Mietkürzungen und Co. in Coronazeiten

Wie wirken sich veränderte Umstände auf Verträge aus?


Dr. Markus Rohner

Die Covid-19-Pandemie hat für viele Apotheker die Frage aufgeworfen, ob sämtliche vertragliche Leistungen aufgrund der veränderten äußeren Umstände wie bisher erbracht werden müssen. Oder darf man diese Leistungen anpassen bzw. sich gar vom Vertrag lösen?

Der Gesetzgeber hat mit dem "Gesetz zur Abmilderung der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" vom 27. März 2020 befristet Regelungen eingeführt, die u.a. in bestimmten Fällen eine Leistungsverweigerung ermöglichen und damit die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen zum Teil außer Kraft setzen. In diesem Rahmen wird für Verbraucher und Kleinstunternehmer unter bestimmten Voraussetzungen ein echtes Leistungsverweigerungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen geregelt.

Ausdrücklich von diesem Leistungsverweigerungsrecht ausgenommen sind Miet- und Pachtverträge. Hier gewährt Art. 240 §2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) lediglich einen Sonderkündigungsschutz, wenn in der Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 die Miete nicht gezahlt werden kann und der Mieter glaubhaft belegt, dass die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie dafür verantwortlich sind. Die Mieten müssen dann nachgezahlt werden.

Welche allgemeinen Regelungen gibt es?

Ansonsten sind zunächst einmal die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen zu beachten. Damit gilt der Grundsatz: "Pacta sunt servanda!" Wenn ein Vertrag geschlossen wurde, bin ich zur Vertragstreue verpflichtet und muss meine vertraglich vorgesehen Leistungen erfüllen. Dazu gehört beispielsweise, dass ich

  • Miete zahlen,
  • Ware abnehmen oder
  • Gebühren für Werk- bzw. Dienstleistungen erbringen muss,

und zwar so lange, wie es die Laufzeit des Vertrages vorsieht.

Ein Sonderkündigungsrecht, mit dem ich mich vorzeitig vom Vertrag lösen kann, muss grundsätzlich ausdrücklich im Vertrag geregelt sein. Ausnahmen von der Vertragstreue sind darüber hinaus bei Fernabsatzverträgen (also Onlinebestellungen) und Haustürgeschäften vorgesehen: Hier existiert nämlich ein Widerrufsrecht (vgl. auch AWA 8/2020).

Denkbar sind auch Fälle, in denen Verträge nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und deshalb unwirksam oder anfechtbar sind. Werde ich beispielsweise von meinem Vertragspartner getäuscht, kann ich den Vertrag anfechten. Ein Vertrag kann aber auch schlichtweg gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstoßen und damit nichtig sein.

In diesem Zusammenhang lohnt sich immer ein Blick auf die Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in §§305ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Von AGBs spricht man übrigens bereits dann schon, wenn der Vertragstext vom Verwender mehrfach benutzt wird.

Dienstverträge, bei denen "nur" eine Leistungserbringung ohne konkreten Erfolg vereinbart wird (wie z.B. die Durchführung einer Schulung), können unter bestimmten Bedingungen vorzeitig gekündigt werden. Dazu muss das Vertrauensverhältnis grundlegend gestört sein, und es darf nicht mehr zumutbar sein, am Vertrag festzuhalten.

Werkverträge, bei denen auch ein Erfolg geschuldet ist (wie z.B. eine Reparatur), können immer vorzeitig gekündigt werden. Dann allerdings stellt sich die entscheidende Frage, ob ich verpflichtet bin, dem Werkunternehmer seinen Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen zu zahlen.

Von diesen beschriebenen Sonderfällen abgesehen, sind die Vertragspartner jedoch zunächst verpflichtet, ihre Leistung zu erfüllen. Besteht diese Leistung darin, einer Zahlung nachzukommen, ist es grundsätzlich nicht möglich, sich auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zu berufen. Denn es gilt der Grundsatz: Geld hat man zu haben.

Was sollte in der Krise geprüft werden?

Was aber ist, wenn äußere Umstände wie die Covid-19-Pandemie dazu führen, dass das Vertragsverhältnis gestört ist? Hier ist etwa an die folgenden Fälle zu denken:

  • Die Apotheke wird durch eine behördliche Anordnung geschlossen.
  • Der Chef selbst schließt die Apotheke, weil die Mitarbeiter in Quarantäne sind oder die Apotheke in einem Einkaufszentrum liegt, das durch die coronabedingten Maßnahmen dichtmachen musste.
  • Die Kundenströme sind auch nach den Lockerungen deutlich reduziert.
  • Verträge, z.B. für bestimmte Werbemaßnahmen, ergeben infolge der Krise keinen wirtschaftlichen Sinn mehr.

Besteht dann ein Leistungsverweigerungsrecht oder gar eine Kündigungsmöglichkeit, sprich: Ist es beispielsweise möglich, die Miete zu kürzen?

Unabhängig von möglichen Entschädigungsansprüchen nach dem Infektionsschutzgesetz und sonstigen staatlichen Hilfen (also rein schuldrechtlich betrachtet), muss zunächst immer geschaut werden, ob im Vertrag eine Regelung für solche Fälle vorgesehen ist. Das trifft zumeist nicht zu.

Zukünftig wird sich das allerdings ändern. Denn schon jetzt werden in der Regel sogenannte Force-Majeure-Klauseln entweder in die Verträge aufgenommen oder zusätzlich vereinbart. Mit ihnen lässt sich die Risikoverteilung zwischen den Parteien bei höherer Gewalt regeln, wie eben z.B. im Rahmen der Covid-19-Pandemie oder bei Naturkatastrophen.

Tipp: Im Hinblick auf eine mögliche Inflation empfiehlt es sich übrigens dringend, entsprechende Indexklauseln, die eine Anpassung des Preises an den Verbraucherpreisindex vorsehen, zu überprüfen und neu zu regeln.

Ohne Force-Majeure-Klauseln wird man prüfen müssen,

  • ob ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistung nach §275 BGB vorliegt,
  • ob ein Minderungsrecht greift, oder
  • ob ein Vertrag nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß §313 BGB angepasst werden kann.

Tipp: Es ist immer empfehlenswert, sich mit dem Vertragspartner zu einigen. Ist das nicht möglich, muss nämlich am Ende ein Gericht entscheiden, wie die Risikoverteilung zwischen den Beteiligten vorzunehmen ist.

Gerade bei Mietverträgen ist dabei aber ein vorsichtiges Vorgehen anzuraten. Denn ein Minderungsrecht kann zum einen vertraglich beschränkt sein. Zum anderen kann der Vermieter in der Regel fristlos kündigen, wenn zwei Monatsmieten nicht gezahlt sind. Wird z.B. die Miete um 50% gekürzt, könnte das den Vermieter zur Kündigung provozieren. Besser ist es daher, im Rahmen einer sogenannten Feststellungsklage "offiziell" abzusichern, dass die Miete entsprechend gekürzt werden darf. Das kann dann rückwirkend erfolgen.

Was ist beim Apothekenkauf zu beachten?

Einen Sonderfall stellen bereits geschlossene, aber noch nicht erfüllte Kaufverträge über Apotheken dar. Auch sie müssten gegebenenfalls nach §313 BGB angepasst werden.

In Unternehmenskaufverträgen ist dieser Fall häufig durch sogenannte Material-Adverse-Change (MAC)-Klauseln abgedeckt. Sie berücksichtigen den Fall, dass sich die äußeren Umstände zwischen Vertragsschluss und Übergang des Unternehmens ändern.

Wer im Augenblick einen Apothekenkaufvertrag abschließt, sollte gegebenenfalls mit sogenannten Earn-Out-Klauseln arbeiten, die eine Anpassung des Kaufpreises an bestimmte Umsatz- bzw. Rohertragsentwicklungen vorsehen. Zwar mag es apothekenrechtliche Bedenken gegen solche Klauseln geben. Allerdings sollten solche Bedenken aufgrund der derzeitigen besonderen Umstände zurückstehen.

Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt, Partner der RST Beratungsgruppe, 45128 Essen, E-Mail: mrohner@rst-beratung.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(11):14-14