Rezeptanalyse

Was Sie aus Rezepten herauslesen können


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Nicht zuletzt angesichts des nun wohl auf der Zielgeraden befindlichen E-Rezeptes sollten Sie sich vertieft mit der Frage beschäftigen, wie insbesondere Ihre Rezeptkunden ticken. Einen Gutteil der Daten halten Sie Tag für Tag selbst in der Hand – in Form der Rezepte.

Rezeptanalysen sind nichts Neues, und die Rezeptabrechnungsstellen liefern bereits viele Auswertungen. Manches ist Standard, speziellere Analysen lassen sich in Form erweiterter Pakete oder Sonderauswertungen erstellen. Da die Rezepte vollständig digitalisiert werden, bestehen seitens der Abrechnungszentren prinzipiell alle Auswertemöglichkeiten, die Sie ansonsten "zu Fuß" vornehmen würden. Informieren Sie sich also vorab über diese Möglichkeiten!

Insbesondere wenn es um lokale Auswertungen geht (z.B. wo die Rezeptkunden wohnen und wie Ihr Einzugsgebiet demzufolge aussieht), sollten Sie noch selbst Hand anlegen und von Zeit zu Zeit Rezeptstichproben auswerten – nach Kriterien, die eben nicht vom Rechenzentrum abgedeckt werden. Solange Sie das anonym tun und konkrete Patientennamen keinerlei Rolle spielen, sind Sie datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite. Und vergessen Sie nicht die in manchen Regionen außerordentlich bedeutsamen Privatrezepte! Hier sind Sie stets auf eigene Erhebungen angewiesen.

Eine durchschnittliche Apotheke rechnet heute pro Jahr rund 24.000 Rezepte mit den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ab. Etwa 4.000 bis 5.000 Privatrezepte kommen dazu. Da stellt sich als erstes die Frage nach dem sinnvollen Stichprobenumfang. Gemäß dem statistischen Gesetz der "Quadratwurzel aus n" wären für die Durchschnittsapotheke etwa 150 GKV- und 70 Privatrezepte auszuwerten. Mit großzügig aufgerundet etwa 200 bis 250 GKV- und 100 Privatrezepten hätten Sie also in aller Regel eine statistisch belastbare Basis.

Solch eine Auswertung kann man einmal jährlich zu "Normalzeiten" (außerhalb von Ferien- und Feiertagszeiten) laufen lassen. Wer freie Ressourcen hat, mag über quartals- und damit jahreszeitenbezogene Analysen nachdenken.

Umrechnung der Rezeptwerte

Die von den Rechenzentren ausgewiesenen Umsätze sowie Rezeptwerte und -durchschnitte haben mit den tatsächlich für die Apotheke relevanten, steuerlichen Werten wenig zu tun. Der dort aufgeführte "Nettobetrag" enthält noch die Mehrwertsteuer, ist aber um die Zuzahlungen und Eigenanteile geschmälert. Letztere haben Sie jedoch in der Kasse. Um jetzt den steuerlichen Nettobetrag (vor Abrechnungskosten) zu erhalten, müssen Sie den Zuzahlungsbetrag erst wieder dem "Rechenzentrums-Netto" hinzurechnen und dann die Mehrwertsteuer herausziehen. Die Mehrwertsteuerbereinigung nehmen Sie näherungsweise mittels Division durch 1,19 vor; "näherungsweise" deshalb, weil es die eine oder andere Position mit reduziertem Mehrwertsteuersatz gibt (z.B. Ernährungslösungen). In der Regel ist dies aber vernachlässigbar. Aus dem steuerlichen Nettobetrag lassen sich dann auch die "wirklichen" Rezeptwerte berechnen.

Ertragsdaten

Typischerweise erhalten Sie in Ihrer Rechenzentrumsauswertung eine Angabe über den durchschnittlichen Packungs-Rohertrag im Kombimodell-Segment (mit bzw. ohne Hochpreiser). Dieser Stückertrag kann logischerweise Ihre eigenen, von Großhandel und Industrie erhaltenen Rabatte und Skonti nicht berücksichtigen und fällt deshalb meist rund 1 € bis 2 € zu niedrig aus. Der praktische Aussagewert ist daher begrenzt.

Einzugsgebiete

Zu den wichtigsten Erkenntnissen zählt das eigene Einzugsgebiet: Wo kommen die Kunden her? Welche Entfernungen sind sie bereit zurückzulegen? In vertieften, weiteren Analysen kann man das noch mit der Besuchsfrequenz abgleichen: Woher kommen die "eifrigsten" Kunden? Wer Filialen betreibt, kann ersehen, inwieweit sich die Kundenregionen überlappen. Anhand solcher Daten lassen sich die klassischen Werbemaßnahmen (Flyerverteilung, Mailings etc.) steuern sowie die Bedingungen für einen Botendienst gestalten. Im Zeitalter der neuen Medien verschwimmen diese Grenzen freilich, das Internet wirkt überregional.

Wie gehen Sie vor?

Praktisch müssen Sie Ihre Rezepte einzeln hernehmen, die Adresse checken (z.B. in Google Maps) und dann für jeden Kunden einen Punkt in einer Landkarte setzen. Oft empfehlen sich sogar zwei Karten: Zum einen ein detaillierter Ortsplan des unmittelbaren Umfelds (ca. 1 bis 2 km), auf dem die einzelnen Straßen gut zu erkennen sind. Zum anderen ein Umgebungsplan im größeren Maßstab, um auch Kunden aus dem weiteren Umfeld (z.B. aus Vororten oder – bei Verbundgemeinden – aus Teilorten) eintragen zu können.

Das kann schlicht manuell per Stift auf einer (ggf. im Copy-Shop vergrößerten) Kartenvorlage geschehen, wobei Sie frei darin sind, mit Farben z.B. Kassen- und Privatrezepte zu unterscheiden oder sonstige Abgrenzungskriterien wie Hochpreis-Rezepte, spezielle Indikationen u.a.m. anzulegen. Alternativ kommt die digitale Variante infrage: Sie setzen die Farbpunkte in einem x-beliebigen Programm (von einer Foto-Bearbeitungssoftware bis hin zu einem Office-Präsentationsprogramm), in das Sie zuvor die digitale Karte, z.B. aus Google Maps, importiert haben.

Prinzipiell gibt es für solche Fragestellungen Spezialsoftware oder spezialisierte Dienstleister (jeweils unter dem Begriff Geomapping). Bei letzteren steht dann das Thema "Datenschutz" im Raum: Denn Sie werden wohl kaum sensible Rezeptkopien außer Haus geben. Alternativ könnten Sie nur eine anonymisierte Adressdatei ohne Namen und konkreten Patientenbezug anlegen. Allerdings stellt sich die Frage, ob man diese Auswertungen nicht selbst manuell günstiger erledigt, zumal sie ja nur hin und wieder mit überschaubaren Rezeptzahlen anfallen.

Wenn Sie Ihre Rezepte schon genau unter die Lupe nehmen, ist der Zeitversatz von Rezeptausstellung und -einlösung aufschlussreich. Erfassen Sie also auch diese beiden Daten: Wie viele Rezepte werden noch am gleichen Tag eingelöst, wie viele nach einem, zwei, drei oder noch mehr Tagen? Um Ihr Serviceangebot insbesondere hinsichtlich des Aspektes "Zeitnähe" zu gestalten, ist das eine wichtige Information. Allerdings wissen wir auch, dass zwischen tatsächlicher und von den Kunden empfundener Dringlichkeit oft Welten liegen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(21):4-4