"Apothekenstärkungsgesetz"

Alles für die Katz


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Das "Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz" (VOASG) droht nach all den Winkelzügen und Volten nunmehr doch noch auf dem Scheiterhaufen der Geschichte zu enden – von Gnaden oder nur auf bloße Veranlassung der EU, je nach eigenem Standpunkt. Der ursprüngliche Zeitfahrplan ist heute bereits für die Katz. Eine Stellungnahme aus Brüssel dürfte wohl allenfalls noch gegen Ende dieses Jahres realistisch sein, möglicherweise erst erheblich später. Bekanntermaßen muss sich die EU-Kommission neu zusammenfinden, und hier klemmt es noch an einigen Ecken und Enden, wie die Besetzung der Kommissarsposten zeigte. Frühestens am 1. Dezember kann die Arbeit unter den jeweils neuen Kommissaren starten.

Es erscheint dann eher unwahrscheinlich, dass die zuständige EU-Kommission für Gesundheitsangelegenheiten dem VOASG und hier dem strittigen Rx-Boni-Verbot – über den Umweg der Sozialgesetzgebung – einfach so zustimmt. Täte sie es, stünden allerdings die Chancen recht hoch, dass dieses Machwerk tatsächlich mit nur wenigen, eher unbedeutenden Änderungen im Verlaufe des heimischen Gesetzgebungsverfahrens in Kraft tritt. Doch selbst dann dürfte ein diesbezügliches weiteres Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof sehr wahrscheinlich sein – bis zu einer Entscheidung kann es wiederum Jahre dauern.

Kaum zu erwarten ist ein hiesiges gesetzgeberisches Protestszenario von handlungsgebender Weite, in dem die zentralen Punkte des VOASG noch gekippt und stattdessen das von vielen ersehnte Rx-Versandhandelsverbot (Rx-VV) wieder auf die Agenda gesetzt würde. Dies käme einer Entkernung des Gesetzes gleich und ließe den Gesundheitsminister vollkommen blamiert zurück – und nebenbei auch so manch prominenten ABDA-Vertreter. Trotz Bundesrats-Stellungnahme, Bühler-Petition und last, but not least der eher lauwarmen Stellungnahme des diesjährigen Apothekertages ist das Rx-VV auf diesem Wege nach wie vor bestenfalls schein-, eher mausetot. Sollte es trotzdem knirschen im Gesetzgebungsverfahren, bleiben realistisch drei Alternativen näher zu betrachten:

1. Das Gesetz scheitert einfach. Damit ist also wieder "alles für die Katz". In dieser Legislaturperiode dürfte sich dann hinsichtlich Apothekengesetzgebung nichts mehr tun. Praktisch bliebe nämlich nur das kommende Jahr für einen grundlegenden Neuanlauf. 2021 ist ja bereits wieder ein reguläres Wahljahr – wenn die derzeitige Regierungskoalition überhaupt so lange durchhält, was aber angesichts der Lage der SPD wahrscheinlich ist: Neuwahlen dürften die sowieso schon arg geschrumpften Sozialdemokraten noch mehr in Richtung Bedeutungslosigkeit führen. Eine Menge heutiger Posten stünde zur Disposition. Das will abseits aller verbalen Kraftmeierei wohlüberlegt sein.

2. Eine intelligente Variante bestünde darin, das Gesetzespaket im Falle von Uneinigkeiten aufzutrennen – in einen unkritischen Teil (neue Dienstleistungen, Makel-Verbot von Rezepten aller Art etc.) sowie einen strittigen Teil, worunter die Regelungen zur (partiellen) Rx-Gleichpreisigkeit fallen würden. Letztere könnte man einfach im "Konsens über den Dissens" erst einmal offen lassen. Ob es später dann, wahrscheinlich unter anderen politischen Mehrheitsverhältnissen, doch noch auf ein Rx-VV hinausläuft oder aber womöglich ganz andere Ansätze gefunden werden (bis hin zur Aufgabe der Gleichpreisigkeit und der Überführung in eine jährlich neue Verhandlungslösung mit den Krankenkassen unter fair zu regelnden Rahmenbedingungen), bliebe abzuwarten. Diese Aufteilung des VOASG findet nunmehr bereits in Ansätzen statt.

3. Die letzte Fallvariante wäre ein Einspruch der EU. Alles, was den "85%-Gleichpreisigkeits-Kompromiss" – d.h. Gleichpreisigkeit auch für Auslandsversender nur für den GKV-Markt – weiter durchlöchern würde, wie jede Art von Boni, dürfte nicht durch unsere Gesetzgebungsmühlen kommen. Womöglich äußert die EU gar noch grundlegendere Bedenken. Dann heißt es jeweils wieder: "Alles (bzw. vieles) für die Katz" – und eine Vertagung auf irgendwann.

Die Katze scheint der Gewinner der Partie zu sein, bekommt sie doch den weitaus größten Teil ab. Die Apotheken schauen derweil in die Röhre.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(21):19-19