Das Marketing-Konzept für Ihre Apotheke (Teil 13)

Tipps für die Gestaltung Ihrer Sicht- und Freiwahl


Emanuel Winklhofer

Im Rahmen Ihres Marketing-Konzepts können Sie Ihre Erträge auch über die Sortimentsauswahl und -präsentation optimieren. Von anderen Branchen lässt sich viel Wissen adaptieren. Erfahren Sie, was bei der Gestaltung vor allem Ihrer Sicht-, aber auch Ihrer Freiwahl wichtig ist.

Bei gleichen Produkten und Leistungen in den Apotheken wird es immer wichtiger, sich vom Wettbewerb abzuheben. Noch viel zu wenig nutzen Apotheken die Chance, ihre Kunden sowohl durch eine strategische Sortimentszusammenstellung (im Rahmen der Produkt-Politik) als auch durch eine strategische Warenpräsentation (im Rahmen der Kommunikations-Politik) zielgruppenspezifisch zu binden. Das sogenannte Category-Management zeigt die noch weitestgehend ungenutzten Ressourcen auf, die Apotheken und Hersteller nutzen können, um kundenfreundlicher und marktorientierter zu handeln.

Weil das Thema sehr komplex ist, wollen wir uns hier auf einen kleinen Ausschnitt konzentrieren. Stellen wir uns also die Frage, was Sie im Rahmen Ihres Marketing-Konzeptes berücksichtigen sollten, um zum einen Ihr Sicht- bzw. Freiwahl-Sortiment zu optimieren und um zum anderen die entsprechenden Produkte zielgerichteter zu platzieren.

Mit System zum Erfolg

Wichtig ist zunächst, dass Sie die Produkte der einzelnen Warengruppen so präsentieren, dass der Kunde durch den Verkaufsprozess geleitet wird: In seinen Augen müssen die zusammenstehenden Artikel auch zusammengehören. In der Sicht- und der Freiwahl wird das zum Teil zwar schon seit vielen Jahren in Form einer Kategorisierung nach Indikationen (Erkältung, Schmerzen, Magen-Darm-Erkrankungen etc.) umgesetzt. Nur fehlt dabei in vielen Fällen die strategische Planung.

Oft nämlich kommt die eingekaufte Ware im Back-Office an, und dann räumt die PKA sie dort ein, wo noch ein Platz frei ist. Solch ein unsystematisches Vorgehen reicht allerdings nicht aus. Verbessern Sie also die Platzierung Ihrer Produkte, indem Sie ein paar einfache Tipps befolgen.

Die Bedeutung von Sicht- und Freiwahl

Der Ertrag aus der Freiwahl hat für die meisten Apotheken nur eine untergeordnete Bedeutung. Meist liegt er – Depot-Kosmetik ausgenommen – bei unter 5% des gesamten Apothekenertrags. Dies können Sie auch feststellen, wenn Sie Ihre Kundenströme analysieren: Die meisten Kunden kommen in die Apotheke und gehen sofort an den Handverkaufs (HV)-Tisch, damit sie möglichst schnell "bedient" werden. Wenn sie dann bezahlt haben, ist der Verkaufsvorgang abgeschlossen, und die Kunden verlassen die Apotheke häufig wieder, ohne sich noch einmal in den Freiwahlbereich begeben zu haben.

Die Aufgabe der Sichtwahl besteht darin, Spontankäufe anzuregen – und nicht dazu, den Mitarbeitern im Verkauf die Arbeit zu erleichtern. Darüber hinaus trägt eine "ruhige" und gut gefüllte Sichtwahl auch dazu bei, dass sich Ihre Kunden bei Ihnen wohlfühlen.

Wartet ein Kunde während der Beratung am HV-Tisch, wird sein Blick automatisch über die Sichtwahl wandern. Hierbei sollte er bekannte Marken wahrnehmen. Wenn er dann merkt, dass er einen Bedarf hat, kann er – sofern die Sichtwahlprodukte bepreist sind – gleich schon die Kaufentscheidung treffen und ein Produkt verlangen. In diesem Fall liegt ein klassischer Spontankauf vor.

Nur was ins Auge fällt, wird spontan gekauft

Spontankäufe kommen in der Apotheke häufiger vor als bisher angenommen. Im Gegensatz zu Zielkäufen zeichnen sie sich dadurch aus, dass der Kunde ein bestimmtes Produkt ungeplant – also aufgrund eines plötzlich aufkommenden Kaufwunsches – erwirbt. Das Preisgefüge sollte daher in einem Rahmen liegen, der den Kunden nicht dazu veranlasst, groß über seine Entscheidung nachzudenken.

Fördern Sie Spontankäufe! Aus Marketinganalysen weiß man heute, dass das mit System möglich ist: Kunden tätigen Spontankäufe nämlich dann, wenn ihnen zur richtigen Zeit am richtigen Ort genau das optisch auffällig präsentiert wird, was sie emotional oder durch einen Nutzen zum Kauf reizt. Setzen Sie daher ausreichend viele Anreize. Möglich ist das z.B. durch einen Preisnachlass, eine Neueinführung, einen optischen Reiz oder eine Promotion-Aktion.

Was ist für eine erfolgreiche Präsentation wichtig?

Die folgenden sieben Tipps helfen Ihnen dabei, Ihre Sichtwahl optimal zu gestalten:

  1. Bilden Sie in jedem Regal große Blocks, denn "Masse verkauft Masse." Damit ein Produkt werbetechnisch erfolgreich wirken kann, benötigt das Auge in der Breite eine Blickkontakt-Strecke von 40 cm. Wenn Sie also Regalböden haben, die 80 cm oder 100 cm breit sind, dann können Sie zwei bis drei unterschiedliche Produktbilder präsentieren. Nicht von Erfolg gekrönt sein wird es hingegen, wenn Sie z.B. eine einzelne Reihe mit einem bestimmten Nasenspray (kleine Packung im "Hochformat") präsentieren. Die nämlich wird der Kunde nicht aktiv wahrnehmen.

  2. Pro Indikationsgruppe sollten Sie maximal drei bis vier unterschiedliche Produkte präsentieren, so z.B. vier unterschiedliche Nasensprays oder vier unterschiedliche Hustensäfte.

  3. Sie sollten die Produkte in der Sichtwahl nach dem sogenannten Abverkauf pro Monat (AMO) auswählen: Um ein Produkt zu platzieren, sollte der AMO bei mindestens zehn bis zwölf Packungen liegen.

  4. Präsentieren Sie die Produkte mit dem größten AMO und dem größten Ertrag in der Sichtzone.

  5. Positionieren Sie im obersten Regal immer das bekannteste Produkt ("Anker-Produkt"). Dann weiß der Kunde, zu welcher Indikationsgruppe alle Produkte gehören, die Sie unterhalb davon präsentieren.

  6. Falls Sie mehrere Packungsgrößen in die Sichtwahl nehmen, dann platzieren Sie sie aufsteigend von links nach rechts (N1 – N2 – N3).

  7. Achten Sie darauf, dass die Sichtwahl stets aufgefüllt ist, keine Lücken enthält und ebenso ordentlich wie sauber aussieht.

Eine wichtige Hilfe für die Sortimentsauswahl sind eigene Abverkaufs-Listen und aktuelle Marktzahlen. Für die Listen können Sie aus Ihrem Warenwirtschaftssystem die 100 umsatz- und die 100 absatzstärksten Produkte jeweils aus dem OTC-Bereich zusammenstellen (natürlich keine Rx-Produkte).

Was gilt für die Freiwahl?

In der Freiwahl verfahren Sie ähnlich: Weniger ist mehr! Bilden Sie also auch hier große Blocks mit den wichtigsten Produkten eines Bereiches. Die Produkte mit dem höchsten AMO bzw. Ertrag sollten Sie in der Griffzone präsentieren. Im untersten Regal ("Bückzone") hingegen befinden sich sehr günstige Produkte (Kosmetikpads, Brause-Vitaminröhrchen etc.). Denn wer bückt sich schon gern, außer wenn es billig ist? Ebenso wie die Sichtwahl sollte auch die Freiwahl immer aufgefüllt sein und aufgeräumt wirken.

Zu guter Letzt

Verzichten Sie bitte generell auf die "Einzelschicksale", also Artikel mit einem Bestand von "1" – das erinnert nämlich an das Kleinkrämertum des vergangenen Jahrhunderts.

Unsere Kunden sind die optisch ansprechenden Präsentationen von anderen Einzelhandelsunternehmen (wie z.B. von dm oder Douglas) gewohnt. Deshalb sollten auch wir in den Apotheken uns für einen modernen Marktauftritt entscheiden. Das ist zwar nicht schwer. Allerdings müssen wir uns intensiv mit der Thematik befassen, Vieles bei anderen Unternehmen ansehen und mit einem soliden Basiswissen an die Umsetzung gehen. Wichtig ist vor allem die Kontinuität. Denn im Leben wird nicht das Beginnen belohnt, sondern das Dranbleiben!

Emanuel Winklhofer, Apotheker, Agentur für Kommunikation, Seminare und Coaching, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(20):6-6