Zum Jahreswechsel

Denkanstöße für 2020


Prof. Dr. Reinhard Herzog

2019 geht seinem Ende entgegen. Viele Hoffnungen hatte man vor allem in die Gesetzgebung gesetzt – manche Enttäuschung ist geblieben. Derweil machen die Marktentwicklungen nicht halt. Einige Denkanstöße möchten wir Ihnen hier für das Neue Jahr mitgeben.

Der Jahresausklang ist die Zeit für philosophische und strategische Zukunftsbetrachtungen, verbunden mit einer eigenen Standortbestimmung. Wo stehe ich, wo will ich hin? Bin ich überhaupt (noch) überzeugt von dem, was ich täglich tue bzw. gegen meine Überzeugungen tun muss? Sehe ich mein Einkommen als einen Verdienst an, der durch einen gesellschaftlichen Mehrwert gerechtfertigt ist – oder als eine Art Schmerzensgeld? Wo setze ich meine Prioritäten – im Privaten oder im Beruf? Welche Werte sind mir wichtig und nicht verhandelbar? Ist die Apotheke nur meine Lebensgrundlage, weil es an Alternativen mangelt (wirklich?) und ich einfach ein gewisses Einkommen brauche, um meine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen? Oder stehe ich immer noch voller Überzeugung zu meiner Tätigkeit? Diese ehrliche Bestandsaufnahme und "Psycho-Inventur" ist elementar, um vernünftige Wege in die Zukunft zu skizzieren:

  • Will ich konsequent den Wachstums- und Expansionspfades im klassischen Apothekenmarkt beschreiten, quantitativ oder auch vorrangig qualitativ (Voraussetzung: vorhandenes Marktpotenzial im jeweiligen Marktumfeld)?
  • Benötige ich mehr oder weniger nur noch ein "Versorgungskonzept" bis zum Ausstieg ("Erntephase", Risiko: kontinuierlicher Marktanteilsverlust und Geschäftswerteinbuße)?
  • Will ich mich gezielt etwas Neuem abseits des klassischen Apothekengeschäfts zuwenden, sei es in verwandten Bereichen mit Schnittmengen zum Bisherigen oder womöglich etwas ganz Anderem?

Betrachten Sie weiterhin Ihr bevorzugtes Leistungsspektrum. Sehen Sie sich vorrangig als ...

  • ... Logistiker und "Versorgungs-Apotheker" (was heute abseits aller Beratungs- und Heilberufslyrik mehrheitlich so ist)?
  • ... Berater und Heilberufler mit dem Drang zu intensiverem Dialog mit Ihren Kunden bzw. Patienten, weil Sie einfach mehr bewirken wollen?
  • ... Manager und Stratege, der mit scharfem Blick das Wichtige im Auge behält, Wege ebnet und Strippen zieht, die Detailarbeit und das Tagesgeschäft aber gerne delegiert?

Legen Sie nun diese einzelnen Ebenen (Prioritäten und Selbstüberzeugung, materieller Bedarf, Wachstums- oder Defensivstrategien auf den verschiedenen Feldern und in den verschiedenen Leistungsdimensionen) übereinander. Praktisch können Sie jede genannte Frage oder Eigenschaft/Position auf eine kleine Karte schreiben und diese dann je nach Grad der Zustimmung anordnen. Wenn Sie die Karten vom heutigen Ist- in Richtung zukünftigem Wunsch-Zustand verschieben, lässt sich daraus ein gutes Stück weit der grobe Umriss Ihres Zukunftspfades ablesen (Abbildung 1).

Ausblick 2020

Vielleicht überdenken Sie angesichts der allgemeinen Aussichten noch einmal Ihre oben vorgenommenen Einordnungen. Prinzipiell sehen die Prognosen für das kommende Jahr gar nicht schlecht aus. Die Umsatz- und Ertragsentwicklung dürfte sich nämlich in etwa so fortsetzen, wie wir das aus den vorherigen Jahren gewohnt sind.

Einschließlich der "Friedhofsdividende", die eher höher ausfallen dürfte (u.a. weil Viele den Weg zum E-Rezept und in die weitergehende Digitalisierung nicht mehr mitgehen werden), sollten für die einzelne Apotheke um die 4% oder gar etwas mehr Umsatzsteigerung möglich sein. Der Offizin-Gesamtmarkt sollte weiter um rund 3% wachsen können, wobei ein hoher Anteil auf die hochpreisigen, innovativen Präparate entfallen dürfte. Der Rohertrag wird voraussichtlich dahinter zurückbleiben, doch ein Plus von 2% bis 3% scheint möglich. Einen kleinen Anteil daran (0,5%-Punkte oder etwa 2.700 € je Apotheke im Durchschnitt) haben die erhöhten Notdienstpauschalen und Gebühren für Betäubungsmittelrezepte.

Tabelle 1 skizziert, vom heutigen Stand einer 2,5-Mio.-€-Apotheke ausgehend, zwei Szenarien. Zum einen die durchschnittlich zu erwartende Variante: Plus 4% Umsatz, plus knapp 3% Rohertrag (trotz Spannenschwung um etwa 0,25%-Punkte), plus 3% Personalkosten (neue Tarifrunde, bisheriger Tarif läuft nur bis Ende 2019), plus 1,5% sonstige Betriebskosten sowie gleiche Zinsen und Abschreibungen. Die Vorsorgeaufwendungen steigen gemäß den gesetzlichen Erhöhungen (ca. 1.000 € jährlich). Für Investitionen in das E-Rezept nehmen wir eine Zusatzbelastung von 4.000 € nach Zuschüssen an.

Das zweite Szenario geht von einer Umsatz- und Rohertragsstagnation aus. Die übrigen Bedingungen ändern sich ansonsten genauso wie im ersten Szenario.

Sofern Sie "marktkonform" mitschwimmen, sind die Aussichten ganz ordentlich. Ausweislich der Tabellenwerte ist ein Einkommensplus "netto unter dem Strich" oberhalb der Inflationsrate wahrscheinlich. Wer jedoch stagniert und nicht von Schließungen sowie einem guten Ärzteumfeld (das den größten Teil des Wachstums trägt) profitiert, muss sich im Zuge steigender Kosten auf spürbare Rückgänge gefasst machen.

Gleiche Roherträge bei den erwarteten Kostensteigerungen bedeuten ein kräftiges Minus beim Nettoeinkommen von 10%. Einberechnet ist der Einkommensteuertarif 2020, der minimale Entlastungen verspricht. Zudem lohnt ein Blick auf die einzelnen prozentualen Veränderungsraten. So sinkt die Steuerbelastung deutlich und mildert damit das Stagnationsszenario etwas ab.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(24):4-4