Erst- oder Zweitausbildung?

Bundesfinanzhof urteilt erneut zum Kindergeld


Helmut Lehr

Für volljährige Kinder erhalten Sie das Kindergeld u.a. bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung. Bei mehraktigen Ausbildungen (z. B. Lehre mit anschließendem Studium) ist nicht ganz klar, wann die "Erstausbildung" im steuerlichen Sinn tatsächlich endet.

Hat Ihr Sprössling das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet, erhalten Sie Kindergeld – insbesondere wenn er für einen Beruf ausgebildet wird. Nach Abschluss der ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums gibt es auch weiterhin Kindergeld, sofern Ihr "Kind" keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Dabei bleiben Beschäftigungen mit bis zu maximal 20 Arbeitsstunden/Woche unberücksichtigt.

Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben sind natürlich solche Fälle problematisch, in denen das Kind nach einer abgeschlossenen Erstausbildung studiert und nebenbei in Vollzeit – bzw. mehr als 20 Stunden/Woche – arbeitet. Zählt das Studium noch zur Erstausbildung, bleibt der Kindergeldanspruch bestehen. Gilt es als "Zweitausbildung", entfällt der Anspruch, weil die 20-Stunden-Grenze überschritten ist.

Hinweis: Über Einzelfälle wie die Weiterbildung zum Verwaltungs- oder Bankfachwirt wurde an dieser Stelle bereits berichtet (vgl. AWA 24/2018 und AWA 15/2019). Was gilt aber, wenn der Nachwuchs thematisch nicht zu 100% bei seinem Lehrberuf bleibt?

Beispiel

Der Sohn von Apotheker Waldeck, geboren im Dezember 1992, hat nach dem Abitur eine Lehre bei einer Volksbank absolviert und sie im Januar 2015 beendet. Danach wurde er als Vollzeitbeschäftigter übernommen. Bereits im April 2014 hatte er an einer Informationsveranstaltung über ein Studium am Bankkolleg des Genossenschaftsverbandes teilgenommen. Ziel: Der Abschluss als Bankfachwirt. Weil sich der Studiengang allerdings auf unbestimmte Zeit verzögerte, bewarb sich Waldecks Sohn im Juni 2015 auf einen "Onlinestudiengang Betriebswirtschaftslehre" und nahm das Studium zum 01.09.2015 auf.

Den Antrag auf Kindergeld für die Zeit des Studiums lehnte die Familienkasse ab. Begründung: Banklehre und Onlinestudium würden keine einheitliche Berufsausbildung darstellen.

Revision erfolgreich

In einem vergleichbaren Fall hatte auch die Klage vor dem Finanzgericht zunächst keinen Erfolg (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 09.02.2018, Aktenzeichen: 5 K 277/17).

Der Bundesfinanzhof (BFH) sah die Sache allerdings anders (Urteil vom 23.10.2019, Aktenzeichen: III R 14/18). Danach lassen sich zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammenfassen, wenn sich das Kind nach der Erstausbildung "umorientiert" – solange der sachliche und der zeitliche Zusammenhang gewahrt bleiben.

Das heißt konkret: Nach Ansicht des BFH steht das "BWL-Studium" noch in einem ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit einer vorhergehenden Banklehre.

Der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen Erstausbildung und Studium war nach Ansicht des BFH ebenfalls gewahrt. Bereits die frühzeitige Teilnahme an der Informationsveranstaltung zum Studium am Bankkolleg zeige, dass das Kind seine Ausbildung noch nicht als beendet angesehen habe.

Hinweis: Allein dieser Hinweis des BFH verdeutlicht, wie wichtig es in Grenzfällen ist, die tatsächlichen Gegebenheiten durch entsprechende Nachweise zu dokumentieren. Halten Sie also sämtliche weitergehenden Ausbildungsbemühungen möglichst nachvollziehbar fest.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(07):18-18