lösungen ausgedacht, sie heißen u.a. "Tafelgold". Wie bei einer Tafel Schokolade lassen sich hier einzelne Stückchen (meist von je einem Gramm) leicht und präzise herausbrechen. Nicht zu vernachlässigen ist das Risiko, dass der Goldbesitz in wirklich "kratzigen" Zeiten schlicht verboten wird. Dann hilft selbst Tafelgold wenig, es sei denn auf Schwarzmärkten.

Doch genug der Schwarzmalerei. Etwas Gold im Nähkästchen ist sicher beruhigend, allerdings kauft man es preiswerter in Nicht-Krisenzeiten.

Aber was haben die Märkte noch als möglichen Goldersatz zu bieten? Da stechen zuerst die anderen (Edel-)Metalle ins Auge, wie das etwas unter die Räder gekommene Platin oder Palladium, das inzwischen so teuer wie Gold ist. Des Weiteren das sehr seltene Rhodium oder das zusammen mit dem Gold wieder erwachende Silber. Wer hier physisch investiert, füttert im Gegensatz zum Gold den Staat mit der fälligen Mehrwertsteuer. Abgesehen vom tatsächlich überteuert scheinenden Palladium (Verachtfachung des Preises seit dem Tief 2008!) ist es trotzdem vielleicht ganz witzig, ein paar dieser kostbaren Metalle selbst in den Händen zu halten. Völlig aus der Mode gekommen sind hingegen die (Blut-)Diamanten.

Ein "Gold mit Zukunft" sollte stets der Grund und Boden bleiben – sofern man an die Zukunft des jeweiligen Landes glaubt! Neu auf dem Radar dürften jedoch zwei andere Vehikel auftauchen. Zum einen Bäume, deren Anpflanzung im Gefolge der Klimadiskussionen immer dringlicher gefordert wird. Damit zusammenhängend dürfte Kohlenstoffdioxid (CO2) einen immer höheren (Negativ-)Wert bekommen. Letzterer ist bereits in Bewegung geraten. Noch Mitte 2017 konnte man eine Tonne CO2 in Form europäischer Emissionsrechte für lächerliche 5 € kaufen. In der Spitze haben wir jetzt schon an die 30 € gesehen. Diverse Experten fordern Preise von 100 € oder gar 180 € und mehr. Es scheint nicht ganz verwegen, im CO2 ein "Gold der Zukunft" zu sehen – gerade weil man es nicht mehr haben will und deshalb seinen Preis immer weiter hochtreiben wird.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(18):19-19