Kooperieren statt konkurrieren

Warum Ihre Nachbar-Apotheke nicht Ihr Feind sein muss


Oliver Hirsch

"Der größte Feind des Apothekers ist der Apotheker", heißt es immer ganz schnell, wenn Störenfriede in der Berufspolitik thematisiert werden. Dass es auch anders gehen kann, zeigt eine Initiative im ostfriesischen Emden.

Vor zwanzig Jahren war es in Emden ähnlich wie in vielen anderen Notdienstkreisen: Man beäugte sich argwöhnisch, war misstrauisch und glaubte lieber den Aussagen eines Kunden, der aus zweiter Hand etwas (Negatives) über einen Kollegen berichtete, als diesen Kollegen selbst und direkt zum entsprechenden Sachverhalt zu befragen. Jeder kochte so sein eigenes Süppchen und lebte in "gesunder" Distanz zu den Apothekern im näheren Umfeld.

Es gab schon damals eine Werbegemeinschaft, die sich darum kümmerte, dass der für alle Apotheken im Kreis gültige Notdienstkalender gedruckt wurde. Außerdem traf man sich einmal im Jahr, um die nötigen Dinge zu besprechen und Geld auf ein gemeinsames Konto einzuzahlen. Ansonsten tauschte man sich wenig bis gar nicht untereinander aus.

Die Gerüchteküche schließen

Das wollten wir Apotheker im Kreis vor einiger Zeit ändern und die Zusammenarbeit fördern. Dazu sollte ein "Mittler" gefunden werden, hinter dem alle Kollegen standen. Zu diesem Zweck haben wir eine Kollegenversammlung angesetzt, die mich – glücklicherweise einstimmig – zum "Emder Apothekensprecher" ernannte.

Anschließend kam es darauf an, ein offenes Ohr für die Belange aller Kollegen zu haben – und niemanden auszuschließen. Es mussten Gespräche vermittelt und auf diese Weise viele Missverständnisse aufgeklärt werden. Das galt insbesondere für Gerüchte, die über einzelne Kollegen im Umlauf waren. Hier war es nötig, alle Involvierten – sowohl diejenigen, die die Gerüchte verbreiteten, als auch diejenigen, die Gegenstand der Gerüchte waren – direkt anzusprechen, und zwar niemals anklagend oder verurteilend, sondern vielmehr immer fragend und vermittelnd. So ließ sich viel Unwahres – und damit auch manche Zwietracht – aus der Welt schaffen und das Vertrauen in den ehrlichen Umgang steigern.

Zwei Beispiele: In einem Fall wollte ein Kunde seine Stammapotheke wechseln, weil man ihn dort herablassend behandelt habe. Ein Anruf beim Kollegen ergab, dass der Kunde dort in der Tat seit Jahren bekannt war – allerdings vor allem für seine schlechte Zahlungsmoral und sein arrogantes Auftreten. Man wäre daher gar nicht böse, ihn zu verlieren.

In einem anderen Fall wäre es fast zu einem Zwist gekommen, als ein Kunde sich in einer Apotheke darüber beschwerte, dass er einen Artikel in einer anderen Apotheke wesentlich günstiger bekommen habe. Ein Anruf stellte jedoch klar, dass der Kollege dort kein Preisdumping betreiben wollte, sondern dass eine PKA die Preise falsch ausgezeichnet und man dem Kunden daher ausnahmsweise den günstigeren Preis gewährt habe. In einem ähnlichen Fall stellte sich übrigens heraus, dass der Kunde schlicht gelogen hatte.

Hinweis: Unsere Zusammenarbeit dient nicht dazu, Preisabsprachen zu treffen.

Gemeinsam Maßnahmen gegen die gemeinsame Bedrohung

Nachdem eine gemeinschaftliche Basis etabliert war, hatten wir auch Glück mit den Kollegen, die im Laufe der nächsten Jahre Apotheken in der Region übernahmen. Sie agierten offen, und ihnen lag viel an einem friedlichen Miteinander, sodass wir sie schnell und gerne in unseren Kreis integrieren konnten.

Unsere Gemeinschaft, die allen Apotheken vor Ort offensteht, trifft sich in lockeren Abständen rund ein- bis zweimal pro Jahr, bespricht das Erreichte und schaut in die Zukunft. Bei einem unserer ersten Treffen diskutierten wir auch ungewöhnlich offen über Umsatzverluste im Kreis. Schnell stellten wir fest, dass das alle Mitstreiter vor Ort gleichermaßen betraf: Es hatte also nicht die eventuell befürchtete Verschiebung innerhalb der Region gegeben. Vielmehr waren die Umsatzverluste auf die stärker werdende Konkurrenz aus dem Internet zurückzuführen.

Die Erkenntnis, dass eben nicht der Kollege von nebenan die vorrangige Bedrohung ist, schweißte unseren Kreis weiter zusammen. Wir suchten nach Möglichkeiten, um gemeinsam aktiv zu werden. So kam die Idee auf, das Konto der Werbegemeinschaft für gemeinsame Maßnahmen wiederzubeleben. Ziel sollte und soll es stets sein, die Apotheke vor Ort zu stärken. So appellieren auch heute alle unsere Werbemaßnahmen daran, Arzneimittel vor Ort zu holen – und eben nicht im Internet.

Wir einigten uns darauf, dass zunächst jeder 100 € einzahlen sollte. So kam ein ausreichendes Grundkapital zusammen, das immer, wenn nötig, von allen derzeit 13 Apotheken um jeweils weitere 100 € aufgestockt wird.

Dann beauftragten wir eine Agentur, ein professionelles Logo für uns zu entwerfen. Das Ergebnis – ein stilisierter Leuchtturm – wurde beim nächsten Kollegentreffen vorgestellt, diskutiert und von allen gutgeheißen. Das war die Geburtsstunde der "Küstenapotheken", wie wir unsere Gemeinschaft fortan nannten.

Unsere Apotheken: Unser aller Bier!

Mittlerweile haben wir eine feste Vorgehensweise etabliert: Wenn ein Kollege eine Werbeanfrage erhält, leitet er sie an mich als zentralen Ansprechpartner weiter. In der Folge diskutieren wir, wie hoch Kosten und Nutzen sind und ob sich die Werbemaßnahme somit lohnt. Anschließend stimmen wir ab: Wenn mehr als 50% dafür sind, führen wir die Aktion durch – natürlich nur mit denjenigen, die mitmachen wollen. Diese Kollegen kommen dann anteilig für die entstehenden Kosten auf. Kollegen, die gegen die Aktion sind, müssen selbstverständlich nicht mitmachen – und dementsprechend auch nichts zahlen.

Zu den Aktionen zählt z.B. das Schalten von Anzeigen. Diese Anzeigen sind meist ähnlichgestaltet: In der Mitte prangt das gemeinsame Logo, darum gruppieren sich die Logos der teilnehmenden Kollegen (Abbildung 1).

Außerdem schalten wir Artikel in Tageszeitungen und Co., häufig zu besonderen Anlässen, wie etwa dem Tag der Apotheke. In diesen Artikeln (z.B. auf Basis von Pressetexten des Landesapothekerverbandes) informieren wir die Leser mit unserer Expertise zu gesundheitlichen Themen. Dabei ist stets der "Vor-Ort-Gedanke" zentral. Nicht zuletzt in diesem Sinne haben wir auch einen Bierdeckel für eine bekannte Emder Kneipe entworfen (Abbildung 2).

Fazit

In diesen undurchsichtigen Zeiten mit schwer nachvollziehbarem politischem Kalkül sehen wir Apotheker eine undurchschaubare graue Nebelwand vor uns. Daher hoffen wir, dass unsere Initiative bei der Bevölkerung ankommt. So können wir vielleicht unseren Teil dazu beitragen, Druck auf die Politik auszuüben, damit sie die bewährten Strukturen nicht vollends zugunsten preisaktiver Lockangebote aus dem Ausland zerschlägt.

Oliver Hirsch, Apothekeninhaber, Bezirksvorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, 826721 Emden, E-Mail: oliver.hirsch@apo-emden.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(06):8-8