Compliance ist Chefsache

Wie Sie es vermeiden, für Fehler Ihrer Mitarbeiter haften zu müssen


Dr. Bettina Mecking

Ein effizientes Compliance-System ist bei den heutzutage immer komplexeren Arbeitsabläufen in Apotheken unverzichtbar, um Schadensfällen vorzubeugen und um im Schadensfall nicht haften zu müssen. Erfahren Sie, was Sie wissen müssen.

Als Apothekenleiter führen Sie Ihre Apotheke persönlich in eigener Verantwortung (§§2 und 7 Apothekengesetz). Insofern sind Sie dazu verpflichtet, Ihren Betrieb so zu organisieren, dass die gesetzlichen Bestimmungen und die sonstigen Rechtsvorschriften eingehalten werden. Insbesondere müssen Sie durch geeignete organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen und Gefahren, z.B. für Ihre Patienten, vermeiden. Wie Sie das tun, ist oftmals abhängig vom Einzelfall. Dabei gilt, dass Sie das Wissen über Ihre Verpflichtungen aktuell halten müssen.

Organisationsverschulden: Was ist das überhaupt?

Auch Rechtsverstöße Ihrer Mitarbeiter können dazu führen, dass Sie wegen einer Pflichtverletzung haften – und zwar nicht (nur), weil Sie in eigener Person an entsprechenden Rechtsverstößen beteiligt waren, sondern (auch) weil Sie es unterlassen haben, eine Organisation zu schaffen, in der solche Rechtsverstöße vermieden werden. Dann liegt ein Organisationsverschulden vor, und das kann z.B. vorkommen als

  • Auswahlverschulden: Sie wählen Mitarbeiter aus, die für eine Aufgabe nicht qualifiziert sind.
  • Anweisungsverschulden: Sie geben Ihren Mitarbeitern fehlerhafte Anweisungen.
  • Überwachungsverschulden: Sie überwachen Ihre Mitarbeiter nicht korrekt.

Beim Organisationsverschulden wird zwischen einer zivil- und einer strafrechtlichen Haftung unterschieden. Über die zivilrechtliche Haftung soll der Geschädigte (das kann auch der eigene Apothekenbetrieb sein!) Schadensersatz erhalten. Zusätzlich können Sie auch strafrechtlich belangt werden, wenn andere Menschen oder Vermögenswerte geschädigt werden.

Möglich ist auch, dass gleich mehrere Personen als Gesamtschuldner haften, so sie Mit- oder Nebentäter waren. Dazu ein Beispiel: Eine PTA hat in einer Filialapotheke eine fehlerhafte Rezeptur hergestellt und damit einen weitreichenden Schaden angerichtet. Dann kommen als Verursacher sowohl der Leiter des Filialverbundes als auch der Filialverantwortliche und schließlich die Mitarbeiterin in Betracht. Wenn in diesem Fall ermittelt werden soll, wer welchen "Beitrag" zum Schaden geleistet hat, sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Dazu gehört z.B. die räumliche Distanz zwischen Haupt- und Filialapotheke, die wiederum Informationsasymmetrien begründen kann. Daher gilt: Die Arbeitsbeziehung zwischen Inhaber und Filialleiter sollte bestmöglich funktionieren, damit es an dieser Stelle nicht zu Reibungsverlusten kommt.

Prävention als A und O

Wenn Sie alle notwendigen Maßnahmen treffen, die für die rechtssichere Betriebsorganisation und damit für die Vermeidung von Rechtsverstößen sorgen, haften Sie nur eingeschränkt. Zu diesen Maßnahmen zählen z.B.

  • eine aussagekräftige und korrekte Dokumentation aller Betriebsabläufe durch ein geeignetes Qualitäts-Management-System,
  • eine klare Regelung der Verantwortlichkeiten,
  • festgeschriebene und richtig durchgeführte Einweisungen bzw. Schulungen von Mitarbeitern,
  • regelmäßige Kontrollen wichtiger Abläufe und
  • Regelungen für Notfallsituationen.

Ergänzend zu diesen präventiven organisatorischen Maßnahmen, sollten Sie überprüfen, ob Ihr Versicherungsschutz so ausgestaltet ist, dass er die finanziellen Risiken Ihres Apothekenbetriebs minimiert. Es ist ratsam, einen erfahrenen Berater hinzuzuziehen, der Sie auch im Schadens- und Klagefall juristisch unterstützt.

Wer haftet wann?

Da Sie im Grundsatz für den ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb verantwortlich sind, wird man bei der Frage nach der Schuld eines Mitarbeiters in der Regel zuerst prüfen, ob ein Organisationsverschulden vorliegt, das Sie selbst zu verantworten haben. Aber auch wenn einem Mitarbeiter tatsächlich selbstverschuldet ein Fehler unterläuft, haftet er nur beschränkt. Denn Pannen gehören zum allgemeinen Betriebsrisiko. Sie müssen dann in einem möglichen Gerichtsverfahren beweisen, dass Ihr Angestellter arbeitsvertragliche Pflichten verletzt und dadurch einen konkreten Schaden – z.B. eine Retaxation – verursacht hat.

Sofern ein Mitarbeiter sorgfältig arbeitet, aber aus Versehen trotzdem einen Fehler macht, liegt leichte Fahrlässigkeit vor. Bei solch geringfügigen und zu entschuldigenden Pflichtverstößen, die praktisch jedem passieren können, haftet er nicht persönlich. Anders sieht es bei einer mittleren Fahrlässigkeit aus. Hier wird abgewogen, wie schwer das Verschulden und wie hoch der entstandene Schaden sind – und wie sich der Mitarbeiter zuvor verhalten hat. Der Schaden ist nach Billigkeitsgrundsätzen und im Rahmen der Zumutbarkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu teilen. Erst bei grober Fahrlässigkeit oder dem Vorsatz, den Schaden zu verursachen, muss der Arbeitnehmer für einen Teil oder auch für den vollen Betrag haften.

Denken Sie in diesem Zusammenhang daran, dass Sie eine Betriebshaftpflichtversicherung abschließen müssen. Fehlt diese nämlich, haben Sie auch bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers den Schaden allein zu tragen, sofern ihn andernfalls die Versicherung übernommen hätte.

Übrigens können Sie selbst bei grober Fahrlässigkeit dazu verpflichtet sein, den Arbeitnehmer ganz oder teilweise von der Zahlung des Schadens freizustellen – und zwar, wenn sein Gehalt in einem deutlichen Missverhältnis zu dem von ihm übernommenen Risiko steht. Das gilt grundsätzlich dann, wenn der Schaden ungefähr das Dreifache des Nettomonatseinkommens überschreitet – was im Apothekenbereich schnell möglich ist. Schließlich können die Schadenssummen hoch sein, wenn etwa Patienten infolge von Arzneimittelfalschabgaben schwer geschädigt werden.

Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass ein Mitarbeiter nur gegenüber Ihnen als Apothekenleiter von der Haftung freigestellt werden kann. Gegenüber dem Geschädigten sieht das anders aus: Dieser hat nämlich einen Anspruch darauf, dass ihm der Mitarbeiter den vollen Schaden ersetzt, unabhängig von dem mit der Tätigkeit verbundenen Risiko.

Die Beweislast liegt zwar grundsätzlich beim Geschädigten. Allerdings dreht sie sich um, wenn jemand seine Sorgfaltspflichten in besonders schwerwiegendem Maß verletzt und z.B. offenkundig erforderliche Maßnahmen zum Schutz eines kranken Menschen nicht ergreift. In solchen Fällen müssen Sie beweisen, dass Ihre Apotheke den Schaden nicht verursacht hat. Und auch bei Lücken in der Dokumentation liegt es an Ihnen zu beweisen, dass Sie entsprechende Sicherheitsmaßnahmen getroffen haben. Dabei gilt: Was nicht dokumentiert ist, wird als nicht durchgeführt angesehen! Hier kommt gegebenenfalls auch der sogenannte Anscheinsbeweis zum Tragen, wonach aus bestimmten Geschehensabläufen rechtliche Schlüsse gezogen werden dürfen.

Hinweis: Inzwischen gibt es noch die besonders grobe Fahrlässigkeit bei subjektiv unentschuldbarer Pflichtverletzung. Liegt sie vor, muss der Arbeitnehmer sogar einen großen Schaden allein tragen und kann ihn nicht vom Apothekenleiter zurückfordern.

Last but not least: Der Datenschutz

Seit Inkrafttreten der neuen EU-Datenschutzregeln sind bei der Aufsicht wesentlich häufiger als zuvor Pannen im Umgang mit Daten gemeldet worden, wie z.B. ein unzureichender Schutz gegen Hackerangriffe oder der Mailversand mit einem offenen Adressverteiler. Auch hier kann ein Organisationsverschulden ursächlich sein – was es selbstredend ebenfalls zu vermeiden gilt.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(22):14-14