Stufen – oder nicht?

Wie Sichtwahltreppen in Apotheken wirken


Dr. Christian Knobloch

Durch den Einsatz einer Sichtwahltreppe erhöht sich in der Regel die Anzahl der sichtbaren Packungen eines Artikels in der Sichtwahl. Aber führt die Erhöhung dieser sogenannten Facings tatsächlich zu einem höheren Absatz von Over-the-Counter (OTC)-Arzneimitteln?

Laut der ABDA-Broschüre "Zahlen – Daten – Fakten 2019" wurden im Jahr 2018 in öffentlichen Apotheken 4,57 Mrd. € mit OTC-Arzneimitteln umgesetzt – davon 3,45 Mrd. € mit denjenigen ohne Verordnung. Bei (2018 noch) rund 19.400 Apotheken machen die nicht-verordneten OTC-Arzneimittel damit im Durchschnitt fast 178.000 € Umsatz pro Apotheke aus. Unterstellt man für diese Präparate weiterhin eine Handelsspanne von 35%, liegt der durchschnittliche Rohertrag bei mehr als 62.000 € – was knapp 11% des gesamten Rohertrags (567.000 €) einer durchschnittlichen Apotheke im Jahr 2018 entspricht. Anlass genug, sich zu fragen, ob Sie Ihre OTC-Arzneimittel gut genug präsentieren?

Kein Hexenwerk: Bei weniger Artikeln mehr Artikel zeigen

Eine Möglichkeit, diese Präsentation zu verändern, bietet eine Sichtwahltreppe: Mit ihr gelangen mehr Artikel ins Blickfeld Ihrer Kunden, obwohl Sie weniger Artikel einsetzen – unter den Treppenabsätzen steht ja keine Ware (Abbildung 1)! Damit bei den unterschiedlichen Packungsgrößen ein möglichst großer Teil der Packungen für den Kunden sichtbar ist, können Sichtwahltreppen mit unterschiedlichen Stufenzahlen, Stufenhöhen und Stufentiefen verwendet werden. Ebenso ist die Stufenbreite variabel.

Der Nutzen der Sichtwahltreppe ist noch höher, wenn Sie einen Kommissionierer haben. Der Kommissionierer entnimmt die Artikel gleich aus dem Lager, sodass Sie für den Verkauf keine Packungen mehr aus der Sichtwahl benötigen. Damit entstehen Ihnen keine Lücken, die Ihre Kunden als unschön empfinden könnten. Statt mit der Verkaufsware lässt sich die Sichtwahl dann auch mit Leerpackungen füllen, ohne dass sich der optische Eindruck ändert.

Wie hoch sind die Kosten?

Gehen wir von 50 laufenden Metern Sichtwahlumfang aus, würde die Bestückung der kompletten Sichtwahl mit Treppen – je nach Anbieter – ca. 4.000 € kosten. Hinzu kommen die Personalkosten: Je nach Gegebenheiten sind zwei Personen mit jeweils ca. fünf Stunden zu veranschlagen – und hiermit ist nur die erstmalige Bestückung erfasst, nicht aber das Wiederauffüllen oder ein Sortimentswechsel. Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob sich eine solche Investition lohnt – zumal die digitale Sichtwahl als Alternative zur Verfügung steht.

Was sagt die Forschung?

Die Essener "Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft" hat in fünf nordrhein-westfälischen Apotheken in unterschiedlichen Lagen und mit unterschiedlichen Sichtwahlumfängen untersucht, wie sich die Verwendung von Sichtwahltreppen auf folgende Parameter auswirkt:

  • Anzahl der in der Sichtwahl gelagerten Packungen eines Artikels,
  • Anzahl der sichtbaren Packungen eines Artikels in der Sichtwahl ("Facings") sowie
  • Absatz an und Rohertrag mit Sichtwahlartikeln.

Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse: Es wird deutlich, dass sich die Anzahl der Facings für die einzelnen Sichtwahlartikel in allen Apotheken – unabhängig von deren Charakteristika – erhöht und dass sich gleichzeitig die Anzahl der gelagerten Packungen verringert hat. Vor der Installation der Sichtwahltreppe hielten die Apotheken im Durchschnitt 8,4 Packungen je Artikel in der Sichtwahl vorrätig, danach 5,2 Packungen.

Damit kann auch das in der Sichtwahl gebundene Kapital reduziert werden – zumindest wenn hierdurch die Lieferfähigkeit nicht gefährdet wird. Bei einer entsprechenden Disposition und der (mehrmals täglichen) Anlieferung durch den Großhandel sollte das in der Regel möglich sein. Die Stadtteil-Apotheke beispielsweise konnte so gebundenes Kapital in Höhe von 3.300 € abbauen.

Um zu ermitteln, wie sich die Sichtwahltreppe auf den Absatz bzw. den Rohertrag auswirkt, wurden die beiden Kennzahlen für die Sichtwahlartikel jeweils in vier verschiedenen Quartalen betrachtet: Im Quartal vor und im Quartal nach der Sichtwahltreppeninstallation sowie in den entsprechenden beiden Quartalen des Vorjahres. Zunächst wurde dann die prozentuale Veränderung zwischen den beiden Quartalen für jedes Jahr ermittelt und dann deren Differenz gebildet.

Die Absatzveränderungen in Tabelle 1 lassen sich somit folgendermaßen lesen: +7,1%-Punkte für die Stadtteil-Apotheke können beispielsweise bedeuten, dass sich der Absatz nach dem Einbau der Sichtwahltreppe um 17,1% erhöht hat, während er im Vorjahreszeitraum – ohne Treppeninstallation – um 10,0% gestiegen ist. Die Rohertragsveränderungen lassen sich analog interpretieren.

Um weitere Vergleichswerte für den Absatz zu erhalten, wurde das IQVIA-Apothekenpanel, das keine Rohertragsdaten ausweist, als Kontrollgruppe hinzugezogen: Hier betrugen die Absatzveränderungen im selben Zeitraum 8,7%-Punkte. Die beiden Fußgängerzonen-Apotheken sowie die Center-Apotheke liegen – teils deutlich – über dieser Benchmark, während die Stadtteil-Apotheke knapp darunter bleibt.

Einzig die Ärztehaus-Apotheke weist eine negative Absatzveränderung auf. Hier bleibt die Frage offen, inwieweit sich dies auf die Sichtwahltreppeninstallation zurückführen lässt – oder auf ein verändertes Verschreibungsverhalten der Ärzte, das sich auf den Kundenstrom und damit den Absatz an (nicht verordneten) Sichtwahlartikeln auswirkt.

Was heißt das für die Praxis?

Als Fazit lässt sich festhalten:

  • Mit der Sichtwahltreppe können Sie die Anzahl der Facings erhöhen und den Warenbestand in der Sichtwahl ebenso wie die Kapitalbindungskosten reduzieren.
  • Offenbar kann die Sichtwahltreppe je nach Apothekencharakteristika zu deutlichen Absatz- und Rohertragssteigerungen beitragen.

Und was können Sie tun? Betrachten Sie Ihre Sichtwahl kritisch und überlegen Sie sich gemeinsam mit Ihrem Team, inwieweit sich die Warenpräsentation und die Lagerhaltung verbessern lassen. Geeignet dafür könnte auch eine Sichtwahltreppe sein. Nichtsdestotrotz: Ihr Personal hat immer noch den stärksten Einfluss darauf, wie viele nicht-verordnete OTC-Arzneimittel Sie verkaufen.

Dr. Christian Knobloch, Leiter der Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft, Universität Duisburg-Essen, 45127 Essen, E-Mail: christian.knobloch@uni-due.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(22):8-8