Das etwas andere (Weihnachts-)Märchen – die Fortsetzung

Von Fröschen, bösen Störchen und Artenschutz


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Es war einmal ein schöner Teich inmitten der Natur. Zahlreiche Frösche lebten dort in Frieden, ruhten gern still in Sehrohrtiefe und lauerten auf Mücken. Diese Idylle war aber schon länger empfindlich gestört. Mächtige Störche und listige Reiher hatten die Frösche kräftig dezimiert. Zudem sank der Wasserspiegel im Zuge ausbleibenden Regens immer weiter ab. "Auf dem Trockenen zu sitzen" wurde eine reale Zukunfts-Dystopie für die kleinen grünen Springer. Guter Rat war teuer. Für teure Löhne hatte man viele Berater engagiert: Die kluge Eule etwa gab den Tipp, doch selbst fliegen zu lernen, um den Raubvögeln zu entkommen. Oder man könne doch einfach auf dem beschwerlichen Landweg umziehen, wie der schlaue Fuchs nicht ohne Hintergedanken an ein trockenes Fell, aber einen wohl gedeckten (Frosch-)Tisch anmerkte. Für all die vielen klugen Ratschläge galt: Außer Spesen und Honoraren nichts gewesen! Die Frösche mussten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

So tagte der Ältestenrat viele Male. Längeres Abtauchen war angesagt. Nur entging den Fröschen dadurch viel vom schönen Sonnenlicht, zum Luftholen mussten sie immer wieder auftauchen, und die Mücken waren als Tieftaucher auch nicht zu bekommen. Reiher und Storch mit ihren schrecklichen langen Beinen und messerscharfen Schnäbeln wagten sich immer weiter in den Teich vor, dessen Wasserstand im Zuge der furchtbaren Dürren ja stetig sank. Da half es nicht allzu lange, dass sich die Frösche besser vernetzt hatten und sich gegenseitig warnten. Die Vögel waren einfach übermächtig und konnten stundenlang still in der Deckung lauern. Die Zeit spielte ihnen schlicht in die Hände – bzw. vielmehr in die Schnäbel.

Nun wurde im Ältestenrat nach endlosen Beratungen hinter verschlossenen Türen schließlich der Vorschlag geboren, Storch und Reiher einfach eine Glocke umzuhängen. Die langen Hälse sollten sich doch bestens dafür eignen. Die Begeisterung über die geniale Idee war nach all den Frustrationen riesig, schien diese Maßnahme doch geeignet, die Frösche der Lösung ihrer Probleme näher zu bringen. Die Euphorie fand jedoch ein jähes Ende, als der kleine Zwergfrosch leise nachfragte, wer denn eigentlich den Vögeln die Glocke umhängen solle?

Die Stimmung begann zu kochen. Erstmals wehte ein Hauch von Revolution durch das pazifistische und von steten "Standing Ovations" für die Oberen gekennzeichnete Froschparlament. Einige Frösche fassten sich ein Herz und starteten eine Petition an die eigentlich misstrauisch beäugten Menschen. Doch Froschschenkel waren ja hierzulande außer Mode, und die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie samt Artenschutz galt doch auch für Amphibien und ihren schönen Teich.

Somit forderte die Petition, die verhassten Vögel dem Jagdrecht zu unterstellen und sie notfalls abzuschießen, ersatzweise aber doch wenigstens umzusiedeln. Schon vor längerer Zeit hatten die Frösche von ihren Nachbarn, den scheuen Eidechsen aus dem Stuttgarter Bahnhofsumfeld, erfahren, dass solche Umsiedelungen im Tierreich durchaus üblich waren. So hatte man eben auch jene Eidechsen aus ihrem Talkessel umgesiedelt, damit irgendwann einmal (wenn überhaupt je?) Züge durch ihr ehemaliges Habitat fahren könnten. Warum sollte dies nicht auch für solche – aus Sicht der Frösche äußerst hässlichen und überflüssigen – Vögel wie Reiher und Störche möglich sein?

Die Antwort der zuständigen Stellen war indes ernüchternd: Vögel seien schließlich ebenfalls streng geschützte Arten, eine Bejagung sei strikt ausgeschlossen. Eine Umsiedelung träfe auf zahlreiche praktische Probleme. Zudem gälten eben die Marktgesetze der Natur einschließlich des "Survival of the Fittest" – und die Artenvielfalt sei ausdrücklich erwünscht!

Und so harren die Frösche immer noch auf eine Lösung ihrer Probleme. Immerhin: Mit der Fortpflanzung klappt es noch einigermaßen, und manch altkluger Oberfrosch hat sich mit der Situation gut arrangiert – schließlich trifft der Hieb der Vogelschnäbel vor allem die Kleineren und Unerfahrenen. Auch im Niedergang gibt es Gewinner!

Den ersten Teil finden Sie im AWA Nr. 24/2018!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(24):19-19