Aus der (Nicht-)Lust am Untergang

Eine "Wutrede" gegen den wachsenden Irrsinn


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre man stolz auf den Anstieg der Verbreitung von Autos, Computern oder Pharmaka gewesen, zeugt das doch von wachsendem Wohlstand. Unser Maschinenbau rangierte auf Höchstniveau, ebenso wie manche (Spezial-)Chemie- und Pharmafirma, wir waren die Apotheke und die Auto-Edelschmiede der Welt. Waren wir das nur? Sind wir es noch? Werden wir es weiterhin sein? Das ist die Gretchenfrage! Mit atemberaubender Geschwindigkeit wird die Gesellschaft "auf links gedreht". Nichts scheint mehr sicher. Immer mehr Menschen droht der Teppich unter den Füßen weggezogen zu werden.

Nun ist langanhaltender Wohlstand das schlimmste Gift überhaupt, zersetzt er doch zuverlässig Körper und Geist. Deutschland ist besonders sensibel. Denn international ist von den Weltuntergangs- bzw. Weltenretter-Fantasien wenig zu spüren.

Deutschland auf Geisterfahrt: Kaum ist die Arbeitslosigkeit gesunken, die Riesen-Aufgabe "deutsche Einheit" recht erfolgreich bewältigt und selbst die Migrationsproblematik zumindest für den Moment etwas eingehegt, wächst der Wunsch nach dem Niedergang. Wenn es dem Esel zu wohl wird – ja, dann muss "Sand ins Getriebe". Es spricht Bände, wenn eine gleichnamige Organisation sich anschickt, eine Wirtschaftsmetropole wie Frankfurt im Rahmen der "Internationalen Automobil-Ausstellung" in Beschlag zu nehmen.

Wer seinen Verstand noch nicht an der Polit-Garderobe abgegeben hat, verliert langsam die Geduld mit diesem kopfstärksten Panikorchester der Welt, wo das allgemeine Tempolimit statt auf der Straße im Kopf zu herrschen scheint. Man ist geneigt zu sagen: Dann macht doch! Begeht Selbstmord aus Angst vor dem Tod! Ja, die Zukunft der Mobilität ist der Zweizylinder mit Kniezündung, für die Privilegierten der Vierzylinder mit Sattel oder die Rikscha. Transportiert Eure Einkäufe mit Lastenrädern. Fahrt ansonsten elektrisch, selbst wenn Ihr absehbar keine praxistauglichen Anschlüsse zum Aufladen von ebenfalls noch praxisfernen Akkus habt.

Baut irgendwelchen Nahverkehr von Klein-Entenhausen über Gansheim nach Schwachburg auf, mit einem Auslastungsgrad unter 10%. Dann bewegt eben ein 400-PS-Bus pro Fahrt drei oder vier Leute statt heute wenige Autos. Das ist doch super ökologisch! Und bitte ruiniert auch Millionen von Altbaubesitzern durch Eure Dämm- und Heizkessel-Massaker.

Macht aber schon einmal einen Kurs im Schuheputzen – und lernt Benimm und Schliff. Dann könnt Ihr künftig den Asiaten auf Sightseeing-Tour in Good Old Germany unsere Industrie-Museen zeigen. Der Benimm-Kurs sorgt wenigstens für ein bisschen Trinkgeld, denn das mit den heutigen Löhnen und den fetten Sozialleistungen – das könnt Ihr Euch von der Backe schminken. Die 77. Schuhputzer-App bekommt dann den Berliner Innovationspreis.

Wichtige Schlüsseltechnologien wurden schon ruiniert, die Informationstechnologie erstickt unter bürokratischem Schwachsinn wie der Datenschutz-Grundverordnung, die alles Mögliche bewirkt, aber kaum mehr Datenschutz. Bewährte Strukturen wie der Einzelhandel oder Kleinselbstständige fallen quer durch die Republik der regulatorischen Dummheit zum Opfer. Und wenn man auf das schaut, was nun unter der Rubrik "Klimaschutz" alles ausgeheckt wird, dann kann einem wirklich angst und bange werden. Früher hieß der Beamten-Kalauer – noch einigermaßen harmlos – "falzen, lochen, heften." Des heutigen deutschen Politikbetriebs liebste Beschäftigung lautet: Wirbele möglichst viel Staub auf, behellige wirklich jeden Bürger und richte maximales Chaos für minimale Nutzeffekte an!

Carl Benz, Rudolf Diesel, Otto Hahn, Wernher von Braun, Werner von Siemens und wie sie alle heißen – sie würden sich im Grabe umdrehen, bekämen sie mit, wie unsere einst führende Technologienation sich selbst zerlegt und zu einem Haufen sich bemitleidender, das Heil in Selbstkasteiung und Selbstverzwergung suchender Jammerlappen verkommt.

Weltuntergangs-Ängste, aber nichts auf die Reihe bekommen und dafür große Töne in die Welt senden – das ist Deutschland heute. Leben auf Abruf und von der Substanz. Da bleiben nur Sarkasmus und Ironie. Denn die Alternativen lauten "Krombachers Dauerferien vom Ich" – oder Auswandern ...

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(19):19-19