Lieferengpässe zumindest leicht abfedern

Welche Stellschrauben das Warenlager bietet


Torsten Feiertag

Das Thema "Warenlager" ist schon so ein Dauerbrenner für Apotheken. In Anbetracht der derzeitigen Lieferengpässe gewinnt es aber zusätzlich an Bedeutung. Betrachten wir daher noch einmal ein paar wenige "Essentials" und überlegen uns, worauf es heute besonders ankommt.

"Sorry, dieses Medikament haben wir gerade nicht auf Lager. Und auch bei unserem Großhändler ist es anscheinend nicht vorrätig. Wir versuchen aber, es irgendwie zu bekommen und schicken dann schnellstmöglich den Botendienst bei Ihnen vorbei." Zu solchen oder ähnlichen Situationen kommt es vermutlich auch bei Ihnen derzeit leider allzu häufig.

Sofern sich – gegebenenfalls nach Absprache mit dem Arzt – keine pharmazeutisch sinnvolle Alternative finden lässt, werden die Patienten in der Regel versuchen, ihr Medikament bei der Konkurrenz zu erhalten. Vielleicht kommen sie dann später, wenn sie wieder etwas benötigen, zurück in Ihre Apotheke – im schlimmsten Fall allerdings bleiben sie für immer fern.

Gelingt es Ihnen indes, möglichst viele Patientenwünsche direkt zu bedienen, lässt sich der Mehrwert leicht ableiten:

  • ein willkommener Rohgewinn,
  • zufriedene Patienten, die ihre Arzneimittel auch zukünftig in Ihrer Apotheke holen,
  • Neukundengewinnung, nicht zuletzt auch über entsprechende Mund-zu-Mund-Propaganda,
  • weniger frustrierte und damit zufriedene Mitarbeiter sowie
  • last, but not least, Sie als zufriedener Apothekenleiter.

Die Kennzahlen nicht vergessen!

Ein Patentrezept für den Umgang mit Lieferengpässen gibt es wohl leider nicht. Nichtsdestotrotz hilft es, regelmäßig in die Warenwirtschaft zu schauen, um die Kennzahlen im Blick zu behalten. Zentral sind beispielsweise die folgenden beiden:

  • Der durchschnittliche Wert des Warenlagers: Im Verhältnis zum Umsatz liegt er gewöhnlich bei 5% bis 6% – ausgenommen sind dabei Hochpreiser sowie der Innenumsatz bei Filialen. Schaut man sich Apotheken an, die (fast) immer lieferfähig sind, dann liegt dieser Wert bei 7% bis 8%.
  • Der Lagerumschlag: Er sagt aus, wie häufig sich das Warenlager "erneuert". Einer Faustformel zufolge liegt der durchschnittliche Lagerumschlag bei zwölfmal im Jahr. Will heißen: Das Warenlager dreht sich einmal pro Monat. Der Lagerumschlag ist übrigens umso geringer, je höher der durchschnittliche Wert des Warenlagers im Verhältnis zum Umsatz liegt.

Wenn Sie bei diesen beiden Kennzahlen Schwankungen bemerken, können das erste Anzeichen dafür sein, dass Ihre Patienten Lieferengpässe wahrnehmen.

Breit oder tief?

Aufgrund der Rabattverträge musste in der Vergangenheit sehr stark in die Breite gelagert werden: Notwendig war also eine Vielzahl verschiedener Artikel. Durch die Lieferengpässe wird derzeit aber auch die Warenlagertiefe zunehmend wichtig – also die Packungsanzahl eines ganz konkreten Artikels.

Entscheidend für die Frage, ob tief oder breit gelagert wird, ist immer auch die Finanzierung des Warenlagers. In der Vergangenheit vertrat man häufig die Meinung, dass die gelagerte Ware Kapital binde. Heute, zu Zeiten der Nullzins-Politik, kann es aber eine kluge Entscheidung sein, eben genau in das Warenlager zu investieren – insbesondere wenn Sie mit überschüssigem Geld Ihre Lieferfähigkeit erhöhen.

Tipp: Sofern Sie nicht über geeignete Geldrücklagen zur Warenlagerfinanzierung verfügen, sollten Sie sich nicht scheuen, Ihre Hausbank, den Großhandel oder auch die Rezeptabrechnungsstelle um Unterstützung zu bitten. Es rechnet sich für beide Seiten!

Torsten Feiertag, Steuerberater, 12161 Berlin, E-Mail: feiertag@stb-feiertag.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(05):6-6