Nicht nur in der Coronakrise zunehmend wichtig

Was Sie zum Botendienst wissen müssen


Dr. Bettina Mecking

Das vermehrte Angebot von Botendiensten in der derzeitigen Coronakrise untermauert die Leistungsfähigkeit der stationären Apotheke in der wohnortnahen Gesundheitsversorgung. Erfahren Sie, was sich kürzlich hinsichtlich dieser überwiegend unbezahlten Serviceleistung geändert hat.

Zwingende apothekenrechtliche Vorschriften gelten bis auf Weiteres auch während einer pandemischen Krise. Nicht nur deswegen lohnt sich ein Blick auf jene geänderten Vorgaben zum Botendienst inder Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), die am 22. Oktober 2019 in Kraft getreten sind.

Anders als dem Versandhandel war es Vor-Ort-Apotheken zuvor nur im Einzelfall erlaubt, ihren Kunden Arzneimittel zuzustellen. Dennoch wollten die Kunden Medikamente, die nicht sofort verfügbar waren, zunehmend nach Hause nachgeliefert bekommen. So ergab sich eine gewisse Grauzone zwischen Einzelfall-Regelung und Realität.

Vom Einzelfall zur Regelleistung

Der neugefasste §17 Abs. 2 ApBetrO lautet wie folgt: "Die Zustellung von Arzneimitteln durch Boten der Apotheke ist ohne Erlaubnis nach §11a des Apothekengesetzes zulässig." Der Botendienst ist damit also ohne Versanderlaubnis zulässig und nicht mehr auf den Einzelfall beschränkt, sondern vielmehr durch einen Kundenwunsch gerechtfertigt. Einen Anspruch auf den Botendienst hat der Kunde jedoch nicht.

Anders als beim Versand erfolgt die Auslieferung beim Botendienst – nomen est omen – durch Boten der Apotheke. Diese unterliegen den Weisungen des Apothekenleiters – was sie grundlegend von Paketdienst-Mitarbeitern unterscheidet.

Dennoch gelten ausgewählte Versandhandelsvorschriften auch für den Botendienst. So etwa müssen Sie hier nach §17 Abs. 2a Nr. 8 ApBetrO auch eine kostenfreie Zweitzustellung gewährleisten.

Die Temperatur im Fokus

Gleichermaßen ist z.B. nach §17 Abs. 2a Nr. 1 ApBetrO sicherzustellen, dass "das Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleiben; insbesondere müssen die für das Arzneimittel geltenden Temperaturanforderungen während des Transports bis zur Abgabe an den Empfänger eingehalten werden; die Einhaltung muss bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln, soweit erforderlich, durch mitgeführte Temperaturkontrollen valide nachgewiesen werden."

Diese Anforderungen müssen bei jeder Lieferung bis zur Abgabe eingehalten werden. Allerdings bestehen Spielräume im Hinblick darauf, wie Sie die Anforderungen erfüllen. Hier ist Ihr pharmazeutischer Sachverstand gefragt. So schreibt die ApBetrO z.B. weder eine Klimaanlage für die Fahrzeuge noch irgendeine andere Technik vor. Abhängig von der Jahreszeit dürften daher je nach Arzneimittel Kühlboxen oder ähnliche Verpackungen mit zusätzlichen Kühlakkus angebracht sein.

Laut zitiertem Text müssen Sie jedoch bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln, wie z.B. bestimmten Insulinen, Rezepturen oder Impfstoffen, durch mitgeführte Temperaturkontrollen valide nachweisen, dass Sie die Vorschriften eingehalten haben. Zu diesem Zweck können Sie Temperaturlogger verwenden – müssen es aber nicht zwingend. Denn vielmehr kommt es auf einen "geeigneten Nachweis" an. Es liegt in Ihrer Verantwortung, ein zuverlässiges Gerät auszuwählen.

Denken Sie daran, dass die Aufsichtsbehörden das gewählte Verfahren hinterfragen dürfen. In jedem Fall reicht es nicht aus, wenn Sie sich gar keine Gedanken machen oder nicht über das Equipment zur Auslieferung empfindlicher Arzneien verfügen.

Ansonsten gelten die Versandregeln nur teilweise für den Botendienst. Denn Sie müssen z.B. keine Telefonnummer für die Beratung angeben und nicht darauf hinweisen, dass eine telefonische Beratung zu bestimmten Zeiten gebührenfrei ist oder dass der Patient bei Risiken Kontakt mit dem Arzt aufnehmen soll. Zudem existiert für den Botendienst kein besonderes Risiko-Meldesystem, das über §21 ApBetrO hinausgeht.

Beratungs-, Personal- und Rezeptfragen

Beraten dürfen Sie nunmehr auch telefonisch, und müssen es nicht zwingend "face to face" – ein weiterer Schritt in Richtung Telepharmazie. Der Vorteil: Drohende Wettbewerbsverzerrungen werden etwas abgefedert. Denn mit den E-Rezepten dürften immer mehr Verordnungen in Apotheken ankommen, ohne dass die Patienten persönlich dort erscheinen.

Sofern vor der Auslieferung von Over-the-Counter (OTC)- oder Rx-Arzneimitteln trotzdem noch gar keine Beratung stattgefunden hat, müssen Sie pharmazeutisches Personal als Boten einsetzen. Das Personal hat dann nämlich die Beratung "nachzuholen", sobald es dem Patienten das Arzneimittel aushändigt.

Hat die Verschreibung vor der Auslieferungnicht in der Apotheke vorgelegen, muss der Patient sie ebenfalls spätestens dann an das ausliefernde pharmazeutische Personal übergeben, wenn er das Arzneimittel erhält. Der Bote hat sie dann unmittelbar zu überprüfen und gegenzuzeichnen. Und selbst wenn er eine Abzeichnungsbefugnis hat, muss er sie – so die einhellige Meinung – nach der Zustellung unverzüglich einem Apotheker vorlegen.

Von alledem bleiben §4 Abs. 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung und §43 Abs. 5 Arzneimittelgesetz unberührt. Das heißt:

  • Boten dürfen in Notfällen auch liefern, ohne dass eine Verschreibung vorliegt – sofern diese unverzüglich nachgereicht wird.
  • Boten dürfen Arzneimittel für Tiere, aus denen Lebensmittel gewonnen werden, nicht liefern.

Übrigens: Die neuen Vorgaben sichern den Betrieb von Rezeptsammelstellen an Orten, die sonst angesichts des Personalmangels nicht zukunftsfähig wären. Die Patienten an den Sammelbehältern können telefonisch beraten werden, sodass nicht bei jeder Lieferung pharmazeutisches Personal eingesetzt werden muss.

Hierbei hilft es, diejenigen Patienten, die nicht in der Apotheke bekannt sind, an der Box aufzufordern, ihre Telefonnummer auf einem zusätzlichen Zettel zu vermerken und diesen mit einzuwerfen.

Fern oder nah? Das ist hier die Frage!

Vereinbaren Sie mit einem Patienten nur über Fernkommunikationsmittel (also Internet bzw. E-Mail, Telefon oder Telefax), dass Sie ihm ein Medikament per Botendienst liefern, liegt ein Fernabsatzvertrag vor. Sucht der Patient die Apotheke hingegen persönlich auf und bekommt ein nicht vorrätiges Arzneimittel durch den Boten nachgeliefert, handelt es sich nicht um einen Fernabsatz.

Wichtig ist diese Unterscheidung, weil Kunden bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich ein Widerrufsrecht zusteht, auch bei Arzneimittelkäufen. Ausnahmen gibt es nur für

  • Rezepturarzneimittel, die individuell für den Patienten hergestellt wurden, und
  • versiegelte Arzneimittelpackungen, die nach der Lieferung geöffnet wurden.

Service

Sie sind dazu verpflichtet, Ihre Kunden über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte aufzuklären. Wir stellen Ihnen eine individualisierbare Vorlage für einen Handzettel zur Verfügung, den Sie Ihrem Boten zu diesem Zweck mitgeben mitgeben können.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(08):14-14