Externe Betriebsvergleichszahlen 2019

Starkes Umsatzplus, kaum Gewinnzuwachs


Guido Michels

Die Apothekenumsätze haben 2019 stärker als in den Jahren zuvor zugelegt. Dies lag größtenteils an höherpreisigen Rx-Arzneimitteln – und kaum an gestiegenen Absätzen. Wegen Wareneinsatz- und Kostensteigerungen blieb nur ein Betriebsergebnis-Plus von 5.500 € vor Steuern.

Im vergangenen Jahr sind die Umsätze je Apotheke in Deutschland mit 5,9% so stark gestiegen wie schon lange nicht mehr. Dabei legte vor allem das Segment der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit 6,5% in West wie Ost zu. Die Umsätze im Handverkauf (Privatrezepte, Selbstmedikation und Freiwahl) stiegen um 4,0% (West) bzw. 3,0% (Ost) und damit ebenfalls etwas stärker als 2018 (Abbildung 1).

Wesentliche Treiber waren teure, innovative Arzneimittel und die vermehrte Abgabe von Grippeimpfstoffen. Die Menge an abgegebenen Packungen entwickelte sich mit einem Plus von 1,2% zwar ebenfalls positiv. Dennoch legten Preise bzw. Umsätze wesentlich stärker zu – was wiederum Auswirkungen auf die Wareneinsatzentwicklung hatte.

Ungleiche Umsatzentwicklung

Rund 78% aller Apotheken konnten 2019 Umsatzsteigerungen verzeichnen. Allerdings offenbaren sich auf den zweiten Blick Ungleichverteilungen, die teils seit Jahren bestehen (Tabelle 1):

  • Umsatzstarke Apotheken profitieren mehr vom Wachstum als umsatzschwache. Die großen Apotheken wachsen überproportional, die kleinen stagnieren oder scheiden sogar aus dem Markt aus.
  • Gewinnstarke Apotheken wachsen stärker als gewinnschwache. Anscheinend hängen Umsatzentwicklung und wirtschaftlicher Erfolg zusammen, sodass erfolgreich geführte Apotheken überproportional wachsen.

Eine Apotheke in Deutschland macht inzwischen im Schnitt jährlich mehr als 2,6 Mio. € Umsatz. Allerdings liegen 60% aller Betriebe unter diesem Durchschnitt – auch hier dokumentiert sich die Ungleichverteilung. Außerdem steigt der Anteil der Apotheken mit überdurchschnittlichen Umsätzen an. Am oberen Ende findet man Betriebe mit Umsätzen von 5,0 Mio. € aufwärts, die sich nur noch schwer mit durchschnittlichen Betrieben vergleichen lassen.

Die unterschiedliche Umsatzentwicklung hat Auswirkungen auf Rohgewinne und Erträge. Apotheken sollten daher auf monatliche Analysen zurückgreifen, die den Umsatz getrennt nach GKV, privater Krankenversicherung (PKV) und Over-the-Counter (OTC)-/Freiwahl-Sortiment ausweisen. Besondere Umsatzsegmente (wie Hochpreiser, Heim- oder Krankenhausbelieferungen) sollten getrennt ausgewiesen werden, um Verfälschungen zu vermeiden. Es empfiehlt sich, die Auswertungen um Kunden- und Packungszahlen zu ergänzen.

Rohgewinne: Prozentual so niedrig wie noch nie

Die Rohgewinne der Apotheken sind 2019 um 3,0% bis 3,5% und damit geringer als die Umsätze gestiegen. Mit 23,5% im Westen und 20,9% im Osten waren die Rohgewinne prozentual so niedrig wie noch nie (zur Entwicklung bis 2018 vgl. AWA 11/2019). Dieser starke Rückgang überrascht nicht, wenn man die beschriebene Umsatzentwicklung im Hinterkopf hat. Denn der deutliche Umsatzanstieg, der vor allem auf teurere Arzneimittel zurückzuführen ist, lässt die prozentuale Marge aufgrund der Vergütungssystematik automatisch sinken.

Um die Entwicklung richtig einordnen zu können, ist es sinnvoll, sich auch die absoluten Rohgewinne anzusehen: Sie lagen 2019 um 15.000 bis 20.000 € höher als 2018. Dieser absolute Anstieg ist wichtig und nötig für die Apotheken, um die steigenden Kosten auszugleichen. Neben dem beschriebenen Preiseffekt wirken noch viele andere Faktoren auf den Rohgewinn ein. Bei der Ursachenforschung für Rohgewinnveränderungen bietet sich daher auch ein Blick auf Folgendes an:

  • Umsatz: Haben sich die Anteile von GKV/PKV/OTC verändert? Gab es Sonderumsätze mit hohen/niedrigen Spannen? Wurde der Warenaustausch mit Filialen korrekt verbucht? Sind Retaxationen angefallen? Wurden alle Rechnungen gestellt? Gab es Verschiebungen von Rezepten?
  • Einkauf: Sind die Einkaufsvorteile marktüblich? Wurden vereinbarte Konditionen eingehalten? Sind Malus, Gebühren oder Ausschlüsse gestiegen?
  • Lager: Wurden Inventurwerte nicht geliefert, oder sind die Werte unstimmig? Ist die Anzahl verfallener oder unverkäuflicher Artikel angestiegen? Sind alle Waren und Retouren korrekt verbucht?
  • Preise: Hat sich der Rx-Durchschnittspreis verändert? Ist die Preiskalkulation marktüblich und/oder wurde sie verändert? Gab es Aktionen und Rabatte für Kunden?
  • Manipulationen: Hat es Diebstähle durch Kunden oder Mitarbeiter gegeben bzw. "Eingriffe" in die Kasse?

Kostensteigerungen in West und Ost

Die Gesamtkosten der Apotheken sind 2019 mit rund 3,0% in etwa genauso stark gestiegen wie die Rohgewinne. Absolut haben die Apotheken etwa 10.000 € bis 15.000 € mehr ausgegeben als im Vorjahr. Aufgrund der Umsatzzuwächse lagen sie aber mit 17,9% im Westen und 15,0% im Osten etwa einen halben Prozentpunkt unter dem Niveau von 2018.

Höhere Ausgaben gab es vor allem beim Personal – durch die Tariflohnerhöhung. Im Westen lagen die Personalkosten bei 10,9% vom Umsatz, im Osten bei 8,9%. Dabei handelt es sich ausschließlich um die Personalkosten für Mitarbeiter. Ein kalkulatorischer Unternehmerlohn ist nicht enthalten. Die sonstigen Kosten lagen absolut auf dem Niveau des Vorjahres, im Verhältnis zum Umsatz mit 7,0% (West) und 6,1% (Ost) leicht darunter.

Wer sich vornimmt, das Apothekenergebnis zu steigern, indem er Kosten einspart, sollte sich einerseits vergegenwärtigen, dass manche Positionen kurzfristig nicht veränderbar sind. Dazu zählen zum Beispiel Miete, Abschreibungen sowie Zinsen bzw. Tilgungen. Andererseits lässt sich die Höhe derjenigen Kosten, die man selbst beeinflussen kann, nur in wenigen Fällen so verändern, dass dies wirklich spürbar ist. Als veränderbare Kosten mit höherem Erfolgsbeitrag sind vor allem Personal-, Werbungs- und (mit Abstrichen) Fahrzeugkosten zu nennen.

Geringes Plus beim Betriebsergebnis

Die Betriebsergebnisse der Apotheken lagen Ende 2019 im Westen bei 5,6%, im Osten bei 6,0% vom Umsatz. Hinzu kamen aber noch durchschnittlich 6.000 € Zuschuss aus dem Nacht- und Notdienstfonds. Prozentual war das Ergebnis geringer als im Vorjahr, absolut erreichten die Apotheken ein Plus von 5.500 €.

In unseren Berechnungen sind weder kalkulatorische Kosten enthalten, noch ist ein Unternehmerlohn abgezogen worden. Um das Betriebsergebnis vor Steuern mit dem Einkommen von angestellten Apothekern vergleichbar zu machen, muss man auf den Verfügungsbetrag des Unternehmers abstellen. Dieser errechnet sich aus dem Betriebsergebnis abzüglich Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und gegenläufiger Gewerbesteueranrechnung. Außerdem sind die persönlichen Aufwendungen für das Versorgungswerk sowie für die Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Weiterhin müssen die Wertminderungen von Vermögensgegenständen (Abschreibungen) den geleisteten Tilgungen für Kredite entgegengestellt werden.

Der Vergleich der eigenen Zahlen mit den hier veröffentlichten Durchschnittswerten gibt eine erste Orientierung. Wer allerdings Benchmark-Daten zur Steuerung der eigenen Apotheke einsetzen will, kommt nicht umhin, passgenauere Vergleichsgruppen zu wählen. Unterstützung finden Sie bei spezialisierten Beratern, die solche Daten z.B. differenziert nach Umsatzhöhe, Geschäftslage oder Apothekentyp (Einzel-, Haupt-, Filialapotheke) aufbereiten können.

Ausblick durch Coronakrise unmöglich

Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre war auf dem Apothekenmarkt recht gleichförmig: Umsatz-, Wareneinsatz- und Kostensteigerungen bei sinkender Betriebsstättenzahl fielen in ähnlichen Ausmaßen an. So haben sich die Prognosen von Jahr zu Jahr nur wenig unterschieden. Auch für 2020 hätte der Ausblick ähnlich gelautet – bis Corona kam. Denn die Krise setzt nicht nur Wirtschaft und Bevölkerung unter Schock, sondern wirkt sich auch bis in die Apotheken aus. Wie sich die Situation im Gesamtjahr entwickelt, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie, vom Verhalten der Kunden und Patienten sowie von den Vorgaben der Regierung ab. Einige Trends lassen sich aber heute schon feststellen:

  • Berg- und Talfahrt beim Umsatz: Die ersten drei Monate des Jahres waren gekennzeichnet durch Umsatzsteigerungen – am stärksten im März, in dem durchschnittlich 20% bis 30% mehr Umsatz erwirtschaftet und Packungen abgegeben wurden als im Vorjahr. Doch erste Daten vom April deuten an, dass die Umsätze anschließend wieder gesunken sind, da die Patienten sich bevorratet hatten und ihre Arztbesuche aufschoben. Viel wird davon abhängen, ob sich der Umsatz in den kommenden Monaten wieder normalisiert. Dann wäre für das Gesamtjahr ein Umsatzplus zu erwarten. Bleiben aber die Praxen leer, weil die Einschränkungen andauern oder die Patienten weiterhin ihre Arztbesuche zurückstellen, werden auch die Apothekenumsätze sinken.
  • Betroffene Standorte: Apotheken in Frequenzlagen (z.B. in Bahnhöfen, Einkaufszentren oder Fußgängerzonen) haben wochenlang einen heftigen Kundenrückgang erlitten. Manche Kollegen mussten zudem angegliederte Kosmetikstudios, Sanitätshäuser etc. schließen. Auch wenn durch die Lockerungen jetzt wieder Menschen in die Städte und Einkaufszentren gehen, ist es unsicher, ob und wann die für den Betrieb nötigen Kundenzahlen wieder erreicht werden. An manch einem Standort dürfte es wirtschaftlich eng bleiben.
  • Erhöhte Kosten: Apotheken haben einen hohen Aufwand betrieben, um die Hygienevorschriften zu erfüllen und ihre Patienten ebenso wie ihre Mitarbeiter zu schützen. Der Einbau von Plexiglaswänden, die Beschaffung von Schutzkleidung, getrennte Teams in Schichtarbeit – diese und andere Maßnahmen haben neben Zeit vor allem Geld gekostet.
  • Käufe und Verkäufe: Es ist zu beobachten, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer (vorerst) mehrfach Abstand von Apothekenübertragungen genommen haben. Dies dürfte zumeist an der allgemeinen Verunsicherung und den Einschränkungen liegen. Auch wenn sich unseres Erachtens an den mittel- und langfristigen Aussichten für Apotheken wenig ändert, sind Apothekenübertragungen derzeit schwieriger als zuvor.
  • Hilfen: Es gibt eine Reihe von unterstützenden Maßnahmen für Betriebe, die von der Coronapandemie wirtschaftlich betroffen sind. Die Beratung dazu kann zu 100% gefördert werden.

Abgesehen von der Coronapandemie ist das Themenfeld Telematik bzw. E-Rezept von größter Wichtigkeit für Apotheken. In den kommenden Monaten stellen sich entscheidende Weichen im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung und Honorierung. Dies alles wird viele apothekenpraktische Fragen aufwerfen und den Arbeitsalltag in den Offizinen stark verändern. Daher sollten Sie sich schon heute Gedanken über die technischen Möglichkeiten und die Arbeitsprozesse machen, um gut für den Tag X vorbereitet zu sein.

Guido Michels, Diplom-Ökonom , Treuhand Hannover GmbH, 30519 Hannover, E-Mail: guido.michels@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(11):6-6