Editorial

Pistill statt Dreschflegel


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

"nur unter Bauern bin ich völlig natürlich, das heißt: wirklich Mensch", hat Leo Tolstoi einst in seinen Tagebüchern vermerkt. Und anscheinend sehnt man sich heutzutage nach diesem Wirklich-Mensch-Sein. Denn wie anders ist es zu erklären, dass videobloggende Bauern derzeit insbesondere in den USA voll im Trend liegen?

So schauen mittlerweile ganze 316.000 Abonnenten Zach Johnson, einem Landwirt aus Minnesota, auf YouTube dabei zu, wie er ein Feld im Winter pflügt oder seinen Trecker aus dem Matsch zieht. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" erklärt Johnson seinen Erfolg damit, dass die Landwirtschaft heutzutage für viele ein unbeschriebenes Blatt sei und man gerade deshalb etwa wissen wolle, wo die Lebensmittel herkommen und welche Menschen dahinterstehen. Er nutze seinen YouTube-Kanal zudem, um als betroffener Standesvertreter – und nicht als externer Meinungsmacher – über landwirtschaftliche Problemthemen aufzuklären.

Der Apothekenalltag dürfte ebenfalls Neuland für viele "Normalbürger" sein. Zwar kann man ihn allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht ohne Weiteres 1:1 auf YouTube präsentieren. Wie aber das Beispiel unseres Apothekerkollegen Jan Reuter zeigt, lassen sich mit einem entsprechenden Konzept dennoch Follower im vierstelligen Bereich gewinnen. Diese Follower kommen vielleicht heute noch nicht so häufig in die Apotheke, lernen aber so schon einmal den Menschen hinter dem Apotheker kennen – dem sie dann vielleicht auch mehr Gewicht beimessen, wenn er sie aus Standessicht über Problemthemen wie den Arzneimittelversand oder Rabattverträge aufklärt?

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(19):2-2