Hausapotheke mal anders

Homeoffice in der Apotheke – geht das?


Simon Nattler

Durch die Coronakrise hat der Trend zu Homeoffice Aufwind bekommen. Selbst Apotheken er-lauben ihren Mitarbeitern, Aufgaben von zu Hause aus zu erledigen. Aber auch nach der Krise kann diese Arbeitsform interessant sein, sollte aber gut geplant und klar kommuniziert werden.

Die Arbeitswelt verändert sich – und mit ihr die Ansprüche der Mitarbeiter. "New Work" ist in aller Munde: Billardtische im Büro, flexible Arbeitszeiten und natürlich das Angebot, auch außerhalb des Büros zu arbeiten. Während die ersten beiden Maßnahmen in Apotheken meist an den begrenzten Flächen bzw. starren Öffnungszeiten scheitern, stellt sich doch die Frage, wie es mit der Arbeit von zu Hause aus aussieht?

Vorteile und Herausforderungen

Der Gedanke, zumindest einige Wochenstunden in der eigenen Wohnung zu arbeiten, bindet das derzeitige Personal und zieht zudem viele Bewerber an – gerade in unserer Branche kann dies ein Wettbewerbsvorteil sein, da noch nicht viele Kollegen solche Arbeitsmodelle anbieten.

Trotzdem wird Homeoffice noch von vielen Inhabern strikt abgelehnt. Der Hauptgrund: Es fehlen die Kontrolle und die Gewissheit, dass der Mitarbeiter auch tatsächlich so lange wie vereinbart arbeitet. Aber kommt es darauf wirklich immer an?

Sehen Sie es doch einmal aus einer anderen Richtung: Ist es nicht im Grunde egal, wie lange ein Mitarbeiter für eine Aufgabe benötigt, wenn das Ergebnis stimmt? Außerdem: In der Apotheke können Sie zwar die Anwesenheit kontrollieren, die Produktivität dagegen weniger. Viele Angestellte strengen sich zu Hause sogar besonders an, weil sie zeigen möchten, dass sie das Vertrauen ihres Chefs honorieren. Und natürlich: Man schaut zu Hause während der Arbeitszeit ebenfalls mal aus dem Fenster. Aber dafür fällt auch das ein oder andere nicht zwingend nötige Schwätzchen aus.

Heutzutage wird es immer wichtiger, dass Inhaber gerade in Detailfragen nicht ständig alles im Griff behalten wollen. Denn durch die vielfältigen Anforderungen wird es zukünftig nicht mehr ohne Eigenverantwortung der Mitarbeiter gehen – und das müssen sowohl das Team als auch der Chef lernen. Homeoffice in begrenztem Umfang ist für beide Seiten eine gute Möglichkeit, sich an das Thema heranzutasten.

Was ist möglich?

So gesehen ist Homeoffice ja ein schöner Gedanke – aber die Kunden kommen doch in die Apotheke!? Klar, so flexibel wie andere Berufe sind wir nicht. Allerdings lassen sich viele der organisatorisch-bürokratischen Pflichten, die uns das Leben zunehmend schwer machen, ins Homeoffice auslagern – sodass sich die Mitarbeiter in der Apotheke durchgängig den Kunden widmen können.

Dabei muss nicht unbedingt Präsenz- in Homeoffice-Zeit umgewandelt werden. Für beide Seiten ist es oft die beste Lösung, einfach die Stundenzahl zu erhöhen. Das ist gerade bei einem Fachkräftemangel eine sehr gute und schnell umsetzbare Option, um vor allem die pharmazeutische (!) Personaldecke in der Apotheke zu erhöhen. Und auch für Mitarbeiter, die gerne mehr verdienen würden, das aber ansonsten aufgrund privater Verpflichtungen nicht realisieren könnten, ist dies der Königsweg.

Ich selbst beschäftige daher seit Jahren Mitarbeiter auch im Homeoffice, und zwar in unterschiedlichsten Tätigkeiten, wie z.B.:

  • Einsatz- und Urlaubsplanung,
  • Retaxations-Bearbeitung,
  • Qualitätsmanagement (QM),
  • Vorbereitung von Aktionen und Angeboten,
  • Interaktionschecks (Arzneimitteltherapiesicherheit) und
  • Online-Shop-Pflege (Texte, Pricing usw.).

Dabei fahren wir je nach Aufgabe unterschiedliche Modelle: Während einige Apotheker umfangreiche Interaktionsprüfungen in unregelmäßigen Abständen zu Hause durchführen, arbeiten das QM- und das Arbeitsplanungsteam zu fest vereinbarten Zeiten im Homeoffice, damit die Mitarbeiter stets erreichbar sind.

Wie gehen Sie vor?

Obwohl Homeoffice in den vier Wänden der Mitarbeiter stattfindet, sind auch Sie als Arbeitgeber verantwortlich. Sie müssen daher einige Vorkehrungen und Prüfungen durchführen, die aber keine größere Hürde darstellen.

Kandidaten für das Homeoffice sollten bestenfalls schon vorher durch eine motivierte und eigenständige Arbeitsweise aufgefallen sein. Klären Sie dann in einem Vorgespräch, ob die Arbeit außerhalb der Apotheke überhaupt infrage kommt. Hier spielt – neben Aufgabenbereich und Zeitumfang – vor allem die private Situation eine Rolle: Können Zeiten sicher geblockt werden, oder sind kleine Kinder zu versorgen? Und gibt es die Möglichkeit, in der Wohnung einen abgetrennten Arbeitsplatz einzurichten?

Anschließend sind die erforderlichen Geräte festzulegen. Zumeist reicht ein Laptop mit der Standardsoftware (Internetbrowser, Office-Paket etc.) aus. Denn heutzutage ermöglichen viele Warenwirtschaftsanbieter ebenso wie die Abrechnungszentren eine Datenanalyse über das Web. Komplizierter wird es, wenn Mitarbeiter einen Zugang zum ABDATA-Artikelstamm oder auf die Kundendaten benötigen. Hier hilft eine Fernwartungssoftware, mit der vom heimischen Rechner auf PCs in der Apotheke zugegriffen werden kann.

Nicht vernachlässigen sollte man die Erreichbarkeit. Das Telefon ist nur selten eine gute Option, da es die Konzentration unterbricht und feste Arbeitszeiten erfordert. Vorteilhafter ist die Nutzung einer Team-App, mit der gechattet und diskutiert werden kann.

Weiterhin müssen Sie (datenschutz-)rechtliche Vorbereitungen treffen. Meistens liegen Daten nur digital vor und lassen sich mit einem Arbeits-Laptop und sicheren Passwörtern gut vor anderen Familienmitgliedern schützen. Eine private Zweitnutzung des Notebooks sollte genauso ausgeschlossen sein wie frei herumliegende Akten. Legen Sie vorab fest, wie mit welchen Dokumenten umzugehen ist und welche sensiblen Daten (Rezepte, Akten, Speichersticks etc.) nicht mit nach Hause genommen werden dürfen.

Gut geschützt ist halb gewonnen

In der Apotheke wird es vor allem um Homeoffice für wenige Stunden in der Woche gehen. Dann sind die Regelungen zum Arbeitsschutz deutlich flexibler, als wenn die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) gilt. Diese bezieht sich auf Telearbeitsplätze, die entstehen, wenn der Arbeitgeber die privaten Räumlichkeiten umfangreicher ausstattet oder die Tätigkeit überwiegend zu Hause durchgeführt werden soll. Ein ausreichender Arbeitsschutz sollte dennoch Thema des Vorgespräches sein – und auch später gewährleistet werden.

Das Arbeitszeitgesetz mit Einhaltung der Ruhezeiten gilt auch in den eigenen vier Wänden. Dementsprechend sollten Sie den Umfang der Heimarbeit in jedem Fall schriftlich dokumentieren. Halten Sie auch fest, dass Sie den Mitarbeiter zur korrekten Arbeit am Bildschirm, zu rückenschonenden Sitzpositionen und anderen Risikoquellen unterwiesen haben.

Homeoffice auf Probe

Sobald die Grundlagen geklärt sind, kann es an die konkrete Umsetzung gehen. Bei uns hat es sich bewährt, zunächst ein spezielles Projekt ins Homeoffice zu verlagern, wie z.B. die Überarbeitung des QM oder die Aktionsplanung für das nächste Jahr. Hierdurch wird ein klares Ziel gesetzt und der Zeitrahmen zunächst einmal automatisch begrenzt.

Auch bei "Daueraufgaben" sollten die Erwartungen genau definiert werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Führen Sie zu Beginn regelmäßig Gespräche, und bestehen Sie auf Zwischenberichte. Bei Erfolg können diese mit der Zeit minimiert werden.

Bitte vergessen Sie nicht, die Homeoffice-Regelungen offen zu kommunizieren, damit sich niemand ungleich behandelt fühlt. Denn nicht jeder Mitarbeiter kann Aufgaben mit nach Hause nehmen. Daher sollten die Vorteile, die für die Apotheke entstehen (z.B. mehr Zeit im Handverkauf), regelmäßig in Teambesprechungen und Mitarbeitergesprächen thematisiert werden.

Homeoffice bringt der Apotheke viele Vorteile – und ist durch die Digitalisierung so einfach zu realisieren wie nie zuvor. Trauen Sie sich! Sie werden sehen: Ihre Mitarbeiter werden es Ihnen danken – und auch in der Apotheke selbst deutlich motivierter arbeiten.

Simon Nattler, Inhaber der ELISANA-Apotheken, Gründer der Team-App apocollect, 45896 Gelsenkirchen, E-Mail: inbox@apocollect.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(10):10-10