Prozesskosten wegen Ehescheidung

Werbungskostenabzug möglich


Helmut Lehr

Seit dem Jahr 2013 sind Zivilprozesskosten dem Grunde nach nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Geht es bei einem Scheidungsverfahren auch um den nachehelichen Unterhalt, könnten Sie die Ausgaben allerdings anteilig als Werbungskosten geltend machen.

Aufwendungen für einen "privaten" Rechtsstreit sind keine außergewöhnlichen Belastungen (§33 Abs. 2 Satz 4 Einkommensteuergesetz). Etwas anderes gilt nur, wenn Sie ohne diesen Rechtsstreit Gefahr liefen, Ihre Existenzgrundlage zu verlieren und Ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können. Lediglich dann dürfen Sie die dafür anfallenden Kosten entsprechend geltend machen (vgl. AWA 6/2019).

Hinweis: Nach eindeutiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind auch die Kosten einer Ehescheidung von dem Abzugsverbot betroffen (Urteil vom 18.05.2017, Aktenzeichen: VI R 9/16).

Nachehelicher Unterhalt

Nun ist es häufig so, dass im Rahmen eines gerichtlichen Scheidungsverfahrens auch Regelungen zum Unterhalt getroffen werden. Erhält ein "Ehepartner" nachehelichen Unterhalt, muss er diesen unter bestimmten Voraussetzungen als sonstige Einkünfte versteuern (§22 Nr. 1a Einkommensteuergesetz). Und Ausgaben im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen sind regelmäßig steuerlich abziehbar, entweder als Betriebsausgaben oder – im privaten Bereich – als Werbungskosten.

Da liegt es eigentlich auf der Hand, dass zumindest derjenige Teil der gerichtlichen bzw. anwaltlichen Scheidungskosten als Werbungskosten abzugsfähig sein könnte, der auf die Regelung der Unterhaltsleistungen entfällt.

Steuerzahlerfreundliche Gerichtsentscheidung

In diesem Sinne hat nun auch das Finanzgericht Münster entschieden (Urteil vom 03.12.2019, Aktenzeichen: 1 K 494/18 E). Im Streitfall "erstritt" die Klägerin im Rahmen eines Vergleichs vor dem Oberlandesgericht einen nachehelichen Unterhalt von 900 €/Monat. Darauf entfielen offenbar unstreitig anteilige Prozesskosten von rund 5.000 €. Diese Aufwendungen sind nach Auffassung des Gerichts Werbungskosten, da sie mit dem Ziel verausgabt wurden, nachehelichen (steuerpflichtigen) Unterhalt zu erlangen.

Hinweis: Dem Werbungskostenabzug steht nach Ansicht des Finanzgerichts auch nicht entgegen, dass das Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht durch einen einvernehmlichen Vergleich beendet wurde – und nicht etwa durch ein rechtskräftiges Urteil.

Sonderausgabenabzug für den Zahlenden

Das Gericht hat den Werbungskostenabzug bejaht, obwohl zum Zeitpunkt des Vergleichs noch gar nicht feststand, dass die Unterhaltszahlungen zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Denn: Solche Unterhaltszahlungen sind nur dann steuerpflichtig, wenn der Unterhaltsgeber (hier: der frühere Ehemann) die Zahlungen als Sonderausgaben absetzt – also ein sogenanntes Realsplitting stattfindet. Und dafür muss der Unterhaltsgeber erst einen ausdrücklichen Antrag stellen (vgl. §10 Abs. 1a Einkommensteuergesetz). Abzugsfähig sind dann als Basisbetrag bis zu 13.805 €/Jahr.

In der Praxis wird dieser Antrag durch Abgabe der "Anlage U" gestellt. Auf dieser Anlage muss derjenige Ex-Partner, der den Unterhalt empfängt (Unterhaltsnehmer), seine Zustimmung erteilen. Damit entscheidet er faktisch zugleich darüber, dass er die Unterhaltszahlungen als sonstige Einkünfte zu versteuern hat. Seine steuerlichen Nachteile sollte er sich natürlich wiederum ausgleichen lassen.

Hinweis: Unterm Strich ergibt das Realsplitting insbesondere in solchen Fällen Sinn, in denen der Unterhaltsgeber deutlich höhere Einkünfte als der Unterhaltsnehmer erzielt, sodass die Beteiligten in der Gesamtschau ihre Steuerbelastung spürbar mindern.

Antrag des Ehemanns entscheidend

Im Streitfall waren die Prozesskosten im Ergebnis deshalb als Werbungskosten abzugsfähig, weil die Ehefrau die Anlage U unterschrieben und damit ihr Einverständnis zum Sonderausgabenabzug ihres geschiedenen Mannes gegeben hatte. Dies führte wiederum dazu, dass sie die Unterhaltszahlungen versteuern "musste", mithin also steuerpflichtige Einkünfte erzielt hat, die sie zum Werbungskostenabzug berechtigten.

Hinweis: Hätte die Klägerin ihre Zustimmung nicht erteilt, wären ihr keine steuerpflichtigen sonstigen Einkünfte entstanden, und ein Werbungskostenabzug wäre nicht möglich gewesen. Allerdings könnte die Zustimmung zum Realsplitting gegebenenfalls auch gerichtlich durch den Unterhaltsgeber eingeklagt werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Finanzverwaltung ist mit der Gerichtsentscheidung nicht einverstanden und hat Revision beim Bundesfinanzhof erhoben (Aktenzeichen: VI R 1/20). Bis dieser abschließend entschieden hat, sollten Sie in vergleichbaren Fällen den Werbungskostenabzug beantragen und ablehnende Bescheide offenhalten.

Übrigens: Das Finanzgericht musste im Streitfall zwar nicht mehr darüber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Kosten der Prozessführung wegen des nachehelichen Unterhalts eventuell auch als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein könnten. Für zukünftige Verfahren dürfte diese Frage allerdings interessant sein, denn schließlich könnte ja in der Tat auch einmal eine akute Existenzgefährdung im Raum stehen.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(05):16-16