Von unterschätztem wirtschaftlichem Potenzial

Wie Sie von Pflegehilfsmitteln profitieren


Thomas Platz

Bei der Vielfalt an unterschiedlichen Regelungen ist es gut zu wissen, dass es immerhin einen Vertrag gibt, der ausnahmslos für alle Kassen gilt, zudem mehr Patienten als jeder andere Hilfsmittelvertrag erfasst und sich auch noch extrem einfach umsetzen lässt. Erfahren Sie mehr!

Anders als andere Hilfsmittel, die dazu dienen, eine Erkrankung oder Behinderung auszugleichen, sollen Pflegehilfsmittel die eigentliche Pflege erleichtern. Im Hilfsmittelverzeichnis sind die entsprechenden Produkte in den Produktgruppen (PG) 50 bis 54 aufgeführt.

Um welche Produkte geht es?

Der Pflegehilfsmittelvertrag bezieht sich konkret auf Pflegehilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind (PG 51 und 54), z.B.:

  • Bettschutzeinlagen zum Einmalgebrauch sowie zur Wiederverwendung,
  • Mundschutz,
  • Hände- und Flächendesinfektionsmittel,
  • Fingerlinge,
  • Schutzschürzen und
  • Handschuhe.

Der Pflegehilfsmittelvertrag gilt als einziger Hilfsmittelvertrag ausnahmslos für alle gesetzlichen Kassen und lässt sich sehr einfach handhaben. Geschlossen wurde er im Jahr 2006 zwischen den Spitzenverbänden der gesetzlichen Pflegekassen und dem Deutschen Apothekerverband (DAV). Allerdings können nicht nur Apotheker, sondern auch andere Leistungserbringer, wie z.B. Sanitätshäuser, beitreten – und das geschieht auch zunehmend.

Da viele Apothekeninhaber ihn immer noch nicht kennen, geschweige denn wissen, welches wirtschaftliche Potenzial sich hinter ihm verbirgt, erläutern wir Ihnen den Vertrag noch einmal ausführlich.

Was regelt der Vertrag?

Der Gesetzgeber hat in §40 Sozialgesetzbuch (SGB) XI festgelegt, dass Pflegebedürftige einen Anspruch auf die genannten, zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmittel haben. Pflegebedürftig ist dabei jeder Versicherte, der von seiner Pflegekasse in einen sogenannten Pflegegrad (von 1–5) eingruppiert worden ist. Außerdem muss der Versicherte zu Hause – und nicht in einem Pflegeheim – versorgt werden.

Im Pflegehilfsmittelvertrag vereinbaren Sie mit der Pflegekasse eines bestimmten Versicherten, dass Sie die entsprechenden Produkte an diesen Versicherten abgeben dürfen und dafür die Kosten von der Kasse erstattet bekommen. Festgelegt wird weiterhin, dass Sie monatlich mit der Kasse abrechnen müssen.

Außerdem gibt der Vertrag die Höchstpreise für jedes einzelne Produkt vor. Insgesamt dürfen die Aufwendungen für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch eine Summe von monatlich 40 € nicht übersteigen. Ausgenommen davon sind die wiederverwendbaren Bettschutzeinlagen. Wenn die Aufwendungen 40 € übersteigen, müssen die Hilfsmittel privat gekauft werden. Umgehen lässt sich das auch nicht, indem die Patienten Aufzahlungen leisten – das ist nämlich laut Vertrag nicht zulässig.

Eine gesetzliche Zuzahlung fällt für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel nicht an. Ausnahmen sind erneut die wiederverwendbaren saugenden Bettschutzeinlagen. Sofern der Patient nicht befreit ist, sind hierfür laut Vertrag 10% vom Abgabepreis zu berechnen.

Übrigens: Im Rahmen der Pflegereform hat sich der Anspruch von früher monatlich 31 € ab dem 01.01.2015 auf aktuell monatlich 40 € erhöht.

Müssen Sie beitreten?

Als Mitglied in einem Landesapothekerverband (LAV) sind Sie automatisch Vertragspartner. Denn der LAV meldet Ihr Institutionskennzeichen (IK-Nummer) dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), und dieser wiederum gibt es an die Pflegekassen weiter. Dadurch müssen Sie nicht separat beitreten – auch das unterscheidet den Vertrag von anderen Verträgen. Nur wer kein Mitglied eines LAV ist, muss dem GKV-Spitzenverband seinen Beitritt erklären. Dies kann formlos geschehen. Wer sich allerdings absichern möchte, sollte die Beitrittserklärung per Einschreiben abschicken.

Ist eine Präqualifizierung nötig?

Grundsätzlich müssen Sie sich bei allen Produkten präqualifizieren, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind und die abgegeben werden sollen (vgl. auch AWA 15/2019). Diese Pflicht gilt somit auch für die zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmittel, die der GKV-Spitzenverband im Produktbereich 19B8 seines Kriterienkatalogs listet.

Wenn Sie noch nicht für diesen Produktbereich präqualifiziert sein sollten, lohnt es sich auf jeden Fall, dies nachzuholen – idealerweise bei der Präqualifizierungsstelle, bei der Sie bereits einen Präqualifizierungsantrag gestellt haben. Ohne Präqualifizierung für den Produktbereich besteht die Gefahr, dass die Kasse die Kosten nicht erstattet, wenn Sie ein entsprechendes Pflegehilfsmittel abgeben. Diese Retaxation wäre dann auch nicht heilbar.

Wie gehen Sie konkret vor?

Wenn Sie Vertragspartner und präqualifiziert sind, bedeutet das nicht automatisch, dass Sie die zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmittel auf Kosten der Kasse abgeben dürfen: Wollen Sie einen bestimmten Versicherten versorgen, müssen Sie zunächst die vom Versicherten ausgefüllte Anlage 4 (Kostenübernahmeantrag) des Vertrags bei dessen Pflegekasse einreichen. Dieser Antrag wird in aller Regel unkompliziert genehmigt – zumeist sogar unbefristet.

Sobald Sie dann das erste Mal diejenigen Pflegehilfsmittel mit der Kasse abrechnen, die der Patient während eines Monats bezogen hat, müssen Sie die Original-Genehmigung beilegen. Bei den monatlichen Folgeabrechnungen empfiehlt es sich, eine Kopie der Genehmigung mitzuschicken. Ferner müssen Sie bei allen Abrechnungen auch die vom Versicherten ausgefüllte Anlage 2 (Bestätigung über den Empfang des Hilfsmittels) des Vertrags beilegen. Sie ist die Voraussetzung für die Abrechnung.

Wenn der Pflegebedürftige beihilfeberechtigt ist, verringert sich der Anspruch auf die Hälfe des Vertragspreises. Dann müssen Sie in der Anlage 4 das Kästchen "beihilfeberechtigt" ankreuzen.

Übrigens: Eine ärztliche Verordnung ist nicht erforderlich. Der Versicherte kreuzt jeweils in der Anlage 4 an, was er benötigt.

Ausblick

Schon Ende 2017 wurden 2,6 Mio. Pflegebedürftige zu Hause versorgt, von denen – optimistisch geschätzt – nur ca. 50% die Kostenerstattung in Anspruch nehmen. Da zukünftig u.a. aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr Menschen pflegebedürftig werden dürften, verbirgt sich also ein hohes wirtschaftliches Potenzial hinter der Versorgung mit Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch, zumal die Margen durch die festgelegten Erstattungspreise gut sind. Überdies ist der Aufwand sehr gering, da Sie nach der einmaligen Genehmigung monatlich abrechnen können.

Es lohnt sich daher, Ihre Kunden – z.B. auch mit Flyern und Plakaten – darauf hinzuweisen, dass alle Patienten mit Pflegegrad, die daheim versorgt werden, anspruchsberechtigt sind. Denn das weiß längst nicht jeder – und die Kostenträger kommunizieren es entweder gar nicht oder nur halbherzig.

Weiterhin sollten Sie auch darüber informieren, dass man Pflegehilfsmittel über Sie als Apotheke vor Ort beziehen kann. Vielen Patienten ist das nämlich lieber als der Bezug über wohnortferne Versender – die übrigens sehr offensiv und erfolgreich Werbung dafür betreiben: So laufen nicht zuletzt mehr als die Hälfte aller Pflegehilfsmittelabrechnungen über andere Leistungserbringer als Apotheken. Last, but not least: Viele Versicherte wünschen sich immer noch, aus einer Hand versorgt zu werden – und das sollten Sie sich zunutze machen!

Tipps für die Praxis

  • Wer den Pflegehilfsmittelvertrag sucht, findet ihn auf der Webseite seines Landesapothekerverbandes.
  • In relativ vielen Apotheken existieren noch Faxvorlagen, in denen der mittlerweile überholte Preis von 31 € angegeben ist. Diese sollten Sie entsorgen!
  • Denken Sie daran, dass die 40 € keine Pauschale, sondern ein Höchstbetrag sind: Sie begehen einen Abrechnungsbetrug, wenn Sie höhere Kosten als tatsächlich gehabt für die entsprechenden Pflegehilfsmittel angeben (vgl. AWA 18/2019).

Thomas Platz, Schulung in Apotheken, 65931 Frankfurt, E-Mail: apothekenschulung@mail.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(19):6-6