Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in der Apotheke

Besser Vorbeugen als Haften!


Dr. Dennis Effertz

Regelmäßige Pflichtschulungen in Apotheken sollen zumeist die Sicherheit von Patienten und Mitarbeitern gewährleisten und nicht zuletzt auch Sie als Chef vor Haftungsansprüchen schützen. Oftmals vergessen wird dabei das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Arbeitgeber müssen aufgrund unterschiedlicher Rechtsnormen regelmäßig Pflichtunterweisungen zum Schutz ihrer Beschäftigten oder von Dritten durchführen. Umfang und Inhalt variieren dabei branchen-, tätigkeits- und arbeitsplatzabhängig. So lassen sich arbeitgeberübergreifende von apothekenspezifischen Inhalten unterscheiden. Zu ersteren zählen z.B. der Arbeits- und der Datenschutz oder Gefahrstoffe, zu letzteren etwa die Herstellung, Prüfung und Lagerung von Arzneimitteln, die Hygiene oder Blutuntersuchungen. Je nach Apotheke kommen gegebenenfalls weitere Pflichtschulungen hinzu (z.B. zur Heimversorgung).

Die Grundlagen des AGG

Während Apothekenchefs die aufgezählten Pflichtschulungen gewöhnlich kennen, sie daher zumeist regelmäßig durchführen (lassen) und auch ordnungsgemäß im Qualitätsmanagement-System dokumentieren, vergessen sie das Thema "Antidiskriminierung" oftmals. Das kann im Zweifel teuer werden, da Sie als Arbeitgeber gemäß §12 AGG zu der entsprechenden Schulung verpflichtet sind. Können Sie im Streitfall nicht nachweisen, dass Sie die Unterweisung durchgeführt haben, drohen Ihnen aufgrund der Beweislastumkehr gemäß §22 AGG bedeutend höhere Schadensersatz- bzw. Entschädigungszahlungen, als wenn Sie Ihre Pflicht ordnungsgemäß erfüllt haben.

Der gedankliche Ausgangspunkt des Gesetzes ist denkbar einfach: Alle Menschen sind gleich, sie sind gleich wichtig und haben die gleichen Rechte. Das AGG flankiert damit Art. 2 unseres Grundgesetzes (Gleichbehandlungsgebot und Diskriminierungsverbot).

In Kraft getreten ist das AGG bereits 2006. Ziel des Gesetzgebers war es, Arbeitnehmer vor einer unzulässigen, nicht gerechtfertigten Diskriminierung durch Arbeitgeber oder Dritte zu schützen. Das AGG verbietet es explizit, Personen zu benachteiligen, wenn es um

  • den Zugang zur Erwerbstätigkeit (Einstellungsverfahren),
  • die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (z.B. [Not-]Dienstplanung, Gehalt) sowie um
  • die berufliche Aus- und Weiterbildung (inklusive Beförderungsverfahren) geht.

Neben den Beschäftigten genießen nach §6 auch arbeitnehmerähnliche Personen den Schutz des AGG. Damit sind Selbstständige gemeint, mit denen Sie zwar keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben, die jedoch wirtschaftlich von Ihnen abhängig sind, wie beispielsweise Boten oder Reinigungskräfte.

Übrigens: Nach §12 AGG müssen Sie Folgendes in der Apotheke aushängen bzw. auslegen:

  • das AGG selbst,
  • §61b des Arbeitsgerichtsgesetzes ("Klage wegen Benachteiligung") sowie
  • Informationen über Stellen, an die man sich bei Verstößen wenden kann.

Wen das AGG schützen soll

Nicht gerechtfertigt ist eine Benachteiligung grundsätzlich dann, wenn sie aufgrund eines sogenannten geschützten Merkmals erfolgt, das der Benachteiligte – anders als seine Leistungen – nicht selbst beeinflussen kann. §1 AGG nennt die folgenden geschützten Merkmale:

  • Rasse und ethnische Herkunft,
  • Geschlecht und sexuelle Identität,
  • Religion und Weltanschauung,
  • Behinderung und
  • Alter.

Dabei handelt es sich um eine abschließende Aufzählung. Das AGG schützt jedoch auch vor Diskriminierung, die im Zusammenhang mit einem geschützten Merkmal steht, wie etwa vor einer Diskriminierung wegen des Tragens religiöser Symbole. Denn das ist selbstredend unabdingbar mit dem Merkmal "Religion" verknüpft. Auch eine Erkrankung kann hierzu zählen – und zwar dann, wenn sie ursächlich für eine altersuntypische Abweichung des körperlichen bzw. geistigen oder seelischen Zustandes ist und damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einschränkt ("Behinderung"). Das gilt z.B. für HIV-Patienten, die durch ihre Erkrankung im Alltag stigmatisiert werden.

Unmittelbar oder mittelbar diskriminiert?

Nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine mittelbare Diskriminierung ist unzulässig. Was ist der Unterschied?

Wenn Sie beispielsweise eine schwangere Bewerberin wegen des voraussichtlichen Arbeitsausfalls ablehnen, läge eine unmittelbare Diskriminierung vor. Die Schwangerschaft als Ursache für den Arbeitsausfall lässt sich dem Merkmal "Geschlecht" direkt zuordnen.

Schreiben Sie eine Stelle als "Hilfskraft mit Deutschkenntnissen" aus, obwohl diese Kenntnisse für die Tätigkeit grundsätzlich nicht erforderlich wären, handelt es sich hingegen um eine mittelbare Diskriminierung. Denn betroffen wären letztlich überwiegend Personen mit Migrationshintergrund, die Sie damit zwar nicht explizit, wohl aber rein faktisch vom Bewerbungsverfahren ausschließen würden.

Null-Toleranz bei Belästigungen

Weiterhin soll das AGG vor Belästigungen schützen (§3 Abs. 3 und 4). Um Belästigungen handelt es sich generell dann, wenn ein Umfeld geschaffen wird, das die Würde einer Person verletzt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Einschüchterungen und Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen begünstigt oder toleriert werden ("Mobbing").

Ein Spezialfall ist die sexuelle Belästigung. Sie liegt bei unerwünschtem, sexuell bestimmtem Verhalten vor, so z.B.

  • bei sexuellen Handlungen bzw. Berührungen,
  • beim Vorführen entsprechender Videos bzw. Aufnahmen sowie
  • bei Witzen und Anmerkungen sexuellen Inhalts.

Hier müssen Sie jeweils eine "Null-Toleranz-Politik" garantieren: Bleiben Sie untätig oder ergreifen offensichtlich ungeeignete Maßnahmen, um die Betroffenen zu schützen, dürfen diese ihre Leistung verweigern – und hätten trotzdem einen Anspruch auf ihre vollen Bezüge (§14 AGG).

Sie haften auch für andere!

Als Arbeitgeber haften Sie nicht nur, wenn Sie selbst jemanden diskriminieren, sondern auch, wenn Sie einen Mitarbeiter entsprechend anweisen. Ebenfalls haften Sie für "Störer" im Team, die Sie daher gleichermaßen sanktionieren müssen. Je nach Schwere des Verstoßes sind insbesondere im Wiederholungsfall alle arbeitsrechtlichen Mittel zu ergreifen – von einer Abmahnung über eine Um- bzw. Versetzung (in eine andere Filiale) bis hin zur Kündigung.

Verantwortlich sind Sie auch, wenn ein von Ihnen beauftragter externer Dritter (wie z.B. eine Personalagentur, die eine Stelle für Sie ausschreibt) jemanden diskriminiert. Zudem müssen Sie Maßnahmen ergreifen, um Ihre Mitarbeiter vor Dritten (wie z.B. Lieferanten oder Kunden) zu schützen.

Fazit

Als Arbeitgeber müssen Sie jegliche Diskriminierung unterbinden. Setzen Sie dabei vor allem auf Präventivmaßnahmen wie die Pflichtschulung. Gerade in Apotheken als zentrale Anlaufstellen der Gesundheitsversorgung darf Diskriminierung keinen Platz haben!

Zum Weiterlesen und Schulen

Effertz, D. A.: Pflichtschulung Antidiskriminierung, Deutscher Apotheker Verlag: Stuttgart 2020

Dr. Dennis A. Effertz, LL.M. Apotheker und Jurist (Medizinrecht), Experte für Apotheken- und Sozialrecht, 79110 Freiburg/Breisgau, E-Mail: kontakt@dr-effertz.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(10):14-14