Editorial

Wenn Originale imitieren


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

bestimmt kennen Sie das auch: Sie haben eine Frage zu Ihrem Mobilfunkvertrag und rufen beim Anbieter an. Die Versuchung aufzulegen ist dann zumeist groß, wenn Sie zunächst mit einer Stimme verbunden werden, die Ihnen Dinge mitteilt, die Sie gar nicht wissen möchten – und die sich überdies leicht als nicht menschlich identifizieren lässt.

Inzwischen ist man natürlich an mancher Stelle viel weiter, künstliche Intelligenz (KI) ahmt den Menschen ziemlich gut nach. Google Duplex etwa, ein Modul für den Google Assistant, das u.a. selbstständig in Restaurants anrufen und Termine vereinbaren kann, baut zumindest schon mal "Ähs" und "Mmms" in seine Sätze ein. Letztlich erhofft man sich, dass KI auch die leisen Zwischentöne simulieren wird. Denn auf die kommt es – so der Neurobiologe Henning Beck in seiner "Wirtschaftswochen"-Kolumne – bei der menschlichen Kommunikation ebenso an wie auf den Informationsaustausch.

Noch allerdings hapert es so manches Mal beim KI-Einsatz. Laut "New York Times" ruft z.B. in rund einem Viertel der Fälle gar nicht Duplex im Restaurant an, sondern vielmehr ein Google-Mitarbeiter. Verkehrte Welt also, wenn Menschen vortäuschen, Technik zu sein, die ihrerseits auf Mensch macht. Fazit: Der Mensch ist für den Menschen kommunikativ (hoffentlich noch sehr lange) unschlagbar.

Beck selbst legt vor allem Wert auf guten Service: "Wenn ein Unternehmen sich so wenig um mich bemüht, dass es [nur] noch den Betreuungsaufwand per Chatbot optimiert, bin ich weg." Hoffen wir, dass unsere Kunden das ebenso sehen – auch wenn die Versender eines Tages auf die Idee kommen sollten, KI für die telefonische Beratung einzusetzen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(22):2-2