Rückabgewickelte Baudarlehen

Danach schlägt das Finanzamt zu


Helmut Lehr

Wer sein altes Baudarlehen wegen falscher bzw. fehlender Widerrufsbelehrung erfolgreich rückabwickelt, erhält von seiner Bank mitunter stattliche Beträge zurück. Ob dafür Kapitalertrag- bzw. Einkommensteuer fällig wird, ist umstritten.

Bis Mitte des Jahres 2016 konnten Darlehensnehmer bestimmte ältere Darlehensverträge widerrufen, sofern diese eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthielten. In Anbetracht der langanhaltenden Niedrigzinsphase haben zahlreiche Bankkunden davon Gebrauch macht. Unter bestimmten Umständen können "neuere" Immobilienkredite sogar heute noch widerrufen werden, wenn die Bank nicht alle notwendigen Informationen bei Vertragsabschluss zur Verfügung gestellt hat.

Hinweis: Zahlreiche Rückabwicklungsfälle landeten vor Gericht, weil sich die Banken (zunächst) weigerten, die Darlehensnehmer vorzeitig aus dem Vertrag zu entlassen. Nicht selten "einigte" man sich auch im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs. Die Kreditinstitute zahlten dann eine Summe X, um alle gegenseitigen Ansprüche abzugelten.

Steuerliche Behandlung umstritten

Wer mit seinen Einlassungen gegenüber der Bank erfolgreich war, muss sich damit beschäftigen, wie die "Rückerstattungen" steuerlich korrekt behandelt werden. Weil die Banken hier keine Fehler machen woll(t)en, haben sie zumindest in der Vergangenheit dazu tendiert, im Zweifel den gesamten Betrag der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen. Die Finanzämter argumentierten dann häufig, sie seien an die kapitalertragsteuerliche Beurteilung der Banken gebunden.

Sofern die Zahlungen der Banken als Rückzahlung von zu hohen Zinsen und damit quasi als Schadensersatz zu werten sind, dürften sie als nicht steuerbar einzustufen sein. Entfällt allerdings ein Teil der Zahlung unterm Strich auf die Nutzung der Zins- und Tilgungsbeträge, die vom Darlehensnehmer an die Bank geleistet wurden, und liegt damit eine Art Nutzungsersatz vor, dürfte es sich voraussichtlich um einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge handeln. Diese Auffassung vertritt mittlerweile auch das Bundesfinanzministerium (vgl. Schreiben vom 12.04.2018, Aktenzeichen: IV C 1 – S 2252/08/10004 :21).

Hinweis: Die zivilrechtlich exakte Berechnung etwaiger Rückzahlungsbeträge ist im Einzelnen sehr komplex und beinhaltet meist mehrere gegenseitige Ansprüche, die faktisch miteinander "verrechnet" werden.

Zahlung aufgrund eines Vergleichs

Haben sich Darlehensnehmer und Bank außergerichtlich (oder gerichtlich) auf einen Vergleich geeinigt, ist die steuerliche Beurteilung schwierig. Denn dann liegt kein klares Urteil vor, in dem die ausgezahlten Beträge konkret bezeichnet sind. Über einen solchen Fall hatte kürzlich das Finanzgericht Köln zu entscheiden (Urteil vom 14.08.2019, Aktenzeichen: 14 K 719/19).

Im Streitfall hatte eine Bank aufgrund eines Vergleichs 4.225 € an den Kläger gezahlt. Die Parteien waren sich darüber einig, dass mit Abschluss der Vergleichsvereinbarung "sämtliche Ansprüche aus dieser Darlehensangelegenheit erledigt" seien. Die Bank sah in der Summe einen insgesamt steuerpflichtigen Kapitalertrag, führte eine dementsprechende Kapitalertragsteuer ab und stellte eine Steuerbescheinigung aus.

Der Kläger vertrat gegenüber dem Finanzamt die Auffassung, dass es sich hier aufgrund der Rückabwicklung um eine "steuerfreie" Entschädigungszahlung handele. Das Finanzamt hingegen argumentierte, dass es an die Steuerbescheinigung der Bank gebunden sei und dass die Parteien durch den geschlossenen Vergleich ausdrücklich auf eine förmliche Rückabwicklung verzichtet hätten. Demzufolge könne der Rückzahlungsbetrag nicht als Schadensersatz für überhöhte Zinszahlungen beurteilt werden.

Die Klage hatte zumindest teilweise Erfolg. Dabei hat das Finanzgericht Folgendes klargestellt:

  • Die Entscheidung darüber, ob die Zahlung der Bank als steuerpflichtiger Kapitalertrag zu werten ist, hängt in derartig gelagerten Fällen von der zivilrechtlichen Qualifikation der Geldleistung ab.
  • Dabei muss berücksichtigt werden, dass der steuerliche Tatbestand, der Erträge aus "sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" umfasst (vgl. §20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Nr. 7 Einkommensteuergesetz), sehr weit auszulegen ist.
  • Zivilrechtlich ist der Vergleichsbetrag teilweise als Herausgabe von bzw. Wertersatz für Nutzungenzu beurteilen, die die Bank aus den laufenden Zins- und Tilgungsleistungen gezogen hat – und teilweise als Rückerstattung von zu viel bezahlten Zinsen.
  • Die Rückerstattung der überhöhten Zinszahlungen unterliegt nicht der Einkommensteuer.
  • Der "Nutzungsersatz" ist hingegen als steuerpflichtiger Kapitalertrag zu erfassen.

Hinweis: Zusätzlich hat das Finanzgericht festgestellt, dass die insoweit von der Bank falsch ausgestellte Steuerbescheinigung keine Bindungswirkung für das Finanzamt hat.

Verfahren geht in die nächste Runde

Der Kläger ist weiterhin der Meinung, dass die gesamte Zahlung der Bank als nicht steuerbare Entschädigung zu beurteilen ist. Deshalb hat er gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) erhoben (Aktenzeichen: VIII R 30/19).

Hinweis: Bis zu einer abschließenden Entscheidung durch den BFH sollten Sie die Versteuerung der "Nutzungsentschädigung" in ähnlichen Fällen nicht akzeptieren und das Verfahren offenhalten.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(02):16-16