Editorial

Eine Frage der Gewöhnung


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

"wir alle lassen uns durch die Gewöhnung viel lieber, weil bequemer, überzeugen als durch das ursprüngliche Gefühl". Damit, so könnte man meinen, hat der Schriftsteller Richard Dehmel (1863–1920) vor 115 Jahren in einem Brief heraufbeschworen, was sich angesichts der Coronakrise beim Online-Kaufverhalten zu bewahrheiten scheint.

So etwa hat das IFH Köln in einem "Corona Consumer Check" festgestellt, dass 35% der Verbraucher Einkäufe, die sie normalerweise stationär erledigen, nach den ersten Lockerungen (in der Woche ab dem 4. Mai) online getätigt haben – zu Krisenbeginn (in der Woche ab dem 16. März) waren es nur 13%. Zudem können sich 69% der Online-Käufer sicher vorstellen, die entsprechenden Artikel auch weiterhin über das Netz zu beziehen.

In der Befragung ging es zwar um den Einzelhandel allgemein, und nicht konkret um Apotheken mit ihrem "Sonderstatus" als Heilberufler. Wer aber z.B. weiß, dass der Online-Umsatz mit Medikamenten im "Hamstermonat" März laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) verglichen mit März 2019 um 88,2% gestiegen ist, der dürfte vermuten, dass die krisenbedingte Beschleunigung des Trends zum Kauf im Netz auch vor Apotheken nicht Halt macht.

Damit Sie hier gut aufgestellt sind, starten wir in diesem Heft mit einer kleinen Serie zu Apotheken-Online-Shops (vgl. den Beitrag "Lohnt sich ein Online-Shop für Apotheken"?), inklusive einigen Rechtstipps (vgl.den Beitrag "Wie Sie sich online rechtssicher aufstellen"). Auf dass die Kunden ihrem ursprünglichen Gefühl (dem Vertrauen in die Vor-Ort-Apotheke) weiterhin folgen, gleichzeitig aber wissen, dass sie bei Ihnen auch mal bequem online bestellen können, wie sie es spätestens seit Corona aus anderen Branchen gewohnt sind.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(12):2-2