Mehr als nur Stunden

Zeit – unsere kostbarste Ressource!


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Alles auf der Welt ist limitiert (mit Ausnahme der Dummheit?) und hat insoweit einen gewissen Wert. Die Ressource Zeit ragt dennoch als etwas Besonderes heraus, denn sie begrenzt unser aller Handeln in gleicher Weise. Trotzdem gehen wir damit oft sehr großzügig um.

Um die 30.000 Tage oder an die Dreiviertelmillion Stunden währt ein typisches Menschenleben hierzulande, fast niemand erreicht 40.000 Tage oder gar eine Million Stunden. Je nachdem, wie sehr Sie sich "reinhängen" müssen (oder wollen), verbringen Sie mehr oder weniger deutlich über 100.000 Stunden davon im Betrieb. Dem können Sie Ihr "Lebenseinkommen" netto unter dem Strich gegenüberstellen. Lohnt sich das?

Wie kostbar Zeit ist, sehen Sie an Ihren Personalkosten sowie an den wirklich freien Stunden, die Ihnen täglich noch verbleiben. Einen enormen "Kursschub" bekommt die Ressource Zeit, wenn eine schwere Krankheit oder ein vorgerücktes Lebensalter die Endlichkeit alles Irdischen immer deutlicher werden lassen.

So lohnt es sich, über eine "Stundenbilanz des Lebens" nachzudenken: Wo bleibt die Zeit? Viele Menschen verschlafen übrigens schlicht viel von ihrer Lebenszeit, weil sie (wirklich?) sieben, acht oder gar mehr Stunden Ruhe täglich benötigen. Diverse Tagesroutinen verbrauchen ebenfalls eine Menge Zeit. Geht das nicht einfacher oder effektiver? Und gar nicht so wenige wissen selbst mit freien Augenblicken erstaunlich wenig anzufangen. Beginnen Sie daher mit einer Tagesbilanz Ihrer Zeit: Wofür verwenden Sie Ihre Minuten und Stunden (Checkliste)? Steht dem ein adäquater Ertrag gegenüber, oder wenigstens Vergnügen, Entspannung und ein Fortkommen in geistiger bzw. kultureller Hinsicht? Oder ist die Zeit einfach vertan?

Versehen Sie daher Ihre eigene Zeit mit einem "Preisschild" und einer Priorität: Steht Einkommen obenan (unter Maximierung des Stundenertrages) – oder zählt Ihre Freizeit mehr?

Betriebskennzahlen

Richten wir den Blick auf den Betrieb. Ganz oben steht die Ermittlung der Arbeitsstunden, die zum einen bezahlt ("Vertragsstunden"), zum anderen aber effektiv nach Urlaub und sonstigen Fehlzeiten erbracht werden (reale Arbeitszeit). Interessanterweise weiß kaum ein Inhaber um diese Werte.

Typischerweise umfasst eine 40-Wochenstunden-Vollzeitstelle rund 2.085 Vertragsstunden jährlich, effektiv gearbeitet werden davon in der Regel 1.700 bis 1.750 Stunden. Etwa ein Sechstel der bezahlten Stunden bleibt im Schnitt für Urlaub und Krankheit "auf der Strecke". Sie sollten diese Stundensummen laufend erfassen. Idealerweise lassen sich die realen Stunden mittels einer heute zumeist elektronischen Arbeitszeiterfassung – die gesetzlich demnächst sowieso droht – präzise bilanzieren. Ansonsten verwenden Sie obige Richtwerte. Nebenbei erlauben genaue Stundenkonten fehlzeitenabhängige Prämien- und Bonifizierungs-Modelle und vermeiden Ärger bei Betriebsprüfungen. Ausgehend von diesen Stundensummen können Sie nun wichtige Kennzahlen bilden:

  • Zeitaufwand je Kunde auf Basis real gearbeiteter Stunden. Heutige Werte liegen bei rund zehn bis elf Minuten über alle Funktionsbereiche hinweg.
  • Das Gleiche mit der Gesamtpackungszahl als Bezugsgröße. Hier liegen durchschnittliche Werte bei etwa sechs Minuten je Packung.
  • Die durchschnittlichen Personalgesamtkosten je Arbeitsstunde (real bzw. vertraglich). Hier liegen die meisten Apotheken in einem Bereich von 25 € bis 30 €, im Durchschnitt ziemlich genau in der Mitte.

Wie so oft zählen nicht so sehr die absoluten Werte, die sich je nach Apotheken- und Absatzstruktur stark unterscheiden. Elf Minuten je Kunde sind z.B. in einer Center-Apotheke katastrophal. Entscheidend ist, wie sich diese Kennzahlen über die Jahre hinweg entwickeln. Steigen sie immer weiter und sehr deutlich, gilt es nachzuforschen.

Wenn wir über Leistung (also die erbrachte Arbeit je Zeiteinheit) reden, dann müssen wir auch den "Durchsatz" an Kunden und Packungen betrachten, und zwar gesamthaft je Öffnungsstunde sowie individuell je Mitarbeiter und Stunde in seinen jeweiligen Arbeitsbereichen, also:

  • Kunden und Packungen je Öffnungsstunde insgesamt bzw. in einzelnen Stunden des Tages,
  • Kunden und Packungen je einzelne Mitarbeiterstunde im jeweiligen Arbeitsbereich, insbesondere im Handverkauf.

Um lange Öffnungszeiten zu rechtfertigen und um den Personaleinsatz effizient zu planen, sind die einzelnen Stunden des Tages an den einzelnen Wochentagen genauer zu betrachten. Soweit sich regelmäßige "Kundenfrequenzmuster" erkennen lassen, sollten diese in die Personalbesetzungsplanung einfließen.

Bleibt noch das so wichtige Stichwort "Auslastung". Idealerweise arbeitet Ihr Betrieb nahe an der Vollauslastung, nicht im Überlastungsbereich, aber eben auch nicht nur mit z.B. 70%iger Auslastung. Tage, an denen gut, aber nicht extrem viel zu tun ist, können Sie als "interne Kalibrierung" für eine Vollauslastung verwenden. Schauen Sie, wie viele Kunden je Mitarbeiter im Handverkauf gut bedient und wie viele Packungen im Backoffice gut verarbeitet wurden. Diese Werte bilden Ihre individuellen 100%-Marken.

Wenn Sie bei der Auswertung über Monate feststellen, dass Sie im Durchschnitt jedoch weit unter diesen 100% landen (praktisch unter 80%), dann haben Sie ein Auslastungsproblem und letztlich zu viel bzw. falsch eingesetztes Personal. Das mag in Zeiten des Fachkräftemangels und eines gefühlt ständigen "Land unter" grotesk klingen. Tatsächlich ist die relevante Auslastung (nämlich hinsichtlich der bedienten Kunden) aber oft beachtlich schlecht, sicherlich durch viele fachfremde Tätigkeiten, Bürokratie und "Zeitfresser" bedingt. Dennoch gilt es, das aufzuhellen.

Nun haben Sie alles zusammen, um mit der Ressource Zeit zu haushalten. Entsprechend der gegebenen Auslastung und dem Arbeitsanfall (beste Anhaltspunkte dafür: Kundenzahlen und "Packungsanfall" in den jeweiligen Zeitabschnitten) können Sie regelrechte "Zeitbudgets" in Form von Mitarbeiterstunden für die einzelnen Arbeits- und Funktionsbereiche einplanen. Dann heißt die Losung z.B. 140 Wochenstunden im Handverkauf, mit Zuschlag für Hochbetriebszeiten etwa im Winter. Die beschriebenen Kennzahlen und Stundenkontingente dienen dann auch als Argumentationslinie gegenüber den Mitarbeitern. Denn nun können Sie Phänomene wie eine Über-, Normal- oder Unterauslastung objektivieren. Heute bewegt sich das vielfach auf der Ebene einer "gefühlten Sachlage" – keine besonders gute Voraussetzung für einen möglichst effizienten Einsatz der kostbarsten Ressource Zeit!

Service

Für die Berechnung der Tagesbilanz Ihrer Zeit können Sie unsere Checkliste "Persönliches Zeitmanagement" benutzen.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(05):4-4