Das Marketing-Konzept für Ihre Apotheke (Teil 18)

Der richtige Standort für Ihre Apotheke


Frank Weißenfeldt

"Lage, Lage, Lage", lautet eine Weisheit aus der Immobilienbranche. So ist der Standort auch für Apotheken ein wichtiger Erfolgsfaktor. Auf welche Aspekte sollten Sie beim Kauf und bei der Potenzialentwicklung achten? Und welche Bedeutung hat der Standort in der Zukunft?

Laut einer Studie von Prof. Dr. Gerhard F. Riegl, Augsburg, ist der Standort für 73% aller Apothekenkunden ein entscheidender Faktor, sich für eine bestimmte stationäre Apotheke zu entscheiden – und liegt damit gleich nach der "Freundlichkeit" auf dem zweiten Platz. Interessanterweise sagen aber nur 57% der Apothekenteams, dass der Standort einen Verbraucher veranlasse, eine Apotheke zu bevorzugen. Unterschätzt das Apothekenpersonal also die Bedeutung der Lage, die ebenso wie die Produktverfügbarkeit zu "Place", dem vierten "P" im Marketing-Mix, zählt (vgl. auch AWA 24/2019)?

Einzugsgebiet und unmittelbare Nachbarschaft

Ärztehäuser bzw. (Fach-)Arztpraxen, Einkaufszentren, Fußgängerzonen, Parkplätze, Treppen – ja selbst Laufwege innerhalb der Innenstädte können den wirtschaftlichen Erfolg einer Apotheke massiv beeinflussen. Nach Prof. Dr. Dieter Benatzky, Bad Endorf, sollten Apotheker bei der Standortwahl daher zwei Phasen unterscheiden:

  • In der ersten Phase betrachtet man das Einzugsgebiet, um das Umsatz- bzw. Verschreibungspotenzial im weiteren Umfeld der Apotheke zu ermitteln.
  • In der zweiten Phase analysiert man die unmittelbare Nachbarschaft, um die Attraktivität der Apotheke im direkten Umfeld und damit die Ausschöpfung des Potenzials optimal zu gestalten.

Dabei typisiert Benatzky Apothekenlagen folgendermaßen:

  • Innenstadtlagen mit einer hohen Anzahl an Laufkundschaft (z.B. Fußgängerzonen),
  • Lage an einer Aneinanderreihung von Geschäften an (verkehrsreichen) Hauptstraßen,
  • Lage in sekundären Geschäftsgebieten mit eher niedriger Passantenfrequenz,
  • Lage in Wohngebieten,
  • Lage in Vororten und dörflichen Regionen,
  • eine Sonderlage in Ärztehäusern und
  • eine Sonderlage in Einkaufszentren.

Weitere Sonderlagen sind Bahnhöfe und Flughäfen. Darüber hinaus unterscheiden sich touristisch attraktive Städte und Gemeinden erheblich von Regionen, die nicht oder weniger durch den Fremdenverkehr geprägt sind.

Zwei Methoden, um dasEinzugsgebiet zu ermitteln

Nachfolgend stellen wir Ihnen zwei Methoden vor, mit denen sich das Einzugsgebiet einer Apotheke bestimmen lässt. Bei der ersten bestimmt man auf einer Landkarte zunächst alle benachbarten Vor-Ort-Apotheken. Anschließend sind jene Orte zu definieren, die zeitlich genauso schnell von der jeweils nächsten dieser Apotheken zu erreichen sind wie von der eigenen. Auf der Karte zeichnet man dann entsprechende Grenzlinien ein. Das so definierte Gebiet um die eigene Apotheke ist das primäre Einzugsgebiet. Hier wohnt der Löwen-Anteil der Kunden – nämlich zwischen 50% und 80%. Das sekundäre Einzugsgebiet geht darüber hinaus und umfasst 15% bis 25% der Kunden. Im tertiären Einzugsgebiet befinden sich die restlichen Kunden. Sie suchen die eigene Apotheke nur selten auf.

Wichtig: Bei dieser Methode ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass Apotheken im Umfeld, die etwas Besonderes bieten (z.B. viele Parkplätze), womöglich eine größere Reichweite haben als die eigene Apotheke und daher das eigene Einzugsgebiet begrenzen.

Bei der zweiten Methode erfasst man zunächst alle Verordnungen und markiert anschließend auf einer Karte die Wohnorte aller Patienten. So lässt sich direkt sehen, wo das primäre, das sekundäre und das tertiäre Einzugsgebiet liegen.

Das Kundenpotenzial für Sicht- und Freiwahlprodukte ergibt sich aus der Anzahl der Menschen im Einzugsgebiet. Bei der Berechnung sind die Pendler zu berücksichtigen: Auspendler werden subtrahiert, Einpendler addiert.

Um das Umsatzpotenzial zu ermitteln, wird der am betrachteten Standort mögliche Gesamtumsatz bestimmt. Hierbei handelt es sich um die Summe der Erlöse

  • aus Rezepten zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung,
  • aus Privat-Rezepten,
  • aus der Abgabe von apothekenpflichtigen bzw. freiverkäuflichen Arzneimitteln und
  • aus dem Verkauf von Ergänzungssortiment-Produkten.

Dieses Potenzial sollten Sie mit demjenigen an anderen Apothekenstandorten vergleichen.

Standortfaktoren: Eine Auswahl

Besonders wirken sich die Anzahl und die Fachrichtungen der Arztpraxen im Einzugsbereich und mehr noch in der unmittelbaren Nachbarschaft auf die Standortqualität aus. Ideal sind Ärztehäuser. Darüber hinaus kommt es auch auf das Alter der entsprechenden Ärzte und die angebotenen Sprechstunden an.

Ein weiterer Indikator für die Standortqualität ist die Kaufkraft, die ja einen entscheidenden Einfluss auf die Preisbildung und den Abverkauf hat (vgl. auch AWA 23/2019). Kaufkraftunterschiede spiegeln sich u.a. in den Wohnungsmieten wider – und zwar nicht nur zwischen Regionen und Städten, sondern auch innerhalb der Städte, der Stadt- und der Ortsteile. Während man beispielsweise in der Kölner Altstadt durchschnittlich rund 16 €/m2 Kaltmiete zahlt, sind es in einigen nördlichen Bezirken der Domstadt nur knapp über 6 €/m2. Im Vergleich zur bayerischen Landeshauptstadt wirken jedoch selbst Kölner Spitzenmieten geradezu bescheiden, wird in der Münchner Altstadt doch fast die 26-€-Marke geknackt.

Insbesondere in Sachen unmittelbare Nachbarschaft ist auf die Passantenfrequenz zu achten. Arzneimittel sind eben keine "Shopping Goods", die die Kunden beim Flanieren entdecken. Vielmehr werden sie benötigt und daher gezielt besorgt. Umso wichtiger sind für die Apotheke daher Frequenzbringer, wie z.B. Fußgängerzonen, öffentliche Verwaltungen, Cafés und Restaurants sowie Supermärkte und Discounter mit Produkten des täglichen Bedarfs.

Eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr – vor allem durch Haltestellen von Straßenbahn, Bus oder U-Bahn in unmittelbarer Nähe – sowie ausreichend (kostenlose) Park- bzw. Haltemöglichkeiten sind ebenfalls unverzichtbar. Es muss aber auch gewährleistet sein, dass sich die Apotheke gut zu Fuß erreichen lässt. Wenn der Kunde die Wahl zwischen zwei Apotheken am gleichen Standort hat, wird er im Zweifel die für ihn bequemer erreichbare Option wählen.

Letztendlich müssen Sie den Effekt aller (hier nur in Teilen vorgestellten) Standortfaktoren quantifizieren. Zahlen, Daten und Fakten können Sie im Internet recherchieren oder beispielsweise auch von Verbänden, Statistischen Ämtern und Marktforschungsunternehmen erhalten.

Nur die Lage reicht nicht mehr!

Wie lange ein guter Standort allein noch ausreichend ist, um genügend Ertrag zu erwirtschaften, bleibt abzuwarten. Schließlich kann sich bereits jeder dritte (potenzielle) Kunde vorstellen, rezeptfreie Produkte bei Amazon zu bestellen. Und für jeden vierten Apotheker wäre es eine Option, mit dem Internetgiganten zu kooperieren – zumal es nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis Arzneimittel auch durch die Versender innerhalb weniger Stunden geliefert werden können.

Mit dem E-Rezept wird die "Versender-Problematik" noch weiter wachsen. Und die zunehmende Digitalisierung trägt – auch in diesem Zusammenhang – dazu bei, dass sich der Wettbewerb im Apothekenmarkt zukünftig verschärfen wird.

Für stationäre Apotheken, die lediglich auf einen günstigen Standort setzen, könnte dies zum Problem werden. Sie sollten daher an ihrem Marketing-Konzept arbeiten und die diversen Chancen nutzen, die sich durch Kundenbindungsprogramme, eine aktive Preisgestaltung, den Botendienst und Co. bieten.

Quellen

Frank Weißenfeldt, Diplom-Betriebswirt und MBA, Associate Director, IQVIA Commercial, Frankfurt/Main, E-Mail: Frank.Weissenfeldt@iqvia.com

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(02):8-8