Betriebsübergänge und -schließungen

Was hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse zu beachten ist


Dr. Markus Rohner

Wird eine Apotheke verkauft oder geschlossen, spielt das Schicksal der Arbeitsverträge in der Praxis eine große Rolle. Ausschlaggebend sind die Fürsorgepflicht des (alten) Arbeitgebers und – je nach Fall – die Interessen des Übernehmers. Einige Besonderheiten gilt es dabei zu berücksichtigen.

Grundlegend für die Rechte und Pflichten bei Betriebsübergängen ist §613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der somit in vielen Fällen als scharfes Schwert greift.

Was regelt § 613a BGB?

§613a Abs. 1 BGB regelt, dass die Arbeitsverhältnisse beim Übergang eines Betriebs oder eines Betriebsteils durch ein Rechtsgeschäft unverändert von einem Arbeitgeber auf seinen Nachfolger übergehen. Dabei dürfen sie grundsätzlich nicht vor Ablauf eines Jahres geändert oder wegen des Betriebsübergangs gekündigt werden – es sei denn, Entsprechendes ist durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen vorgegeben.

Auskunft zu Haftungsfragen gibt §613a Abs. 2 BGB: Demnach haften der bisherige und der neue Arbeitgeber für Verbindlichkeiten, die gegenüber dem Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind, als Gesamtschuldner.

Nach §613a Abs. 5 BGB muss entweder der bisherige oder der neue Arbeitgeber die Arbeitnehmer in Textform über den Betriebsübergang unterrichten, und zwar bevor dieser stattfindet.

Nach §613a Abs. 6 BGB haben die Arbeitnehmer anschließend einen Monat Zeit, um dem Übergang zu widersprechen – mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zum ehemaligen Inhaber bestehen bleiben würde. In diesem praktisch seltenen Fall müsste letzterer das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfristen beenden. Möglich wäre das, weil aus seiner Sicht eine Beendigung des Betriebs vorliegt, die eine Kündigung rechtfertigt. Praktisch viel relevanter ist heute jedoch die Frage, wie und unter welchen Bedingungen dem neuen Inhaber das Personal erhalten bleibt.

Was geschieht bei Verkäufen, Verpachtungen und Co.?

Wird eine Apotheke als gesamtes Unternehmen verkauft, liegt der klassische Anwendungsfall des §613a BGB vor. In der Regel werden dann das Anlagevermögen, die immateriellen Rechte, der Kundenstamm und das Warenlager vom Käufer übernommen. Unabhängig davon, ob der Apothekenname beibehalten wird oder nicht, handelt es sich dabei arbeitsrechtlich um einen Betriebsübergang. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Forderungen und Verbindlichkeiten in der Regel nicht mitveräußert werden.

Wie bereits aufgezeigt, hat der Betriebsübergang zur Folge, dass auch die Arbeitsverhältnisse übergehen. Weil der neue Inhaber somit in die bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt, sollte er diese sorgfältig prüfen, so z.B. auch, ob Zusatzleistungen versprochen oder vereinbart sind. Denn auch diese werden automatisch übernommen.

Abgrenzungsfragen zu Einzelaspekten wie zu Überstunden bzw. einem Urlaubsausgleich (insbesondere bei einem unterjährigen Betriebsübergang) sind übrigens sinnvollerweise detailliert im Kaufvertrag zu regeln.

Wird eine insolvente Apotheke erworben, findet §613a BGB – anders als andere Haftungsregelungen für den Erwerber – ebenfalls Anwendung. Aber Vorsicht: Hier fordern die bisherigen Inhaber häufig, dass die Erwerber sie vollständig von allen Kosten freistellen, z.B. auch dann, wenn ein Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widerspricht und damit auf der Payroll des bisherigen Inhabers bleibt. Das müssen die Erwerber so allerdings nicht akzeptieren.

Wird eine Filiale verkauft, liegt arbeitsrechtlich in der Regel die Veräußerung eines Betriebsteils vor. §613a BGB gilt dann ebenfalls: Der neue Inhaber übernimmt die Arbeitsverhältnisse mit denjenigen Mitarbeitern, die in der Filiale beschäftigt sind. Das gilt auch dann, wenn der bisherige Inhaber mit allen Mitarbeitern – unabhängig von deren "Zugehörigkeit" zu einer bestimmten Apotheke des Filialverbundes – einheitliche Arbeitsbedingungen vereinbart hatte. Hier kommt es darauf an, wo die entsprechenden Mitarbeiter tatsächlich überwiegend ihre Tätigkeit ausüben. Das kann im Einzelfall zu schwierigen Abgrenzungen führen.

§613a BGB kommt überdies zum Tragen, wenn eine Apotheke verpachtet wird. Gleiches gilt auch für die Gründung einer offenen Handelsgesellschaft (OHG): Nimmt ein Apotheker einen weiteren Apotheker auf und führt die Apotheke gemeinsam mit ihm als OHG fort, liegt ein Betriebsübergang von einem einzelnen Apotheker auf die OHG vor.

Verstirbt ein Inhaber und geht seine Apotheke auf einen anderen Apotheker als Nachfolger über, tritt dieser auch in alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein. Die Sonderregelung des §613a BGB findet dann keine Anwendung.

Problemfall: Apothekenschließung

Das gilt auch, wenn eine Apotheke dauerhaft geschlossen wird, denn dann findet selbstredend kein Betriebsübergang statt. In diesem Fall darf der Inhaber die Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt beenden – sofern er die Kündigungsfristen beachtet. Voraussetzung: Er hat die Absicht, den Betrieb vollständig aufzugeben. Das ist indes nicht der Fall, wenn noch über einen möglichen Verkauf verhandelt wird.

Problematisch wird es, wenn eine Apotheke geschlossen und nach einer bestimmten Zeit wieder eröffnet wird. Hier liegt unter Umständen eine Fortführung durch den neuen Inhaber vor. Wann von einer endgültigen Stilllegung gesprochen werden kann, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Im Fall eines Bekleidungsgeschäfts genügte es dem Bundesarbeitsgericht, dass ein Zeitraum von neun Monate vergangen war (Urteil vom 22.05.1997, Aktenzeichen: 8 AZR 101/96).

Eine nur vorübergehende Schließung reicht jedenfalls für eine endgültige Betriebsaufgabe nicht aus. Sie würde dazu führen, dass die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam wären und der neue Apothekeninhaber die Arbeitsverhältnisse fortführen müsste.

Sehr problematisch ist es in diesem Zusammenhang, wenn eine Filiale geschlossen wird. Zwar handelt es sich bei einer Filiale grundsätzlich um einen Betriebsteil, der sich gesondert verkaufen lässt. Dennoch werden bei einer Filialschließung die Arbeitsverhältnisse in der Gesamtheit betrachtet – also sowohl diejenigen in der Hauptapotheke als auch diejenigen in den Filialen. Das hat zur Folge, dass – Kündigungsschutz vorausgesetzt – eine betriebsbedingte Kündigung nur nach den Grundsätzen der Sozialauswahl unter allen Arbeitnehmern (und nicht nur denjenigen in der Filiale) möglich ist.

Unter Umständen ist sogar eine Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit erforderlich – z.B. dann, wenn in einer Apotheke mit mehr als 20 und weniger als 60 Mitarbeitern mehr als fünf Entlassungen erfolgen sollen (vgl. §17 Kündigungsschutzgesetz).

Im Detail muss die Schließung einer Filiale also arbeitsrechtlich sehr sorgfältig vorbereitet werden, da sie eine Fülle von Fragestellungen und Problemen birgt.

Was gilt bei Mischformen?

Denkbar ist auch eine Mischform aus Betriebsschließung und Verkauf: Die Apotheke wird geschlossen, und der bisherige Inhaber verkauft das Anlagevermögen ebenso wie den Kundenstamm an einen benachbarten Apotheker, der in der Lage ist, die Kunden weiter zu versorgen.

Bei den zugrunde liegenden Verträgen ist schon grundsätzlich höchste Sorgfalt anzuwenden. Für die Arbeitsverhältnisse gilt: Der neue Inhaber geht das Risiko ein, sie fortführen zu müssen, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen auf ihn übertragen werden – und somit tatsächlich keine Betriebsaufgabe, sondern ein Betriebsübergang im Sinne von §613a BGB vorliegt.

Festzuhalten bleibt, dass die unterschiedlichsten Regelungsvarianten denkbar sind und daher jeder Einzelfall sorgfältig geprüft werden sollte.

Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt, Partner der RST Beratungsgruppe, 45128 Essen, E-Mail: mrohner@rst-beratung.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(05):14-14