"Das ergibt doch alles keinen Sinn!"

Wie Sie den Jobs Ihrer Mitarbeiter Sinn geben


Viktor Vehreschild

Immer mehr Beschäftigte sehnen sich nach einem Job, den sie als sinnstiftend erleben. Wie können Sie als Führungskraft das Sinnerleben Ihrer Mitarbeiter günstig beeinflussen? Vier mögliche Quellen des Sinnerlebens stehen Ihnen hierfür zur Verfügung.

"Streichen Sie die Begriffe Arbeitszeit und Freizeit aus Ihrem Wortschatz. Ersetzen Sie diese durch Lebenszeit und fragen Sie sich: Macht das alles Sinn, was ich hier mache?", hat der dm-Gründer Götz Werner einmal gesagt, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass Sinn einer der zentralen Faktoren ist, die Menschen antreiben und Wohlbefinden erzeugen. Sinnerleben bezieht sich eben nicht nur auf die Freizeit. Vielmehr trägt auch die Arbeit in entscheidendem Maße dazu bei, ob das eigene Leben als sinnvoll erlebt wird.

Die Antwort auf die Frage: "Wozu?"

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wozu Sie das alles machen? Warum gehen Sie arbeiten? Was ist der Zweck Ihres Jobs? Was treibt Sie an, jeden Tag aufs Neue Gas zu geben? Alle diese Fragen zielen auf den Sinn Ihrer beruflichen Tätigkeit ab.

Als Führungskraft genießen Sie einen Vorteil: Der Grad der wahrgenommenen beruflichen Sinnerfüllung ist bei Ihnen (zumindest in der Regel) etwas höher als bei Ihren Mitarbeitern. Eine mögliche Erklärung: Sie verfügen über mehr Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Sie können Ihre persönlichen Werte in stärkerem Ausmaß im Berufsleben umsetzen.

Sinn ist nämlich nicht etwas, das unabhängig von Ihnen existiert und das es zu entdecken gilt. Vielmehr ist Sinn rein subjektiv und wird von jedem einzelnen Menschen individuell und immer wieder neu konstruiert.

Konkretisieren wir das Ganze etwas an einem in Krankenhäusern durchgeführten Experiment. Es ging um die Frage, ob es möglich ist, das Personal durch eine gesteigerte Sinnwahrnehmung zu einer konsequenteren Handhygiene zu bewegen. Dazu wurde die Wirkung von drei Schildern mit den folgenden Hinweisen untersucht:

  1. "Bitte Hände desinfizieren!"
  2. "Handhygiene schützt Sie vor Krankheiten!"
  3. "Handhygiene schützt Patienten von Krankheiten!"

Welches Schild, denken Sie, hatte den größten positiven Effekt? Nun: Die ersten beiden Schilder führten zu keiner Verhaltensveränderung. Das dritte Schild hingegen bewirkte, dass der Verbrauch von Desinfektionsmitteln um über 45% anstieg. Durch diesen kleinen Hinweis war es den Forschern also gelungen, die Beschäftigten daran zu erinnern, aus welchem Grund sie sich die Hände desinfizieren sollten und welchen Einfluss dies auf die Patienten hat. Die Beschäftigten nahmen eine Handdesinfektion sinnhafter als zuvor wahr und änderten ihr Verhalten daher deutlich.

Wie Sie durch Führung Sinn schaffen

Sie als Arbeitgeber haben konkrete Vorteile, wenn Ihre Mitarbeiter ihre Jobs als sinnvoll erleben. Denn Beschäftigte berichten aktuellen Studien zufolge im Mittel von weniger Stress und erkranken seltener an Depressionen. Außerdem sind sie motivierter und spürbar engagierter.

Auch wenn sich der Sinn der Arbeit (und des Lebens) nicht von außen vorgeben lässt, haben Sie dennoch diverse Möglichkeiten, den individuellen Sinnkonstruktions-Prozess Ihrer Mitarbeiter durch Ihr eigenes Verhalten günstig zu beeinflussen. Wie das geht, stellen wir Ihnen nachfolgend vor. Grundlage sind die vier Quellen, die es Menschen ermöglichen, ihre Arbeit als sinnvoll zu erleben.

1. Bedeutsamkeit der Arbeit

Die Beschäftigten sollten wissen, dass ihre Arbeit einen Nutzen hat, sich also positiv auf die Prozesse im Unternehmen, auf die Kollegen und die Kunden auswirkt. Damit einher geht das Empfinden, einen wichtigen und wertvollen Beitrag zu leisten. Ein jeder sollte also denken: "Es macht einen Unterschied, dass ich da bin. Es ist nicht egal, ob und wie ich arbeite."

Praxistipps: Zumindest Ihre Mitarbeiter im Handverkauf stehen stets im Kundenkontakt und bekommen daher oftmals eine direkte Rückmeldung. Wenn Sie selbst darüber hinaus ein Feedback von Kunden oder auch anderen "Apotheken-Stakeholdern" erhalten: Geben Sie es an Ihre Mitarbeiter weiter.

Auch wichtig in diesem Zusammenhang: Wenn Sie eine Entscheidung treffen, sollten Sie am besten immer direkt die Fragen "Warum?" und "Wozu?" beantworten. Erklären Sie, welche Gründe Sie bewegt und was Sie abgewogen haben – sowie auch, was Sie mit der Entscheidung bezwecken möchten.

2. Einklang von Werten, Fähigkeiten und Interessen

Jeder Mensch hat unterschiedliche Werte, Fähigkeiten und Interessen. Je stärker eine Tätigkeit mit den individuellen Ausprägungen dieser drei "Persönlichkeitsfacetten" in Einklang steht ("Person-Job-Fit"), umso sinnstiftender wird ein Mitarbeiter sie empfinden. Ideal ist es, wenn ein Job weder als über- noch als unterfordernd oder gar als langweilig erlebt wird.

Praxistipps: Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in Ihre Entscheidungen mit ein und ermöglichen Sie Partizipation. Laden Sie die Mitarbeiter dazu ein, offen anzusprechen, wenn ihnen etwas nicht sinnvoll erscheint und sie sich unter- oder überfordert fühlen. Doch achten Sie auch darauf, sich selbst nicht angegriffen oder gekränkt zu zeigen, wenn Sie eine entsprechende Rückmeldung erhalten.

3. Zugehörigkeit

Auch auf die Menschen im Umfeld kommt es an. Denn sich zugehörig zu fühlen und Teil einer Gemeinschaft zu sein, sind zentrale menschliche Bedürfnisse. Enge Beziehungen mit den Kollegen erhöhen die Bindung an das Unternehmen und dadurch das Sinnerleben – das im Team sogar ansteckend wirken kann. Nicht zuletzt spielen Führungskräfte eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Frage, ob bzw. inwiefern sich die Beschäftigten wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen.

Praxistipps: Schaffen Sie Raum für das Wachstum von sozialen Beziehungen und Bindung. Geben Sie Ihren Mitarbeitern z.B. die Gelegenheit für den privaten Austausch, führen Sie gemeinschaftliche Aktivitäten durch und haben Sie stets ein offenes Ohr, sodass alle die Menschen hinter der beruflichen Rolle kennenlernen.

4. Identifikation mit der unternehmerischen Orientierung

In den individuellen Werten und Wertvorstellungen drückt sich aus, was einem Menschen wichtig und erstrebenswert ist. Die Werte und Wertvorstellungen bilden die Basis für Denkmuster, Einstellungen und Glaubenssätze. Und in Abhängigkeit hiervon kann der gleiche Job je nach Unternehmen und Branche unterschiedlich sinnstiftend sein. Ein Verwaltungsmitarbeiter erlebt seinen Job in einem gewinnorientierten DAX-Unternehmen vielleicht ganz anders als in einer städtischen Verwaltung oder in einem Non-Profit-Entwicklungshilfe-Unternehmen.

Die Ziele, die das Unternehmen verfolgt, und die Werte, die es lebt, bieten den Beschäftigten die Möglichkeit zur Identifikation. Und diese wiederum ist die Basis dafür, sich als Teil von etwas Größerem zu fühlen und darüber Sinnerleben zu entwickeln.

Praxistipps: Seien Sie sich Ihrer eigenen Werte und der Werte Ihres Unternehmens bewusst. Denken Sie, dass Ihren Mitarbeitern jederzeit klar ist, wofür Ihr Unternehmen im Allgemeinen und Sie als Führungskraft im Speziellen stehen? Was unterscheidet Sie von Ihren Mitbewerbern? Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern offen über diese Werte und Grundhaltungen, und diskutieren Sie, welche Werte Ihre Mitarbeiter mittragen können – und bei welchen ihnen dies noch schwerfällt.

Sprechen Sie außerdem über all jene Ihrer Aktivitäten, die einen Sinn für die Gesellschaft stiften, wie z.B. das Anbieten von Ausbildungsplätzen, Ihr soziales Engagement oder auch ein Ehrenamt.

Zu guter Letzt

Verlieren auch Sie selbst den Sinn Ihrer eigenen Tätigkeit nicht aus dem Blick. Fragen Sie sich also stets: "Was ist mein Antrieb? Was ist meine Antwort auf die Frage: 'Warum?'"

Literatur

  • Badura, B., et al. (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2019, Springer-Verlag: Berlin 2019
  • Ebner, M.: Positive Leadership, Facultas: Wien 2019
  • Rose, N.: Arbeit besser machen, Haufe-Lexware: Freiburg/Breisgau 2019

Viktor Vehreschild, Psychologie in Düsseldorf, 40223 Düsseldorf, E-Mail: mail@psychologie-in-duesseldorf.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(11):12-12