Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung

Ein Update zu den wichtigen Neuerungen


Dr. Bettina Mecking

Bereits am 1. Juli 2019 ist der neue Rahmenvertrag in Kraft getreten. Allerdings steht die Welt nicht still. Und so gibt es inzwischen schon einige relevante Nachbesserungen, die unter anderem den Umgang mit Parallel- und mit Importarzneimitteln betreffen.

Im AWA 12/2019 haben wir Sie über die wesentlichen Neuerungen informiert, die der neue Rahmenvertrag (RV) nach §129 Sozialgesetzbuch (SGB) V mit sich gebracht hat. Inzwischen haben sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) schon auf Anpassungen geeinigt.

Änderungen, erste Runde

Die erste Änderungsvereinbarung ist bereits zum 1. November 2019 in Kraft getreten. Neu ist seitdem:

Nach §2 Abs. 13 RV bleibt ein als "außer Vertrieb" (AV) gekennzeichnetes Arzneimittel bei der Abgaberangfolge nach §10ff. RV – die vier preisgünstigsten Präparate oder Importe – unberücksichtigt. Es darf noch abgegeben werden, wenn es die Austauschkriterien des RV erfüllt.

Weiterhin dürfen nicht verkehrsfähige Artikel nach §2 Abs. 14 RV nicht abgegeben werden. Sie bleiben daher bei der Abgaberangfolge unberücksichtigt.

Überdies muss nach §17 Nr. 4 RV nun in dringenden Fällen (Akutversorgung, Notdienst) zweierlei differenziert werden, wenn der Arzt nur eine N-Bezeichnung verordnet hat:

  • Wenn keine Packung vorrätig ist, die dem verordneten Normbereich entspricht, ist eine Packung aus dem nächstkleineren Normbereich abzugeben. Ist eine solche nicht vorrätig, darf die kleinste normierte Packung geliefert werden – allerdings nur, wenn die Stückzahl nicht höher ist als im verordneten Normbereich.
  • Wenn der verordnete Normbereich nicht definiert ist, ist der nächstkleinere in der Packungsgrößenverordnung definierte Normbereich die Obergrenze für die abzugebende Packungsgröße.

Beide Neuregelungen dürfen nur angewendet werden, wenn die alternativen Packungen in der Apotheke vorrätig sind.

Außerdem wurde Anlage 1 zum RV um einen Wirkstoff – Teriparatid – erweitert. Hier sind die biotechnologisch hergestellten Fertigarzneimittel Terrosa® und Movymia® nunmehr austauschfähig.

Am Rande: Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und antineoplastische Arzneimittel zur parenteralen Anwendung gehören seit dem 17. Dezember 2019, dem Tag der Verkündung des "Gesetzes zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland und zu weiteren Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch", nicht mehr zum importrelevanten Markt (vgl. §129 Abs. 1 Satz 10 SGB V).

Änderungen, zweite Runde – gültig seit 1. Januar 2020

Die Einordnung von patentgeschützten Präparaten, die von mehreren Originalherstellern unter zwei Warenzeichen mit gleichen Indikationen vertrieben werden ("Parallelarzneimittel"), hat bislang Probleme bereitet. Unter anderem diese Probleme sollen mit der zweiten Änderungsvereinbarung aus der Welt geschafft werden. Bereits am 1. Januar 2020 sind die folgenden Regelungen in Kraft getreten:

Nach §2 Abs. 15 RV werden Parallelarzneimittel, die übrigens nun in der Apothekensoftware gekennzeichnet sind, weitestgehend wie Präparate behandelt, zu denen es keine Generika, sondern nur Importe gibt. Ist ein Parallelarzneimittel oder ein "normales" patentgeschütztes Präparat verordnet und gibt es einen Rabattvertrag, muss der Rabattartikel abgegeben werden.

Gibt es keinen Vertrag, ist laut §9 Abs. 2 Satz 2 RV grundsätzlich die Abgabe von Referenz-, Import- und preisgünstigen Importarzneimitteln möglich. Es darf allerdings nur ein Fertigarzneimittel ausgewählt werden, das nicht teurer als das namentlich verordnete ist. Das heißt: Ist das Original verordnet, stehen Ihnen in der Regel das Original inklusive Parallelarzneimittel(n) und sämtliche Importe zur Verfügung.

Sind Parallelarzneimittel ohne Aut-idem-Kreuz oder mit der Wirkstoffbezeichnung verordnet, dürfen Sie gemäß §12 Abs. 2 RV nur das jeweils preisgünstigste der Parallelarzneimittel abgeben. Kosten alle parallel vertriebenen Originale das Gleiche, haben Sie die freie Wahl. Importarzneimittel zu allen Parallelarzneimitteln sind abgabefähig, wenn sie nicht teurer als das preisgünstigste Parallelarzneimittel sind.

Sind Arzneimittel, die nur direkt vertrieben werden, nicht lieferbar, reicht es nach §2 Abs. 11 Sätze 7 und 8 RV jetzt aus, wenn Sie sich deswegen einmalig beim pharmazeutischen Unternehmer rückversichern. Von diesem erhalten Sie dann einen Beleg über die Verfügbarkeitsanfrage, aus dem mindestens der abgefragte Händler, Ihr Institutionskennzeichen sowie die abgefragte Pharmazentralnummer (PZN) hervorgehen. Die Uhrzeit muss nicht angegeben werden.

Das wichtige Thema "Ersatzverordnung bei Rückruf" ist nun in §31 Abs. 3 Satz 7 SGB V explizit geregelt: Eine Verordnung gilt dann als Ersatzverordnung, wenn dies entsprechend auf ihr vermerkt ist und sie neben einem Zifferneintrag im Personalienfeld eine Sonderkennzeichnung aufweist. Auf der Ersatzverordnung kann nur das zu ersetzende Arzneimittel verordnet werden – das übrigens für den Patienten zuzahlungsfrei ist. Sie müssen auf dem Rezept dann noch das vereinbarte Sonderkennzeichen auftragen.

Will die GKV Gewährleistungsansprüche gegen pharmazeutische Unternehmen geltend machen, weil diese mangelhafte Arzneimittel in Verkehr gebracht haben, mit denen Versicherte versorgt worden sind, müssen Sie nach §31a RV zukünftig daran mitwirken. So sind Sie z.B. in solchen Fällen verpflichtet, Auskünfte zu erteilen oder entsprechende Unterlagen und Kaufbelege zur Verfügung zu stellen.

Hinweis: Die Regelungen, die bereits seit dem 1. Januar 2020 gelten, werden voraussichtlich erst zum 1. Februar 2020 in der EDV abgebildet sein. Ihnen kann daraus aber kein Nachteil entstehen. Denn die neuen Regelungen sind weiter gefasst. Wenn Sie also im Januar noch die in Ihrer EDV abgebildeten alten Regelungen anwenden, besteht keine Retaxgefahr. Gleichwohl dürfen Sie die Neuerungen natürlich bereits jetzt umsetzen.

Änderungen, zweite Runde – gültig ab 1. Februar 2020

Die nachfolgenden Regelungen der zweiten Änderungsvereinbarung zur Abgabe von Importarzneimitteln sind ab dem 1. Februar 2020 anzuwenden:

Nach §2 Abs. 7 Satz 5 RV gelten Importarzneimittel als unwirtschaftlich, wenn ihr für den Versicherten maßgeblicher Abgabepreis höher ist als der des Referenzarzneimittels.

Nach §13 Abs. 2 Satz 2 RV durften Sie Importarzneimittel auch bisher schon bis zum Preis des namentlich verordneten Arzneimittels ("Preisanker") abgeben. Der neue Satz 3 schränkt diesen Spielraum für den Fall ein, dass die entsprechend abgabefähigen Arzneimittel Mehrkosten für den Versicherten verursachen: Dann nämlich sind aufzahlungsfreie Fertigarzneimittel zu bevorzugen.

Wenn sämtliche zur Auswahl stehenden Arzneimittel den einschlägigen Festbetrag überschreiten, sind sie nach dem ebenfalls neuen Satz 4 von §13 Abs. 2 RV allesamt abgabefähig. Jedoch müssen Sie sich dann für ein Präparat mit einer möglichst geringen Aufzahlung entscheiden.

Eine weitere Änderung betrifft die Preisabstandsberechnung: In der neuen Fassung von §2 Abs. 8 Satz 4 RV wird nun klar ausgedrückt, dass sowohl vom Preis des Importarzneimittels als auch vom Preis des Referenzarzneimittels jeweils der gesetzliche Rabatt abzuziehen ist. So heißt es auch bei den Definitionen von "preisgünstig" für die drei verschiedenen Preiskategorien jetzt nicht mehr lediglich "Abgabepreis", sondern vielmehr "Abgabepreis des Referenzarzneimittels abzüglich der gesetzlichen Rabatte." Die Preisgrenzen bei 100 € und 300 € beziehen sich demnach in der neuen Fassung nicht etwa auf den Import, sondern auf das Original – allerdings eben nach Abzug der gesetzlichen Rabatte.

Wichtig: Nach §13 Abs. 2 Satz 5 RV gilt ein Import, dessen Abgabepreis über dem des Referenzarzneimittels jeweils abzüglich der gesetzlichen Rabatte liegt, ausnahmsweise nicht als unwirtschaftlich.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(02):14-14