Auf den Inhalt kommt es an

Wie Sie Kunden mit Content Marketing binden


Simon Nattler

Viele Apotheken setzten Marketing fast ausschließlich mit Rabattaktionen gleich. Dabei übersehen sie, dass die Kunden solche Werbung heute immer stärker ausblenden, weil sie von zu vielen Seiten mit Angeboten überschüttet werden. Wie können Sie dennoch zum Kunden durchdringen?

Durch unser Studium quellen wir über vor Fachwissen, wir besuchen laufend Schulungen und sammeln täglich echte Praxiserfahrung im Kundengespräch. Das Problem: Viele Kunden wissen gar nicht, dass sie auf diesen Erfahrungsschatz zugreifen können. Das ist auch nachvollziehbar, denn die Hersteller bewerben die Eigenschaften ihrer Produkte, und viele von uns nur den Preis. Wer aber bewirbt unsere Kompetenz?

Die Kunden abholen

Hinter Content Marketing steckt die Idee, Kunden über Inhalte zu erreichen und zu binden. Dabei werden Probleme, Herausforderungen und Trends angesprochen, mit denen die Zielgruppe aktuell konfrontiert ist. Im Unterschied zum klassischen Marketing bewirbt man also nicht harte Fakten. Vielmehr geht es darum, in Form von Beiträgen Hintergrundinformationen zu geben, die den Kunden einen Nutzen bringen.

Die Kunden kaufen heute nicht nur anders ein als früher, sondern sie informieren sich auch anders. Wenn Sie sich daher als Experte positionieren wollen, müssen Sie Ihre Kompetenz auch dort sichtbar machen, wo die Kunden sind: Im Netz. Zum Glück stehen Ihnen dafür heute viele einfache, hervorragend geeignete und größtenteils kostenlose Tools zur Verfügung: Vom Blog über Newsletter und Podcasts bis hin natürlich zu Social Media. Zudem geben immer mehr Menschen Videos den Vorrang vor Texten. Um dieser Entwicklung nachzukommen, könnten Sie z.B. einen YouTube-Kanal starten.

Wie Sie loslegen

Am Anfang eines jeden Content-Marketing-Unterfangens steht die Positionierung. Bevor Sie einen ersten Beitrag – sei es einen "normalen" Artikel oder das Skript für ein Video – schreiben, sollte Ihnen klar sein, worum es gehen soll und wen Sie ansprechen wollen. Auch wenn wir Apotheker natürlich über Wissen auf den verschiedensten Gebieten verfügen, sollten Sie sich zwei bis maximal drei Themenbereiche heraussuchen. Dabei reicht es nicht aus, irgendwelche Inhalte diffus zusammenzutragen. Sie benötigen vielmehr eine fokussierte Strategie, um sich emotional beim Kunden zu positionieren.

Direkt danach sollten Sie sich Gedanken über Ihr Publikum machen. Denn es ist oft schwierig, guten Content auf "die Leser" zuzuschneiden. Allein schon von "den Lesern" zu sprechen, ist viel zu unspezifisch! Der Ausweg: Man bedient sich sogenannter Personas. Das sind fiktive Kunden, die Sie am Reißbrett erstellen und die alle Eigenschaften, Bedürfnisse und Ziele Ihrer echten Kunden haben.

Ein Beispiel für eine Persona: Sabine, 37 Jahre, hat zwei Kinder im Kindergartenalter und ist im sechsten Monat schwanger. Sie arbeitet Teilzeit in einer Bank und reist mit Ihrem Mann gerne und viel um die Welt. In ihrer Freizeit singt Sabine im Kirchenchor und brennt fürs Theater.

Je genauer Sie eine solche Persona beschreiben, desto besser. Wenn Sie nun einen Beitrag verfassen, denken Sie an Sabine:

  • Was würde sie interessieren?
  • Wo recherchiert sie (sonst)?
  • Welche Ängste und Probleme hat sie aktuell?
  • Wie können Sie ihr als Apotheke helfen?

Jetzt wird Ihnen das Schreiben viel einfacher fallen, denn es ähnelt Ihrem Alltag in der Apotheke: Hier beraten Sie Ihre Kunden auch persönlich und individuell.

Wie Sie Interesse wecken

Und da sind wir auch schon beim wichtigsten Qualitätsmerkmal: Alle Inhalte, die sie bearbeiten, müssen für die Zielgruppe – in unserem Fall also für Sabine – relevant sein. Durch eine genaue Analyse können Sie Themen zusammentragen, die interessant sind, der Zielgruppe einen Mehrwert oder eine neue Sichtweise aufzeigen und gleichzeitig ebenso zu Ihrer Marke wie zu Ihrer Positionierung passen.

Im Anschluss empfiehlt es sich, einen genauen Content-Plan zu erstellen: Wann veröffentlichen Sie welche Inhalte? Hiermit vermeiden Sie, nach und nach in andere Themenbereiche abzudriften und Ihr Profil zu verwässern.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Wenn Content – also der Inhalt – die beste Art ist, um Kompetenz zu vermitteln, warum sind dann die Hörsäle in der Uni oft so leer? Schließlich teilen Professoren hier ihr enormes Fachwissen mit allen Studenten, die hierzu sogar später das Examen machen (müssen).

Der Schlüssel liegt im Storytelling: Bereiten Sie qualifizierte Inhalte in Form einer Geschichte aus der Erzählerperspektive auf. Denken Sie dabei wieder an Sabine, und schreiben Sie keinen Fachartikel über Medikamente in der Stillzeit. Denn um so etwas zu lesen, würde Sabine eher ein Fachbuch zu Rate ziehen. Erzählen Sie vielmehr z.B. über die Schwierigkeiten, die Sie selbst nach der Geburt Ihrer Tochter hatten, und wie Sie sie mit Salben und der richtigen Stilltechnik in den Griff bekommen haben. Was haben Sie damals gefühlt?

Oder ein aktuelles Beispiel: Wie gehen Sie in Ihrer Familie mit der Coronakriseum? Welche Konsequenzen ziehen Sie für Ihre Kinder, für den (virtuellen) Kontakt mit Verwandten und Freunden oder für Ihr Einkaufsverhalten?

Informationen, die Sie auf diese Art vermitteln, sind sehr glaubwürdig. Zeigen Sie dabei auch ruhig mal eine Schwäche, und schildern Sie, wie Sie sie überwunden haben. Kunden lieben solche Erfolgsstorys!

Sie merken wahrscheinlich selbst, dass solche persönlichen Schilderungen Sabine viel neugieriger machen werden als das stupide Aneinanderreihen von Fakten. Das gilt für die Vermittlung von allen Informationen, auch für die von Vergleichen und Testberichten: Warum empfehlen Sie ein Medikament gerne? Wieso haben Sie sich gerade für diese Kosmetiklinie entschieden? Informieren Sie Ihre Zielgruppe nicht nur, sondern machen Sie die Produkte und Ihren Alltag erlebbar. So werden Sie immer stärker als Experte wahrgenommen. Außerdem bleiben Geschichten viel länger haften – weshalb Besucher etwa auch Ihre Homepage viel schneller weiterempfehlen werden.

Wichtig: Bleiben Sie in Ihren Schilderungen immer auf Augenhöhe mit Ihrer Zielgruppe. Vermeiden Sie daher Fachworte und zu viele Details.

Ideen gegen die Ideenlosigkeit

Gerade am Anfang fällt es oft schwer, Themen zu finden. Dabei haben wir es recht einfach, kommen doch jeden Tag hunderte "Geschichten" in unsere Apotheken. Betrachten Sie daher jede Kundenberatung auch als Content-Inspiration. Wenn eine junge Mutter vor Ihnen steht: Was stellt sie für Fragen? Bei welchem Ihrer Ratschläge hakt sie nach? Welche Vorbehalte hat sie?

Lesen Sie auch die fachbezogenen Medien mit offenen Augen, die "Deutsche Apotheker Zeitung" (DAZ) genauso wie PTA-Zeitschriften oder die "Umschau". Welche Themen werden hier aufgegriffen? Haben Sie eine persönliche Sichtweise oder einen "Geheimtipp" dazu?

Hilfreich sind auch Themenserien: Legen Sie ein Oberthema fest (wie etwa "Probleme in der Stillzeit"), und machen Sie eine Serie mit z.B. zehn Artikeln daraus.

Beziehen Sie für neue Ideen unbedingt Ihr Team mit ein. Und vielleicht ist Schreiben ja auch das heimliche Hobby einer PTA?

Die Investition lohnt sich

Natürlich dauert es ein wenig, gute Artikel und Geschichten für die Kunden zu schreiben. Allerdings ist die Zeit, die Sie dafür investieren, auf Dauer ausgezeichnet angelegt. Ein Preisflyer macht auch Arbeit, ist aber nach wenigen Tagen vergessen. Ein guter Artikel über Stillprobleme ist dagegen zeitlos und kann über Jahre neue Kundinnen ansprechen.

Der Erfolg von Content Marketing ist nicht so schnell spürbar wie eine kurzfristige Absatzsteigerung beim Preismarketing. Dafür ist er aber viel nachhaltiger. Vertrauen und Kundenbindung können bereits sehr früh entstehen. Auch wenn Sabine gerade noch keine Kundin Ihrer Apotheke ist: Wo wird sie wohl ihre Medikamente kaufen, wenn sie tatsächlich Stillprobleme bekommt?

Simon Nattler, Inhaber der ELISANA-Apotheken, Gründer der Team-App apocollect, 45896 Gelsenkirchen, E-Mail: inbox@apocollect.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(08):8-8