Rechtlicher Rundumschlag zum Coronavirus

Was Apothekenleiter jetzt beachten müssen


Dr. Bettina Mecking

Das Coronavirus hält auch die Apotheken in Atem. Für die tägliche Versorgungsleistung ergeben sich eine Vielzahl von Rechtsfragen. Erfahren Sie, was Sie zum Arbeitsschutz, zum Fernbleiben von Mitarbeitern, zu behördlichen Anordnungen und Co. wissen sollten.

Um die Ausbreitung des Coronavirus aufzuhalten, stehen den Behörden in Deutschland verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Das Wesentliche regelt das Infektionsschutzgesetz (IfSG), demzufolge wichtige persönliche Freiheitsrechte eingeschränkt werden können. Zuständig sind in erster Linie die jeweiligen Aufsichtsbehörden der Bundesländer. Bei komplexen Lagen bestimmt indes das zuständige Landesministerium die Abläufe. Der Bund hat vor allem koordinierende Funktionen.

Dabei gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip: Die Maßnahmen dürfen nicht ins Blaue hinein getroffen werden, müssen personell, räumlich und zeitlich bestimmt sowie begrenzt sein. Außerdem gelten sie meist sofort, um einen effektiven Gesundheitsschutz sicherzustellen. Was Apothekenleiter genau unternehmen müssen, ist zurzeit noch unklar, weil es für die momentane Situation kein Beispiel gibt. Orientieren können Sie sich aber an den Hinweisen zum Risikomanagement bei einer Influenza-Pandemie (vgl. Service am Ende des Artikels).

Was tun zur Prävention?

Grundsätzlich gilt: Apotheken sollten einen betrieblichen Notfallplan erarbeiten, der festlegt, welche Funktionen zwingend besetzt sein müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, wenn die Mehrzahl der Belegschaft erkrankt. Für den Fall, dass es Sie selbst trifft, ist es empfehlenswert, einen "Notfallkoffer" etwa mit Vollmachten, einem Vertretungsplan, Informationen zu Kunden- und Lieferantenstrukturen sowie einer Dokumentenmappe mit Bankverbindungen und Passwörtern zu packen.

In Sachen Arbeitsschutz gelten die allgemeinen Grundsätze nach §4 Arbeitsschutzgesetz. Da es sich bei Viren um Biostoffe handelt, ist die Biostoffverordnung (BioStoffV) ebenfalls zu beachten. Laut §4 BioStoffV sind Sie als Apothekenleiter verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und im Anschluss geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Sie müssen eine allen Beschäftigen bekannte und jederzeit einsehbare Betriebsanweisung erstellen. Darin sind die mit der Tätigkeit im direkten Kundenkontakt verbundenen Gefahren zu benennen und Verhaltensregeln festzulegen.

Zudem haben Sie eine Fürsorgepflicht. Laut §618 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müssen Sie alles tun, damit Ihre Angestellten ihre Arbeit gefahrlos erledigen können und sich nicht am Arbeitsplatz anstecken. Dazu gehören Desinfektionsmittel in den sanitären Anlagen und an den Zugängen des Betriebes. Weisen Sie zudem z.B. in Form von Plakaten auf richtiges Hygieneverhalten, wie etwa die Husten- und Nies-Etikette, hin. Verkaufsflächen und Fußböden müssen regelmäßig gesäubert und desinfiziert werden. Halten Sie diese Abläufe möglichst schriftlich fest.

Allgemein wird empfohlen, den Personenkontakt zwischen den einzelnen Apotheken in Filialverbünden möglichst auf ein Minimum zu reduzieren. Ansonsten könnte die Gefahr bestehen, dass der Betrieb aller Apotheken im Verbund gefährdet ist.

Was sagt das Arbeitsrecht?

Das Coronavirus setzt das gültige Arbeitsrecht nicht außer Kraft. Daher haben Sie grundsätzlich dieselben Befugnisse und Pflichten wie bisher und gegebenenfalls auch darüber hinausgehende Rechte.

Arbeitnehmer dürfen die Arbeit nicht präventiv aus Selbstschutz verweigern, weil die Ansteckungsgefahr am vertraglich vereinbarten Arbeitsort oder auf dem Weg dorthin erhöht sein könnte. Die persönliche Gesundheitsgefährdung für die Mitarbeiter in Apotheken ist nämlich nicht per se derart erheblich, dass sie eine Leistungsverweigerung rechtfertigen würde. Aus dem häufigeren Kontakt mit kranken Menschen resultiert keine über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinausgehende Gefahr – sofern die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen beachtet werden. Erscheint ein Mitarbeiter unentschuldigt nicht zur Arbeit, können Sie ihn also abmahnen und ihm im Wiederholungsfall sogar kündigen. Ihre Reaktion sollte allerdings von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen.

Das Risiko, dass der Apothekenbetrieb stillgelegt wird, tragen grundsätzlich Sie. Um ein solches Szenario abzuwenden, können Sie in "außergewöhnlichen Fällen" – wie eben beim Coronavirus – Überstunden im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anordnen.

Allerdings haben Sie auch das Recht, Arbeitnehmer mit bekannten Symptomen der Pandemieinfektionserkrankung freizustellen – auch wenn Sie nur einen konkreten Verdacht haben. Dann bleibt der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers hinter Ihrem Interesse zurück, die übrige Belegschaft zu schützen und einen reibungslosen Betriebsablauf sicherzustellen. Die freigestellen Mitarbeiter behalten jedoch ihren vertraglichen Vergütungsanspruch.

Hinweis: Da das Coronavirus sehr ansteckend ist, lässt sich aus der arbeitsrechtlichen Treuepflicht herleiten, dass Arbeitnehmer hier ausnahmsweise die Art ihrer Erkrankung mitteilen sollten und wohl auch müssen. Gegebenenfalls dürfen Sie auch ein ärztliches Attest verlangen. Könnte tatsächlich ein Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert sein, sollten Sie zunächst den arbeitsmedizinischen Dienst oder den jeweiligen Hausarzt informieren, der einen Verdachtsfall dann an das zuständige Gesundheitsamt meldet.

Problemfall Kindesbetreuung

Ist das Kind eines Mitarbeiters an COVID-19 erkrankt, darf dieser zu Hause bleiben, um seinen Sprössling zu pflegen. Nach §45 Sozialgesetzbuch (SGB) V besteht der Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes in jedem Kalenderjahr pro Kind für maximal zehn bzw. bei alleinerziehenden Versicherten 20 Arbeitstage. Insgesamt – also für alle Kinder – dürfen versicherte Arbeitnehmer der Apotheke maximal 25 bzw. alleinerziehend 50 Arbeitstage im Jahr fernbleiben, sofern sie weiter Gehalt in Form von Krankengeld beziehen wollen.

Hinweis: Das Krankengeld beträgt 70% des Brutto-, aber nicht mehr als 90% des Nettogehalts. Die ausgezahlten Beträge werden Ihnen auf Antrag von der zuständigen Stelle erstattet (in Nordrhein-Westfalen z.B. vom Landschaftsverband). Sofern der betroffene Mitarbeiter einen Antrag stellt, erhält er die Entschädigung ab der siebten Woche direkt.

Bleiben Schulen und Kindergärten geschlossen, dürfen Mitarbeiter dem Betrieb nach §616 BGB fernbleiben, um sich um die Kinder zu kümmern. Handelt es sich dabei um eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit", bekommen sie auch weiterhin Gehalt. Hier sollten Sie gemeinsam mit den Betroffenen eine Regelung finden.

Gibt es eine Entschädigung?

Ordnen die Behörden ein Beschäftigungsverbot oder eine Quarantäne an, erhalten Arbeitnehmer vom Staat eine Entschädigungszahlung. Das funktioniert wie bei der normalen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: Die muss der Arbeitgeber zwar auszahlen, bekommt sie aber vom zuständigen Gesundheitsamterstattet (§56 Abs. 1 IfSG). Für die ersten sechs Wochen wird die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls, ab der siebten Woche in Höhe des Krankengeldes gewährt (§56 Abs. 2 IfSG).

Auch für Sie selbst gibt es eine Entschädigungszahlung. Sie beträgt ein Zwölftel Ihres Arbeitseinkommens aus dem letzten Jahr vor der Quarantäne entsprechend Ihrem Steuerbescheid. Selbstständige mit eigenem Betrieb oder eigener Praxis erhalten zudem "von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang" (§56 Abs. 4 IfSG).

Den Antrag auf Entschädigung müssen Sie schriftlich innerhalb von drei Monaten stellen, nachdem das Tätigkeitsverbot bzw. die Quarantäne aufgehoben wurde.

Service

  • Keine gute Idee ist es, die derzeitige Situation auszunutzen, um für Masken oder Desinfektionsmittel Wucherpreise zu verlangen, die nicht mehr mit den Einkaufspreisen korrespondieren. Denken Sie daran, dass das berufsrechtlich nicht gestattet ist – zumal Sie mit niedrigen Preisen für eine nachhaltige Kundenbindung sorgen könnten.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(06):14-14