Verkauft – und erledigt?

Wie Sie ein After-Sales-Management-System in Ihrer Apotheke etablieren


Karin Wahl

Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein erklärungsbedürftiges Produkt gekauft, wollen es zu Hause nutzen – und dann ergibt sich doch noch eine Frage. Wäre es da nicht schön, einen direkten Ansprechpartner zu haben? So geht es vermutlich auch dem einen oder anderen Ihrer Kunden.

Die Warenlager mögen zwar nicht identisch sein. Allerdings bieten alle Apotheken das gleiche "Kernsortiment" an und unterscheiden sich daher zunächst einmal nicht stark voneinander – eine große Herausforderung für jeden Chef und sein Team: Denn wie kann man sich über ein Alleinstellungsmerkmal positiv von der Konkurrenz abheben?

Möglich ist das z.B. durch geringere Preise (oftmals wegen des Preisstrudels nach unten nicht ratsam!), durch einen besonderen Service und/oder durch diverse Dienstleistungen, die die Mitbewerber bzw. die immer stärker werdenden Versender (noch) nicht anbieten. Dazu zählt auch ein After-Sales-Management-System.

EDV als ideale Voraussetzung

Die rasante Entwicklung der EDV mit ihrem Strauß an Programmen ermöglicht es Apotheken heutzutage, eine individualisierte Pharmazie anzubieten. Gerade auch über die Kundendatenbank kann jeder im Team die Käufe und Besonderheiten von Kunden im Rahmen des rechtlich Zulässigen abrufen. Indem "VIP-Nachrichten" im System hinterlegt werden, sehen alle Bediener, worauf ein Kunde besonderen Wert legt – und was er kategorisch ablehnt. Das bietet die Chance, nahtlos an die vorangegangenen Verkaufsvorgänge, Interaktionschecks, Blutwertbestimmungen und Co. anzuknüpfen. Doppel-Beratungen, die die Kunden verärgern, aber auch verunsichern können, lassen sich vermeiden.

Leider werden die umfassenden EDV-Programm-Angebote noch immer zu wenig genutzt. Dabei bieten sie ideale Voraussetzungen, um ein gutes After-Sales-Management-System aufzubauen. In einigen Apotheken gibt es so etwas zwar schon. Häufig ist es aber eher intuitiv entstanden – und kein festes Angebot mit festgelegten Abläufen.

Andere Branchen sind da weiter: Hier sind After-Sales-Manager schon längst selbstverständlich. Denn man hat gemerkt, dass Kunden Produkte oft zunächst einfach kaufen und erst später bemerken, dass sie noch Fragen dazu haben. Sie rufen dann im Unternehmen an und müssen sich nach einem Ansprechpartner durchfragen – Verärgerung ist die Folge. Um das zu vermeiden und um die eigenen Ressourcen zu schonen, schafft man daher ein Angebot, das sich ohne großen Aufwand etablieren und standardisieren lässt.

Mit solch einem Angebot können auch Sie in Ihrer Apotheke die Kundenbindung und -zufriedenheit ohne großen finanziellen Aufwand erhöhen. Denn nicht selten fühlen sich die Kunden alleingelassen, wenn sie die gekaufte bzw. – z.B. im Fall von Milchpumpen – geliehene Ware zu Hause anwenden wollen. Mögliche Gründe dafür: Sie sind nicht ausführlich genug beraten worden, haben etwas nicht direkt verstanden oder auch nicht aufmerksam zugehört.

Wie gehen Sie vor?

Wenn Sie ein After-Sales-Management-System etablieren, wird (zumindest in kleineren Apotheken) jeder Mitarbeiter im Handverkauf (HV) zum After-Sales-Manager. Er betreut dann bestimmte Kunden mit bestimmten Erkrankungen bzw. Bedürfnissen. Voraussetzung ist daher, dass Sie aus allen Mitarbeitern Experten für bestimmte Themengebiete machen. Diese Gebiete gilt es zunächst festzulegen. Beispiele können sein:

  • Ernährung bei speziellen Erkrankungen, wie z.B. Adipositas, Gicht oder Allergien,
  • Supplementierung und Nahrungsergänzung bei Arzneimitteleinnahme,
  • Inkontinenz,
  • Diabetes,
  • Hypertonie,
  • parenterale Ernährung bei Krebspatienten,
  • geriatrische Pharmazie,
  • alternative Medizin,
  • Mütter mit Säuglingen und Kleinkindern,
  • Dermopharmazie oder
  • Raucherentwöhnung.

Wählen Sie die Themengebiete so aus, dass (zumindest einzelne) Mitarbeiter schon fundierte Grundkenntnisse haben, die sich mit speziellen Fortbildungen schnell ausbauen und damit in der Praxis anwenden lassen. Außerdem sollten es Themengebiete sein, von denen Sie sich – immer abhängig von Ihrem Standort – ein lohnenswertes Umsatzwachstum versprechen. Die Anzahl der ausgewählten Gebiete hängt von der Apotheken- bzw. der Teamgröße ab.

Stellen Sie Ihren Mitarbeitern dann in einer Teamsitzung die ausgewählten Themengebiete vor und bieten Sie ihnen an, sich dafür zu qualifizieren. Um sicher zu gehen, dass stets ein kompetenter Ansprechpartner vor Ort ist, sollten immer mindestens zwei Mitarbeiter Experten auf einem Themengebiet sein – und darüber hinaus alle Mitarbeiter im HV ein gewisses Mindestwissen auf allen Gebieten vorweisen können. Um das zu erreichen, ist folglich zweierlei notwendig:

  1. Teamschulungen mit den "Grundlagen" zu allen Themen für alle Mitarbeiter
  2. tiefergehende Fortbildungen für jeden After-Sales-Manager zu "seinem" Thema.

Vergessen Sie nicht, jedes Themengebiet als eigenen Prozess im Qualitäts-Management-System (QMS) zu beschreiben. Denn wenn ein Mitarbeiter Sie verlässt, kann der Nachfolger dann wesentlich leichter in seine Fußstapfen treten.

Woran sollten Sie noch denken?

Damit sich die Kunden später besser an ihren kompetenten Ansprechpartner in der Apotheke erinnern können, bekommt jeder Mitarbeiter ein Namensschild, auf dem neben dem Namen auch die Berufsbezeichnung und der Beratungsschwerpunkt deutlich zu lesen sind. Ebenso erhält jeder Mitarbeiter eine Apotheken-Visitenkarte, auf der sich neben den genannten Angaben noch die Kontaktmöglichkeiten finden.

Diese Visitenkarte überreicht der Mitarbeiter dem Kunden dann am Ende des Beratungsgesprächs und teilt ihm mit, dass er bei weiteren Fragen gerne anrufen darf – auch um einen Nachberatungstermin in der Apotheke zu vereinbaren. Überdies kann sich der Mitarbeiter das Einverständnis des Kunden dafür einholen, ihn in zwei Tagen anrufen und fragen zu dürfen, ob alles in Ordnung ist. Dazu sollte jeder Mitarbeiter einen Terminkalender führen, in dem er auch die Telefonnummern der Kunden vermerkt.

Ein Beispiel

Der Chef einer Apotheke mit einer onkologischen Schwerpunktpraxis in der Nähe wählte zunächst die parenterale Ernährung und die Dermopharmazie als Themengebiete für sein After-Sales-Management-System aus. Dafür ließ er eine PTA per Fernkurs zusätzlich zur Kosmetikerin ausbilden. Diese PTA behandelte die Kunden dann in einer eigens dafür eingerichteten Kosmetikkabine mit Apothekenprodukten.

Mit der Zeit erwarb man sich einen Ruf als in onkologischen Fragen besonders kompetente Apotheke – zumal Synergien geschaffen werden konnten: Die zur Kosmetikerin ausgebildete PTA bot nämlich regelmäßig Kurse über Hautpflege und spezielle Schminktechniken während der onkologischen Behandlung an. Ab- und Umsätze z.B. von Spezialgetränkepäckchen und von spezieller Kosmetik vervielfachten sich in der Folge.

Tipp: Bestücken Sie Ihren Beratungsraum mit Ware, die zu Ihrer Spezialisierung passt.

Fazit

Die Erfahrung zeigt, dass Apothekenchefs, die ein After-Sales-Management-System etabliert haben, dies in der Regel nicht bereuen. Denn zum einen fühlen sich die Kunden durch die besondere Beratung stärker wertgeschätzt. Und zum anderen gelingt es, die Mitarbeiter durch die anspruchsvolle (und entsprechend auch finanziell honorierte) Tätigkeit stärker an die Apotheke zu binden. Beides aber wirkt sich letzten Endes auch positiv auf das Betriebsergebnis aus.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Beratung im Gesundheitswesen 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@icloud.com

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(22):12-12