KBV-Versichertenbefragung

Was sagen die Patienten der Arztpraxen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lässt regelmäßig eine größere Anzahl an Einwohnern zur Versorgungssituation in Deutschland befragen. Etliche Ergebnisse dürften auch für die Apotheken von Interesse sein, leben sie doch mehrheitlich von Verordnungen.

6.110 zufällig ausgewählte Bürger ab 18 Jahren in Privathaushalten hat die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen im Frühjahr 2019 telefonisch befragt. Voraussetzung war dazu ein Festnetzanschluss. Die Fehlerbreite der Ergebnisse liegt bei etwa 1 bis 1,5 Prozentpunkten.

87% haben demnach im letzten Jahr einen ambulanten Arzt (nicht Zahnarzt oder Krankenhaus) aufgesucht, mit 90% war dieser Wert in Brandenburg am höchsten, mit 78% in Sachsen am niedrigsten. Bundesweit 37% waren nur beim Hausarzt, 47% beim Hausarzt und zudem noch beim Facharzt.

16% gaben mehr als zehn Arztbesuche an, 29% hingegen maximal zwei. Rund die Hälfte nannte ein akutes Problem als Grund, jeweils 22% gaben chronische Erkrankungen oder Vorsorgeleistungen an. Nur 2% sind permanente Arztgänger und haben jeweils einen Haus- oder Facharzt über 20 Mal im Jahr konsultiert.

Warten auf einen Termin

Rund 30% der Patienten erhielten noch am gleichen Tag einen Arzttermin. Dieser Wert ist bei den gesetzlich Versicherten etwa gleich geblieben, bei privat Versicherten jedoch deutlich gesunken – von 39% vor zehn Jahren auf nunmehr 30% ähnlich wie bei den Kassenpatienten.

15% der gesetzlich und 12% der privat Versicherten warteten allerdings länger als drei Wochen auf einen Termin – Tendenz in den letzten Jahren leicht steigend. Bei den privat Versicherten fiel die Zunahme erstaunlicherweise wesentlich stärker aus. Offenkundig nimmt die Privilegierung der Privatpatienten deutlich ab.

Das Vertrauensverhältnis zum Arzt wird von gut 50% der Patienten aller Altersgruppen und weitgehend geschlechtsunabhängig als "sehr gut" beschrieben. Dieser Wert ist seit Jahren fast konstant. Fast 40% entscheiden sich für die Note "gut". Nur eine kleine Minderheit beschreibt demzufolge das Verhältnis als weniger gut oder – in 1% der Fälle – als überhaupt nicht gut. Tatsächlich dürften Patienten dann eher die Arztpraxis wechseln, denn in Online-Bewertungsportalen kommen viele Ärzte letztlich doch nicht ganz so gut weg. Allerdings sind auch diese Portale nicht unbedingt repräsentativ.

Die fachlichen Fähigkeiten werden von beinahe der Hälfte der Befragten, wiederum fast unabhängig vom Geschlecht, als "sehr gut" beschrieben, über 40% geben ein "gut". Schlecht bzw. weniger gut bewerten nur rund 5% der Patienten ihre Ärzte. Das sind alles sehr gute Resultate für die ambulante Ärzteschaft.

IGeL

Geschätzt 1 Mrd. € oder gar noch etwas mehr setzen die Ärzte zusätzlich mit "individuellen Gesundheitsleistungen" (IGeL) um, welche die Patienten aus eigener Tasche zu tragen haben. IGeL sind schon seit Längerem nicht unumstritten, ihr Nutzen ist oftmals nicht klar erwiesen.

IGeL sind über alle Altersklassen hinweg 16% der Männer, aber 29% der Frauen aktiv angeboten worden. Jüngere Frauen (bis 34 Jahre) lagen dabei mit 32% an der Spitze, entsprechend jüngere Männer mit 8% am anderen Ende.

Immerhin selbst nach Selbstzahlerleistungen gefragt haben 22% der Frauen und nur 13% der Männer. Damit erweisen sich Frauen tendenziell empfänglicher für solche Leistungen, obgleich die Männer traditionell kaufkräftiger sind. Vice versa wird aber der großen Mehrheit von über 70% der Patienten über alle Altersklassen hinweg aktiv keine IGeL angeboten.

Versorgungslage

Der (vermeintliche) Ärztemangel bestimmt die Schlagzeilen. Was sagen die Patienten?

Im Schnitt 30% der Befragten hatten Schwierigkeiten, einen Hausarzt zu finden, Jüngere dabei deutlich häufiger als Ältere. Ab 70 Jahren hatten hier nur 16% Probleme. Bei den Fachärzten lag die Quote sogar bei 49% – und auch hier waren Jüngere wieder signifikant häufiger betroffen (im Maximum zu 62% bei den unter 34-Jährigen, Ältere ab 70 Jahren dagegen nur zu 33%). Im Zeitverlauf hat sich die Lage bei den Hausärzten zugespitzt, bei den Fachärzten ist die Lage etwa konstant. Tatsächlich schwächeln die Hausarztzahlen, während aufseiten der Fachärzte immer noch ein Wachstum an ambulant tätigen Kollegen zu verzeichnen ist. Insoweit passen die Befunde zusammen.

Am Wochenende oder an Feiertagen wenden sich 42% der Befragten direkt an eine Notfallambulanz im Krankenhaus, Ältere ab 70 Jahre mit 25% jedoch weitaus seltener als Jüngere unter 34 Jahren mit rund 50%. Es folgt, über alle Altersklassen hinweg, der ärztliche Bereitschaftsdienst mit 26%. Den Notarzt bzw. Rettungsdienst kontaktieren immerhin noch 23%. Kaum in Anspruch genommen wird der jeweilige Haus- oder Facharzt, beide lässt man also doch weitgehend in Ruhe.

Seit 2013 gibt es die einheitliche Telefonnummer 116117 für den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Die Bekanntheit steigt zwar deutlich – liegt aber im Bevölkerungsdurchschnitt immer noch bei nur 19%. Bei den Älteren beträgt dieser Wert etwa 24%.

Verordnungsquoten

Ergänzend zur KBV-Befragung erhellt der aktuelle "Barmer Arzneimittelreport 2019" das Verordnungsgeschehen und die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen. So erhielten im Jahr 2018 von den etwa 8,4 Mio. Barmer-Versicherten 78,5% mindestens eine Arzneimittelverordnung – also etwas weniger, als es nach der KBV-Patientenbefragung Arztgänger gab (87%). Im eher jungen Berlin waren es nur rund 74%, in Sachsen mit den ältesten Versicherten fast 83%. Von diesen Patienten mit Rezepten erhielt ein gutes Drittel seine Verordnungen von nur einem Arzt, 28% von zwei Ärzten, und rund 10% jedoch von fünf oder gar noch mehr Ärzten.

Diese Daten lassen sich so interpretieren, dass nach wie vor fast jeder Patient mit Arztkontakt auch eine Arzneimittelverordnung erhält.

Fazit

Alles in allem stellen die gut 6.100 befragten Patienten den ambulant tätigen Ärzten ein gutes bis sehr gutes Zeugnis aus. Gewisse Versorgungsdefizite sind jedoch erkennbar. Eine ähnliche Befragung durch ein neutrales Institut böte sich auch für Apotheken an und wäre ebenfalls geeignet, deren Image auf Grundlage der so wichtigen Patienteneinschätzungen zu stärken.

Quellen

Daten zur Gesundheitsversorgung nebst der zitierten Patientenbefragung finden Sie auf den Seiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(19):4-4