Die Apotheke als Fels in der Brandung

Wie Ihr Team den Kopf über Wasser hält


Ute Jürgens

Selbst wenn die augenblickliche Situation in mehrfacher Beziehung sehr ernst ist – die Welt geht nicht unter. Deswegen sollten Sie und Ihr Team weder den Mut verlieren noch überreagieren oder kopflos werden. Gesunder Menschenverstand und Besonnenheit können dabei helfen.

Inzwischen haben sich viele Menschen zumindest mehr oder weniger an die geschlossenen Geschäfte, Kinos und Restaurants gewöhnt. Sie merken: "Wir leben immer noch, wir schaffen das!"

In den Apotheken ist der absolute Run der ersten Krisentage etwas abgeflaut. Die meisten Kunden sind mit Paracetamol und Co. (über-)versorgt und haben einmal mehr erfahren, dass auf die Vor-Ort-Apotheken Verlass ist, dass sie hier ebenso Rat wie auch Trost erhalten und zudem das Gefühl vermittelt bekommen: "Niemand ist alleine. Wir sind alle gemeinsam in der gleichen Situation." Selbst wenn Sozialkontakte weitestgehend untersagt sind, macht sich doch mehr als sonst eine solidarische Stimmung breit, die meisten Menschen reagieren mit Geduld, Disziplin, einer Prise Humor und der Bereitschaft, sich den anerkannten Notwendigkeiten zu fügen.

Wie Sie Entspannung fördern

Damit alle Gelassenheit behalten oder gewinnen, sollten Sie als Chef dafür sorgen, dass sich das Team morgens, noch bevor Sie die Apotheke öffnen, für zwei Minuten im Sozialraum zusammenfindet und mit einer gemeinsamen Entspannungsübung startet. Das hilft schon insofern, als jegliches gemeinsame Tun den Teamgeist fördert, die eigenen Ängste beruhigt und die Widerstandskraft stärkt – auch "panischen" Kunden gegenüber.

Bei der morgendlichen Zusammenkunft sollten alle gleich von Beginn an dabei sein, und nicht diejenigen "nachtröpfeln", die nur noch mal schnell die Kassenschublade füllen, die Rezepturwaage eichen oder den Handverkaufs (HV)-Tisch desinfizieren möchten. Wer nicht anwesend ist, bekommt per App und Video die Möglichkeit, von zu Hause aus teilzunehmen. Regelmäßig durchgeführte Rituale wirken angstlösend, stärken das Gemeinschaftsgefühl und geben sowohl Halt als auch Orientierung.

Dabei kommt es nicht darauf, möglichst viele Übungen zu kennen und zu praktizieren. Es reicht, wenn Sie sich im Voraus auf eine Übung für jeden Tag der Woche einigen. Wenn Sie die Übungen über mehrere Wochen durchführen, werden sich die Bewegungen automatisieren und können daher besser wirken.

Welche Übungen möglich sind

Im einfachsten Fall besteht eine solche Übung aus sechs langsamen und tiefen Atemzügen. Die Ausatemphase ist dabei etwas länger als die Einatemphase. Oder als Variation: Beim Einatmen heben alle die Arme und erweitern somit das Atemvolumen, beim Ausatmen lassen sie die Arme in einer Kreisbewegung wieder vollends sinken. Diese Bewegungen finden am besten im hüftbreiten Stand mit leicht gebeugten Beinen statt.

Am nächsten Tag könnte dann eine einfache Gleichgewichtsübung folgen. Ausgangsposition ist auch hier der hüftbreite Stand, je tiefer man steht, desto besser die Balance. Jedes Teammitglied sollte ausprobieren, wo das persönliche Optimum liegt. Jetzt verlagern alle das Gewicht auf den Fußballen, dann auf die Fersen, ohne aus der senkrechten Achse zu kippen. Das geschieht so extrem langsam, dass es kaum merklich ist. Alle sollten sich immer bewusst sein, wo sich ihr Schwerpunkt befindet.

Vielleicht praktiziert ja auch eine Person in Ihrem Team regelmäßig Yoga, Tai-Chi oder Qigong? Dann kann sie der Gruppe einfache Übungen zeigen, die anschließend alle gemeinsam nachmachen.

Eine weitere Möglichkeit zu entspannen: Jemand aus dem Team liest eine kurze (Fantasie-)Reisebeschreibung aus einem Buch vor, oder Sie spielen eine aus dem Internet ab. Auch das geht relativ schnell, und der Effekt übersteigt die investierte Zeit bei Weitem.

Leise Entspannungsmusik unterstützt die morgendlichen Übungen. Sie eignet sich gegebenenfalls auch als Hintergrundmusik für den HV, sollte aber nicht den ganzen Tag über, sondern nur ab und zu hörbar sein (vgl. auch AWA 4/2019).

Ermuntern Sie zudem alle im Team, sich zu Hause auf ihre ganz individuelle Art zu entspannen. Manch einem gelingt das besser mit Techno-Musik, anderen mit Gartenarbeit, Puzzeln, Joggen oder Tanzen. Vielleicht möchten Sie als Chef ja auch jedem über z.B. drei Wochen 15 Minuten pro Tag pauschal dafür gutschreiben?

Wie Sie Ängste nehmen

Im Augenblick tauchen teils jahrzehntealte Erlebnisse und Ängste wieder auf und überschwemmen die Gemüter. Sie greifen tatsächlich um sich wie ein Virus, und längst nicht alle sind davor gefeit. Lassen Sie sich trotzdem nicht davon anstecken!

Hier hilft z.B. regelmäßiger Sport. So könnten Sie für den Weg zur Arbeit statt Ihres Autos oder öffentlicher Verkehrsmittel (zumindest) streckenweise das Fahrrad nutzen – und das auch Ihren Mitarbeitern empfehlen.

Unterscheiden Sie mit Ihrem analytischen Verstand zwischen (vielleicht unbegründeten) Sorgen und Tatsachen. Bauen Sie eine innere Distanz zu sich selbst auf, und stellen Sie sich die Fragen: "Was passiert hier gerade mit mir? Warum reagiere ich auf diese Art und Weise? Löst das wirklich mein Problem? Welcher Gedanke, welche innere Haltung helfen mir jetzt?" Setzen Sie sich konstruktiv mit Ihren Gefühlen auseinander, um sie letztlich annehmen zu können und ihnen damit die negative Wirkung zu nehmen. Unterstützen Sie auch Ihre Mitarbeiter dabei, auf diese Weise ihre Sorgen zu reduzieren.

Den Optimismus im Team können Sie z.B. mit einer Erinnerung auf einem großen Schild im Backoffice fördern: "Wir leben immer noch, wir schaffen das!" – oder auch mit einem anderen ermutigenden "Spruch des Tages". Wenn das Schild in der Offizin oder im Schaufenster steht, hat es auch noch positive Auswirkungen auf Ihre Kunden. Bedanken Sie sich außerdem bei Ihrem Team. Verdeutlichen Sie ihm (und auch sich selbst), dass Ihr "Apothekenschiff" einen guten Weg durch die Krise nimmt. Auch wenn es vielleicht mal ein Wellental gibt, werden Sie wieder in ruhiges Fahrwasser kommen. Spendieren Sie regelmäßig frisches Obst, Getränke oder Blumen für zu Hause. Mit solch kleinen Gesten können Sie die Stimmung ebenso wie die Motivation steigern und den Teammitgliedern damit ein wenig von ihren Ängsten nehmen.

Besprechen Sie auch mit Ihrem Steuerberater, ob in diesen schwierigen Zeiten nicht Extraleistungen für Ihre Mitarbeiter möglich sind, so z.B.

  • eine Tankfüllung,
  • ein (später einlösbarer) Gutschein für die benachbarte Buchhandlung bzw. den benachbarten Blumenladen (zumal ja der gesamte Einzelhandel vor Ort derzeit auf Unterstützung angewiesen ist) oder vielleicht sogar
  • ein Teamaufenthalt in einem Wellnesshotel zum Ende des Sommers (mit kostenloser Stornierungsmöglichkeit natürlich).

Schauen Sie nach vorne!

Es gibt eine Welt neben und eine Welt nach Corona. Das sollten Sie auch bei Ihrer strategischen Apothekenplanung berücksichtigen: Haben Sie etwa schon daran gedacht, dass sich viele Menschen in diesem Jahr bisher weit weniger als sonst bewegt und vermutlich zugenommen haben? Sie hungern nach Abnehmtipps und Diäten. Was haben Sie vorrätig, was müssen Sie bestellen?

Denken Sie jetzt auch schon an die Herbst-Bevorratung bzw. an die Zeit in neun Monaten. Vielleicht lohnt es sich ja, dann auf "Mutter-Kind-Apotheke" zu setzen? Vielen mag die Zukunft zwar zu ungewiss erscheinen, um jetzt Kinder in die Welt zu setzen. Dennoch sieht man derzeit weit mehr Pärchen als üblich Hand in Hand spazieren gehen – was machen die wohl alle zu Hause?

Und haben Sie eigentlich schon realisiert, dass Frühling ist? Genießen Sie doch das wieder erwachende Leben in der Natur und demnächst auch in den umliegenden Geschäften und Restaurants. Freuen Sie sich darauf, dass die Menschen bald wieder auf den Straßen flanieren! Das alles kommt zurück! Ganz gewiss!

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(08):12-12