Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung (Teil 3)

Gegenseitiges Verständnis führt zu einer effektiveren Zusammenarbeit


Dr. Dennis Effertz

Um besser mit Ärzten kooperieren zu können, hilft es, zumindest einige "Regeln" zu kennen, nach denen Arzneimittel verordnet werden. Erfahren Sie im letzten Teil dieser Serie u.a., wann Ärzte Over-the-Counter (OTC)-Präparate verschreiben und wann sie Aut-idem-Kreuze setzen (dürfen).

Die ersten beiden Teile dieser Serie dürften Sie in die Lage versetzt haben, einige Aspekte des ärztlichen Verordnungsverhaltens besser zu verstehen (vgl. AWA 3/2020 und AWA 5/2020). Mit diesem letzten Teil möchten wir Ihnen nun weitere "Ausstrahleffekte" der Wirtschaftlichkeitsprüfung in den Apothekenalltag nahebringen und Ihnen zeigen, wie Sie diesbezügliche Probleme effektiv mit Ihren Verordnern lösen können – auch durch geeignete Kommunikationsstrategien.

OTC-Präparate auf Kassenrezept?

Ein "Klassiker" unter den gegenseitigen Missverständnissen zwischen Arzt und Apotheker sind Verordnungen von OTC-Arzneimitteln aus Anlage I der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL). Was hier aufgelistet ist, darf der Arzt in den genannten Ausnahmeindikationen (auch bei Erwachsenen) auf Kassenrezept verordnen. Und da Sie gemäß Ihren Arzneilieferverträgen grundsätzlich lieferberechtigt sind, dürfen Sie die entsprechenden Arzneimittel mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechnen. Auch wenn das einfach klingt: Die Praxis zeigt, dass die Probleme des einen häufig (wenngleich meistens unbeabsichtigt) zu Problemen des anderen gemacht werden.

Da Sie die Diagnose nicht kennen, können Sie die Indikation im Regelfall nicht prüfen. Damit dürfen Sie davon ausgehen, dass das Arzneimittel erstattungsfähig ist – das "Nachforderungsrisiko" liegt beim Arzt. Sollte sich also bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung herausstellen, dass keine zulässige Ausnahme vorlag, wird der Arzt für den Schaden eintreten müssen.

Nun notieren manche Ärzte die Diagnose des Patienten unzulässigerweise auf der Verordnung, weil sie entweder (vermeintlich) das Haftungsrisiko abwenden oder weil sie sich Recherchen in der Anlage I ersparen wollen. Manche Verordner haben überdies ihre Dokumentationspflichten missverstanden (vgl. Kasten). Da Ihnen als Apotheker in solchen Fällen aber (unfreiwillig, doch offenkundig) die Indikation bekannt geworden ist, können Sie sich nicht länger auf die fehlende Prüfmöglichkeit berufen.

Das ist zwar unkritisch, solange die angegebene Diagnose einer der Ausnahmen aus Anlage I entspricht. Weicht die Diagnose jedoch hiervon ab, laufen Sie in ein Retax-Risiko. Das Problem des Arztes ist dann zu Ihrem Problem geworden.

Prinzipiell gibt es hier zwei Lösungen: Entweder zahlt der Patient das Arzneimittel gleich selbst – wovon Sie ihn aber zunächst "überzeugen" müssen. Oder Sie halten erst einmal Rücksprache mit dem Verordner. Dieser kann dann prüfen, ob gegebenenfalls doch eine Ausnahmeindikation oder lediglich ein Irrtum vorliegt. Je nach Ergebnis hat er dann die Möglichkeit, entweder das gleiche Rezept noch einmal in datenschutzkonformer Version (also ohne Diagnose) oder aber eine Privatverordnung auszustellen.

Ausgeschlossen – und dennoch verordnet?

In Anlage III der AM-RL sind diejenigen Arzneimittel aufgeführt, die Verordnungsausschlüssen oder -einschränkungen unterliegen. Wollen Sie diese Präparate abgeben, erscheint regelhaft ein Warnhinweis in Ihrer Apothekensoftware. Adressat ist – wie in Teil 2 der Serie schon erwähnt – primär der Arzt. Denn auch hier sind die Diagnosen regelmäßig entscheidend für die Verordnungsfähigkeit im Einzelfall.

Sofern Sie auf der Verordnung also nicht (unzulässigerweise) eine Diagnose finden, könnten Sie solche Warnhinweise zumeist getrost ignorieren. Doch dürfte (fast) jeder Arzt einen kollegialen Fingerzeig auf einen Verordnungsausschluss oder die generelle Unwirtschaftlichkeit eines Arzneimittels (auch für Kinder) nach Anlage III der AM-RL wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Achtung: Handelt es sich lediglich um eine Verordnungseinschränkung, sollten Sie sich so gut mit den Regelungen und dem individuellen Patientenfall auskennen, dass der Arzt nicht mit einem Hinweis auf eine Ausnahme genervt abwinkt. Hier sind also Ihr Augenmaß und Ihr Fachwissen in Sachen Wirtschaftlichkeitsprüfung gefragt.

Anders verhält es sich bei Arzneimitteln der Anlage III, die aufgrund der Rechtsverordnung nach §34 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V von der Versorgung ausgeschlossen sind ("Negativliste"). Hier sind Sie selbst gefordert, denn in den einschlägigen Arzneilieferverträgen besteht regelmäßig eine Prüfpflicht. Zulasten der GKV sollten Sie diese Arzneimittel grundsätzlich nicht abgeben. Richten Sie deshalb Ihre Software so ein, dass diese Sie bei solchen Arzneimitteln warnt.

Die Krux mit Kreuzen und Festbetragsanpassungen

"Kreuzchen vergessen – oder absichtlich nicht gesetzt?" Diese Frage stellen Sie sich in der Apotheke wohl häufiger. Aber wann darf ein Arzt denn nun das Aut-idem-Kreuz setzen? Eines vorweg: Es ist abermals keine Frage des Budgets!

Gemäß §40 Abs. 3 AM-RL dient das Aut-idem-Kreuz dazu, in medizinischen Einzelfällen "unter Würdigung patientenindividueller und erkrankungsspezifischer Aspekte" die Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel sicherzustellen. Analog dazu können Sie nach § 17 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) "pharmazeutische Bedenken“ geltend machen. Liegen also relevante und dokumentierte Gründe vor, dürfen beide Parteien einen Austausch zugunsten von rabattbegünstigten Arzneimitteln ausschließen. Dennoch werden Patienten teils vom Arzt an den Apotheker verwiesen ("Der Arzt hat gesagt, ich bekomme auch ohne Kreuz genau das, was er verordnet hat!") – und umgekehrt ("Der Apotheker hat gesagt, Sie müssten Aut-idem ankreuzen!").

Praktische Probleme für den Arzt können sich ergeben, wenn laut regionalen Zielvereinbarungen bestimmte Aut-idem-Quoten erreicht werden sollen. Bedenken Sie das, wenn Sie mit dem Verordner diskutieren. Werfen Sie dazu auch einen Blick in die regelmäßigen Verordnungsinformationen der Kassenärztlichen Vereinigungen (vgl. AWA 5/2020). Eventuell kommen Sie so zu dem Ergebnis, dass die Quote "Ihres" Verordners objektiv besser ist, als er selbst denkt. Einem Aut-idem-Ausschluss steht dann nichts im Wege. Andernfalls könnten Ihre "pharmazeutischen Bedenken" die bessere Option sein. Hier wirkt es wahre Wunder, wenn beide Parteien die vertraglichen Vorgaben der jeweils anderen verstehen.

Zu Problemen können auch Mehrkosten führen, die bei Festbetragsanpassungen auf Patienten zukommen. Nach §630c Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist es an den Ärzten, hierüber (sogar) in Textform aufzuklären. Allerdings wälzen sie das gerne auf die Apotheke ab. In solchen Fällen können Sie die Verordner auf ihre Informationspflicht hinweisen – je nach gewünschter zukünftiger Beziehung eher freundlich bis eher bestimmt.

Fazit

Zugegeben: In der GKV-Arzneimittelversorgung gibt es unzählige Steuerungsinstrumente. Doch lassen Sie sich davon nicht abschrecken, und versuchen Sie, auch die ärztlichen Verordnungszwänge zu verstehen. So können Sie bessere und effizientere Lösungen für alle Beteiligten finden und – gemeinsam mit Ihren Verordnern – umsetzen.

Dr. Dennis A. Effertz, LL.M. Apotheker und Jurist (Medizinrecht), Experte für Apotheken- und Sozialrecht, 79110 Freiburg/Breisgau, E-Mail: kontakt@dr-effertz.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(07):6-6