Ihre Entscheidung

Medien-Sklaverei – oder frei?


Ute Jürgens

Durch die Nutzung der neuen Medien setzen wir uns einer Dauerabhängigkeit aus, die anscheinend schwierig zu durchbrechen ist. Was ist an "daueronline" so verlockend? Vom Wiederfinden der Selbstständigkeit und der Entscheidungsfreiheit.

Der dauernde Gebrauch des Smartphones beschert uns viele Erfolgserlebnisse: Wir bekommen zahlreiche Informationen und werden nicht nur beachtet, sondern "sogar" geliked. Unsere Bedürfnisse nach Belohnung und Selbstbestätigung lassen sich auf diese Weise einfach und schnell befriedigen. Der durchschnittliche Deutsche verbringt laut Statista in der Summe mehr als drei Stunden täglich im Internet.

Übrigens: Die folgenden Ausführungen gelten – zumindest in Teilen – auch für das Fernsehen. Hier liegt der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland Statista zufolge bei fast dreieinhalb Stunden täglich.

Die negativen Folgen

Es sind zwar nur kurze Momente, in denen der Dopamin- und der Serotoninspiegel bei einem "medialen Erfolgserlebnis", wie etwa einem Like, angenehm ansteigen. Je häufiger das jedoch geschieht, umso mehr Signale muss das Gehirn bewältigen. Und solch eine Dauerbereitschaft mündet letztlich in Stress.

Schlimmstenfalls kann die andauernde Mediennutzung zur Sucht werden. Dann verwenden wir Smartphone, Tablet und Co. nicht mehr nur, um das Nötige zu erledigen, sondern quasi ständig – obwohl uns die negativen Konsequenzen klar sind. So z.B. dass wir uns immer mehr zurückziehen und andere Menschen vernachlässigen. Dass wir unsere Arbeit gar nicht oder allenfalls schlecht erledigen. Dass wir nicht bewusst essen, sondern nur das, was gerade greifbar ist. Dass wir uns nicht bewegen. Und dass es im Urlaub genauso wie zu Hause weitergeht. Dabei gilt: Wenn eine richtige Sucht besteht, ist ärztliche Unterstützung nötig.

Nicht vernachlässigen sollten Sie, dass nicht nur die Abhängigkeit negative Folgen hat, sondern allein schon der ständige Blick auf einen Bildschirm. So führt das blaue Licht, das alle Bildschirme ausstrahlen, u.a. zu einer Verschlechterung des Sehvermögens, zu Stress und – gerade bei abendlicher Nutzung – zu Schlafstörungen. Gleichermaßen kann das oft kaum wahrnehmbare Lichtflimmern vieler Bildschirme Stress und eine verminderte Produktivität bedingen. Daher sollten Sie grundsätzlich den Blaulichtanteil Ihrer Bildschirme verringern, eventuell sogar – falls möglich – eine Blaulichtschutzbrille tragen und überdies flimmerfreie Geräte verwenden [1].

Zeit für einen Selbst-Check

Viele reden viel über "Digital Detox", aber nur wenige sind so konsequent, ihr Handy zeitweise auszuschalten, die Push-Nachrichtenfunktion zu deaktivieren oder andere Maßnahmen zu ergreifen.

Natürlich lässt sich die Mediennutzung – gerade für Sie als Chef – nicht komplett einschränken. Im Büro, aber auch im Handverkauf kommen Sie wohl kaum um den Blick auf den Computer herum. Aber beobachten Sie doch mal, wie lange und wie oft Sie selbst täglich auf Ihr Smartphone oder Tablet schauen. Wie viel Zeit davon könnten Sie anderweitig – vor allem auch kommunikativ mit Ihren Mitmenschen – verbringen? Sofern Sie die neuen Medien vor allem in Sachen Apotheke benutzen, stellt sich überdies die Frage, ob die unentwegte Geschäftigkeit so elementar für Sie ist, dass Sie sich keine echten Pausen mehr gönnen wollen? Denn schließlich bieten echte Pausen sowohl Ihrem Gehirn als auch Ihrem Körper Erholung.

Insofern sollten Sie zwischendurch auch mal aus dem Fenster schauen und die Augen schweifen lassen. Machen Sie einen kurzen Spaziergang um den Block! Oder unterhalten Sie sich einfach mit Kollegen über Nichtfachliches.

Digital Detox: Was tun?

Fragen Sie sich zunächst, was Sie befürchten, wenn Sie weniger Zeit mit den Medien verbringen würden, und was "daueronline" für Sie persönlich – über die tatsächlich wichtigen Informationen hinaus – so reizvoll macht. Wenn Sie diese Fragen ehrlich beantworten, brechen Sie damit Bahn für einen sinnvollen Umgang mit den verschiedenen Geräten.

Sofern Sie zu dem Schluss kommen, dass Sie "Medien-Sklave" geworden sind, können Ihnen die folgenden Strategien helfen, wieder Herr Ihrer Zeit zu werden [2]:

  • Definieren Sie für sich handyfreie Zonen und Zeiten in der Wohnung und an Ihrem Arbeitsplatz, z.B. bei Sitzungen, bei gemeinsamen Mahlzeiten, im Bad oder im Schlafzimmer.
  • Tragen Sie das Handy nicht mit sich herum, sondern legen Sie es so hin, dass Sie immer extra aufstehen und zum Tisch oder in einen anderen Raum gehen müssen, um darauf zu schauen. Wer siegt: Die Trägheit oder die Neugier?
  • Bleiben Sie während der ersten Stunde nach dem Aufstehen und während der letzten Stunde vor dem Schlafengehen offline.
  • Deinstallieren Sie E-Mail-Apps von Ihren mobilen Endgeräten, und nutzen Sie Ihren Desktop-PC für Ihren Mailverkehr – zu wenigen, vorab definierten Zeitpunkten.
  • Behalten Sie nur Apps, die – wie z.B. Wetter-, Kartendienst- oder Fahrplan-Apps – ein nützliches Werkzeug für Sie sind und die keine Abhängigkeit verursachen.
  • Löschen Sie Apps bzw. Funktionen, die ständig Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wie z.B. über Push-Nachrichten.
  • Löschen Sie Icons auf Ihren Bildschirmen, damit Sie nicht der Versuchung erliegen, hier und da nochmal schnell etwas anzutippen.
  • Tragen Sie eine Armbanduhr: Wenn Sie wissen wollen, wie viel Uhr es ist, müssen Sie nicht mehr aufs Handy schauen – und werden nicht mehr dazu verleitet, "mal eben schnell" auch alles andere zu regeln.
  • Wenn Langeweile aufkommen sollte: Halten Sie sie aus! Nicht zuletzt ist ein "freies Gehirn" Voraussetzung dafür, dass Sie sich erholen können und kreativ sind.
  • Definieren Sie für jeden neuen Tag ein persönliches Highlight! Konzentrieren Sie sich darauf und genießen Sie es!

Wenn Ihnen all dies schwer fällt, zeigt das, wie hoch Ihre Abhängigkeit schon ist. Betrachten Sie das Ganze also ruhig als Experiment. Denn schließlich können Sie jederzeit wieder in die Situation zurück, in der nicht Sie das Smartphone kontrollieren, sondern vielmehr das Smartphone Sie.

Vorbild sein

Wie gehen eigentlich Ihre Angestellten mit den neuen Medien um? Haben sie das Smartphone in der Kitteltasche und lassen auch während der Arbeitszeit keine Gelegenheit aus, um darauf zu schauen? Oder nutzen sie es nur, um Informationen für die Kunden nachzuschlagen?

Als Chef haben Sie eine Vorbildfunktion für Ihre Mitarbeiter. Sie können nicht selber die ganze Zeit auf Ihrem Smartphone daddeln, während Sie Ihrem Team das als "Privatsache" verbieten. Besprechen Sie sich also untereinander: Wie können alle voneinander lernen? Wer kontrolliert seine eigene Mediennutzung am besten und kann den anderen Tipps geben?

Im Privaten sind Sie natürlich auch Vorbild – insbesondere für Ihre Kinder. Und die verfallen den neuen Medien noch viel schneller als Erwachsene.

Fazit

Achten Sie auf Ihren gesunden Menschenverstand, der Ihnen schon immer gesagt hat, dass es alles andere als gesund ist, wenn Sie andauernd nur auf den Bildschirm schauen und sich ständig ablenken lassen. Nichtsdestotrotz erleichtern uns die neuen Medien natürlich auch Vieles im Leben. Wie sollten eben nur lernen, sie auf eine gesunde Art und Weise zu nutzen.

Quellen

[1] Wunsch, A.: Die Kraft des Lichts – Warum wir gutes Licht brauchen und schlechtes Licht uns krank macht, riva Verlag: München 2019
[2] Knapp, J., Zeratsky, J.: Mehr Zeit – Wie man sich auf das Wichtigste konzentriert, Redline Verlag: München 2019
Ein Video mit weiteren interessanten Informationen zum Thema finden Sie auf: planet-wissen.de

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(23):12-12