Das Marketing-Konzept für Ihre Apotheke (Teil 17)

Amazon und Co. verändern den Markt: Verfügbarkeit ist Trumpf!


Frank Weißenfeldt

Bei Starbucks können Sie Ihren Latte macchiato mobil bestellen und bezahlen. Media Markt bietet "Online-Abholern" reservierte Parkplätze an. Und ganz oben thront sowieso Amazon. Welche Bedeutung hat das für die Apotheke? Und welche Chancen können sie nutzen?

Das vierte "P" im Marketing-Mix steht für Place (Distributions-Politik). Dazu zählt neben der Lage der Apotheke auch die Produktverfügbarkeit (vgl. AWA 17/2019).

Immer wichtiger: "P" wie Place

Der Standort ist seit jeher einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren für eine Apotheke. In Zeiten der Digitalisierung und der Lieferengpässe gewinnt aber auch die Produktverfügbarkeit immer mehr an Bedeutung. So ist sie laut einer Studie der Unternehmensberatung Sempora der wichtigste Faktor für die Wahl einer Apotheke.

Ein Vergleich der schwedischen Metropolen Stockholm und Göteborg zeigt zudem, dass die Verfügbarkeit in Form einer schnellen Lieferfähigkeit einen wesentlichen Einfluss darauf hat, auf welchem Weg Patienten ihre Arzneimittel erwerben: Während ein Online-Besteller in Göteborg rund 24 Stunden auf sein rezeptpflichtiges Medikament wartet, erhält er sein Arzneimittel in der schwedischen Hauptstadt bereits nach zwei Stunden. Entsprechend beliebt ist der Versand insbesondere von Rx-Präparaten in Stockholm – während er in Göteborg nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Der Grund für die extrem unterschiedlichen Lieferzeiten in den beiden schwedischen Ballungsräumen ist übrigens die unterschiedliche Distribution. Während die Versender im Großraum Stockholm sehr viele Lagerstätten haben, fehlt diese logistische Voraussetzung in Göteborg weitgehend.

Am Rande bemerkt: Die Erstattungspreise sind in Schweden einheitlich geregelt, und es gibt grundsätzlich auch keine regionalen Preisunterschiede bei den Lieferkosten. Ferner wird der schwedische Markt von einheimischen Akteuren bestimmt, sodass ein wettbewerbsverzerrendes Phänomen wie hierzulande auszuschließen ist – nämlich ausländische Versender, die mit längeren Spießen kämpfen dürfen.

Erfolgsfaktor Lieferservice

Ein Lieferservice ist ein wesentliches Element, mit dem Sie bei Ihren Kunden punkten können. So haben der erwähnten Sempora-Studie zufolge auch über 70% aller Apotheken in Deutschland während der letzten Jahre ihre Botendienstaktivitäten erhöht.

Seit der jüngsten Änderung der Apothekenbetriebsordnung darf der Botendienst nicht mehr nur im "Einzelfall", sondern vielmehr auf Kundenwunsch erfolgen. Arzneimittel müssen dabei durch pharmazeutisches Personal zugestellt werden, sofern der Patient zuvor nicht beraten worden ist und sofern – bei Rx-Arzneimitteln – das Rezept nicht in der Apotheke vorliegt. Hinzu kommt, dass Sie und Ihr Team zukünftig nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, sondern auch telefonisch beraten dürfen.

Insofern haben Sie nun auch – rechtlich abgesichert – mehr Möglichkeiten als zuvor, Ihren Kunden das Leben durch den Botendienst zu erleichtern. Ausklammern wollen wir dabei natürlich nicht, dass Sie auch mit einer Versandhandelserlaubnis vor der Haustür Ihrer Kunden (noch einfacher) präsent sein können.

Attraktive Öffnungszeiten

Für berufstätige Verbraucher bleibt oft nur ein sehr geringes Zeitfenster zwischen Arbeit und Ende der Öffnungszeiten, um ihre Arzneimittel abzuholen bzw. weitere Artikel in der Apotheke zu kaufen. Begrenzte Öffnungszeiten des stationären Einzelhandels im Allgemeinen und der Apotheken im Speziellen tragen daher beachtlich dazu bei, dass die Kunden Zeitdruck empfinden. Durch die Anfahrt und die Parkplatzsuche wird der Stress beim Einkauf noch verstärkt.

Dieser Stress dürfte zumindest teils ursächlich dafür sein, dass über 70% aller Kunden – und somit auch etliche von Ihren Kunden – bereits mindestens einmal über eine Versandapotheke Arzneimittel bestellt haben. Nichtsdestotrotz: Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten bevorzugen 78% die lokale Apotheke. Attraktive Öffnungszeiten wären daher z.B. ein probates Mittel, um Online-Besteller zurückzugewinnen bzw. für Ihre Apotheke zu begeistern – gerade weil rund 70% aller Verbraucher die Beratung in der Apotheke schätzen und dem Rat des Apothekers vertrauen.

Die Chance, Kunden über attraktive Öffnungszeiten zu binden, erkennen auch immer mehr Apotheken. Geschäftszeiten während der Woche von 7:00 bis 20:00 Uhr und am Samstag von 8:00 bis 18:00 Uhr sind auch in kleineren Städten heute keine Seltenheit mehr. In der Regel lassen sich über längere bzw. unorthodoxe Öffnungszeiten auch völlig neue Zielgruppen erreichen.

Ist Pick-up eine Alternative?

Bereits in der Einleitung haben wir Sie auf aktuelle Services etwa von Starbucks und Media Markt aufmerksam gemacht. Aber auch im Apothekenumfeld lässt sich Ähnliches beobachten. So haben Drogeriemärkte ebenso wie Versandhandelsapotheken (rechtlich teils fragwürdige) erste Erfahrungen mit Pick-up-Stationen gesammelt. Und norwegische Apothekenkunden bestellen online und holen ihre Arzneimittel später in der lokalen Apotheke ab.

Insbesondere die Kombination aus Online-Bestellung, exklusiven Selbstbedienungs-Kassen und reservierten Parkplätzen für Online-Kunden könnte je nach Fall und rechtlicher Zulässigkeit auch für viele Vor-Ort-Apotheken ein interessantes Geschäftsmodell sein – vereint dieser Ansatz doch Vorteile der Offline- und Online-Apothekenwelt.

Übrigens: Laut der Sempora-Studie ist bei 65% aller Apotheken mittlerweile eine Online-Bestellung möglich.

Ein Netzwerk lokaler Apotheker

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg von Amazon ist der hohe Bekanntheitsgrad des Internet-Giganten. Aber auch Versandapotheken arbeiten an diesem kritischen Erfolgsfaktor. So kennen z.B. über 70% der deutschen Verbraucher DocMorris. Zurückzuführen ist das nicht zuletzt auf Presseartikel und Kampagnen wie die aktuelle: "Das E-Rezept kommt!"

Kenner des Apothekenmarktes kritisieren bereits seit einiger Zeit, dass noch viel zu viele Apotheken isoliert und fast ausschließlich offline arbeiten. Während einige Kollegen zwar bereits in die Zukunft investiert haben, ist für diverse Apotheken das Faxgerät immer noch das Hauptkommunikationsmedium. Und so verwundert es auch nicht, dass immer noch zu wenige Kunden auf Vor-Ort-Apotheken-Apps oder -Online-Shops aufmerksam werden und sie nutzen. Es fehlt vielerorts noch an Durchschlagskraft, um in Zukunft mit Akteuren aus der digitalen Welt mithalten zu können.

Ein Ansatz für Vor-Ort-Apotheken könnte demzufolge der Aufbau einer Marke bzw. eines Netzwerks sein, über das alle die Möglichkeit haben, sich online miteinander auszutauschen. Interessant wäre es auch, die Botendienste der Vor-Ort-Apotheken bundesweit zu bündeln und dabei statt auf Konkurrenz auf Kooperation zu setzen. Eine höhere Lieferfähigkeit und schnellere Lieferungen wären die Folge. Diverse Spieler im Markt arbeiten schon an Lösungen, so z.B. Online-Apotheken-Lieferservices à la Curacado und Pillentaxi, Apothekenkooperationen, Rechenzentren sowie Softwarehäuser.

Fazit

Das E-Rezept ist im Anmarsch. Damit wird sich der Wettbwerb im Apothekenmarkt noch einmal verschärfen. Stationäre Apotheken müssen sich verstärkt auf diese und andere Entwicklungen vorbereiten. Hilfreich dabei können ein hervorragender Lieferservice, attraktive Öffnungszeiten und Pick-up-Konzepte mit weiteren Service-Komponenten (wie z.B. reservierte Parkplätze für Online-Abholer) sein. Diese Instrumente gilt es in die Distributions-Politik Ihres Marketing-Mixes einzubinden.

Literatur

Hoffmann, P.: Verpflichtender Botendienst ab 2020? – Apotheker sollten umgehend reagieren

Rohrer, B.: Wie sehr hilft das E-Rezept dem Versandhandel?

Sempora Consulting GmbH (Hrsg.): 15. Apothekenmarktstudie 2018

Weißenfeldt, F.: Das E-Rezept und der Versand von Rx-Arzneimitteln, in: digital health 03/2019, S. 39–41

Weißenfeldt, F.: Die Zukunft der Apotheke ist digital und lokal, in: pharmind 10/2018, 1344–1349

Weißenfeldt, F.: Differenzierung und Positionierung als Basis für die Zukunftsfähigkeit

Weißenfeldt, F.: Premium-Apotheken

Frank Weißenfeldt, Diplom-Betriebswirt und MBA, Associate Director, IQVIA Commercial, Frankfurt/Main, E-Mail: Frank.Weissenfeldt@iqvia.com

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(24):12-12